# taz.de -- Notfallplan für Flüchtlingsunterbringung: Flüchtlinge sollen in … | |
> Berlin aktiviert den Notfallplan für die Unterbringung von Geflüchteten. | |
> Schuld seien die anderen Bundesländer. Doch stimmt das? | |
Bild: Bald müssen in Berlin ankommende Flüchtlinge wieder in Zelten leben | |
BERLIN taz | Flüchtlinge, die in Zelten und Turnhallen schlafen müssen, | |
überforderte Ämter, ausgebrannte Helfer*innen – [1][eigentlich sollten | |
sich diese Bilder aus dem Jahr 2015 nicht wiederholen]. Dennoch steht | |
Berlin sieben Jahre später vor einem ähnlichen Szenario: [2][Am Mittwoch | |
rief Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) die erste Stufe des | |
Notfallplans] bei der Unterbringung von Geflüchteten aus. Auf dem Gelände | |
des ehemaligen Flughafens Tegel soll nun ein Zelt mit rund 900 | |
Schlafplätzen aktiviert werden, auch die beschleunigte Anmietung von | |
Hostels wird geprüft. | |
Für Diana Henniges ein Horrorszenario: „Das ist ein Desaster“, sagt die | |
Gründerin von „Moabit Hilft“ zur taz. Schon jetzt würden Geflüchtete tei… | |
unter „katastrophalen, menschenunwürdigen Bedingungen“ untergebracht. Die | |
Ausrufung des Notfallplans ist für Henniges ein „Offenbarungseid“, der | |
fatale Konsequenzen haben könnte: „Wir werden hier früher oder später | |
Obdachlose haben.“ Berlin hätte auch in Zeiten sinkender Zugangszahlen | |
Kapazitäten frei halten müssen, um vorbereitet zu sein, [3][stattdessen | |
seien sie heruntergefahren worden]. Ein Fehler, wie sich nun herausstellt. | |
Auch der Berliner Flüchtlingsrat kritisiert das Vorgehen der | |
Sozialsenatorin: „Dass dem Senat jetzt wieder nichts Besseres einfällt, als | |
Menschen auf ehemaligen Flughäfen und in Zelten unterzubringen, ist mehr | |
als enttäuschend“, so Sprecherin Almaz Haile. Stattdessen müssten | |
Ferienwohnungen und Businessappartements angemietet und freie Wohnungen von | |
städtischen Wohnungsgesellschaften an Geflüchtete vergeben werden. | |
Die Sozialsenatorin begründet ihr Vorgehen mit steigenden | |
Flüchtlingszahlen. Laut dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) | |
wurden in Berlin zuletzt rund 1.000 Schutzsuchende pro Monat registriert. | |
In Gemeinschaftsunterkünften und Aufnahmeeinrichtungen gebe es derzeit aber | |
nur noch 326 freie Plätze. Die Situation habe sich zugespitzt, weil die | |
meisten Bundesländer aus dem Easy-Verteilsystem ausgestiegen seien. | |
## Berlin selbst nicht Teil des Verteilsystems | |
Easy regelt die Verteilung von Geflüchteten nach dem „Königsteiner | |
Schlüssel“ entsprechend der Bevölkerungszahl der Länder. Berlins Anteil | |
liegt bei rund 5,2 Prozent. Da sich mittlerweile 12 von 16 Bundesländern | |
für die Verteilung haben sperren lassen, müssen in Berlin mehr | |
Schutzsuchende untergebracht werden. Für Juli rechnet Kipping mit 450 | |
zusätzlichen Geflüchteten, Tendenz steigend. Die Senatorin appellierte an | |
die Länder, in das Verteilsystem zurückzukehren. | |
Allerdings gehört Berlin selbst zu den Easy-Verweigerern und hat sich, wie | |
die anderen Stadtstaaten auch, dauerhaft sperren lassen. Andere tun es ihm | |
nun nach. Laut taz-Informationen nehmen zurzeit nur noch Hamburg, Bayern, | |
Rheinland-Pfalz und Baden-Württenberg an dem solidarischen Verteilsystem | |
teil. | |
Ist Berlin also selbst unsolidarisch? Sozialsenatorin Kipping bezeichnet | |
die Sperrung gegenüber der taz als „rein technische Angelegenheit“: „In | |
Berlin kommen so viele Antragsstellende an, dass wir ständig über der Quote | |
liegen.“ Das trifft allerdings auch auf Hamburg zu, das die Easy-Sperrung | |
trotzdem aufgehoben hat. Mit der Aktivierung des Notfallplans will die | |
Senatsverwaltung nun Zeit kaufen – um weitere Unterkünfte zu schaffen und | |
„eine politische Lösung in anderen Bundesländern zu finden“. | |
## Flüchtlinge dürfen sich nicht selbst Unterkunft suchen | |
Für die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl ist das Problem hausgemacht: | |
„Asylsuchende können nicht frei entscheiden, wo sie unterkommen“, | |
kritisiert die rechtspolitische Referentin Wiebke Judith gegenüber der taz. | |
„Es braucht jetzt ein Umdenken in der Aufnahmepolitik und die rechtlichen | |
Möglichkeiten, die das Aufheben der Wohnverpflichtung ermöglichen, müssen | |
genutzt werden.“ Dürften sich Geflüchtete privat eine Unterkunft suchen, | |
würde sich das Problem so nicht stellen, ist Judith überzeugt. „Auch wenn | |
viele [4][Geflüchtete selbst, wenn sie dürfen, keine Wohnung finden.“] | |
28 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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