# taz.de -- Neues Klima im Journalismus: Viele Wege in die Krise | |
> Wie soll sich Journalismus organisieren, um die Klimakrise abzubilden? | |
> Dafür sind neue Strategien nötig – und die Medien probieren verschiedene | |
> aus. | |
Bild: Ausgetrocknetes Flussbett der Loire | |
Berlin taz | Mit der Gründung ihres Klimaressorts Zeit Green trat Die Zeit | |
als prominente Fürsprecherin des Klimajournalismus auf. Nun hinterfragt sie | |
jedoch ihre Herangehensweise. Vor wenigen Wochen bestätigte eine Sprecherin | |
des Verlags der taz: Während das Ressort im Print bestehen bleibe, werde | |
das Onlineressort aufgelöst, die Redakteur*innen werden neu verteilt. | |
Der digitale Journalismus habe „andere Wege eingeschlagen, um über | |
Nachhaltigkeit und Klimakrise zu berichten“. | |
Wenn Wälder brennen und Politiker:innen ums Heizen streiten, ist klar: | |
Klima gehört zur Berichterstattung. Das Bewusstsein für das Thema ist in | |
vielen Redaktionen gewachsen, auch durch die Klimabewegung. | |
Klimaaktivist*innen sind aus Talkshows nicht mehr wegzudenken. Die | |
Qualität der Regierungsarbeit bewerten Redaktionen mittlerweile ebenso sehr | |
anhand der Klima- wie der Außen- oder Sozialpolitik. | |
Wolfgang Blau, Mitbegründer des Oxford Climate Journalism Network, versteht | |
Klima als übergreifendes systemisches Thema, „das alle Bereiche unserer | |
Volkswirtschaft, unseres Lebens in irgendeiner Weise verändern wird“. Um | |
dem höheren Bedarf an Klimaberichterstattung nachzukommen, beschrieb | |
Wolfgang Blau 2021 im Branchenmagazin Journalist drei Strategien: | |
Redaktionen könnten ihre Wissensressorts erweitern; sie könnten neue | |
spezialisierte Klimaressorts aufbauen; oder sie setzen auf eine Art | |
Metateam aus Mitgliedern verschiedener etablierter Ressorts, die sich zu | |
Klimathemen koordinieren. | |
Bevor sich Klimaressorts in Deutschland verbreiteten, hatten sich solche | |
Strukturen im angelsächsischen Raum längst etabliert, so beim Guardian oder | |
dem New-York-Times-Climate-Desk, der seit 2017 besteht. | |
## Auch konservative Medien dabei | |
In Deutschland befasst sich neben Zeit Green bei Correctiv ein eigenes | |
Reporterteam seit 2019 mit den Folgen der Klimakrise, und auch die taz | |
verstärkte 2020 ihre verschiedenen Formate in der Klimaberichterstattung. | |
RTL strahlte 2021 erstmals das „Klima Update“ aus, im selben Jahr baute die | |
Deutsche Presse-Agentur ein Klimateam auf, und auch auf der Startseite des | |
Spiegel steht prominent der Schwerpunkt „Klimakrise“. ARD Aktuell | |
koordiniert Klimaberichterstattung verstärkt über ihr Wissensressort. | |
Selbst ein relativ konservatives Medium wie Focus Online gründete im | |
Februar 2023 das Focus Online Earth Ressort mit einem Büro im Ahrtal, das | |
2021 bei der Hochwasserkatastrophe geflutet wurde. | |
Neu gegründete Klimaressorts haben einige Vorteile. Wolfgang Blau glaubt, | |
in neuen Ressorts sei es für ein Team einfacher, klimarelevantes Fachwissen | |
aufzubauen. Eine Neugründung bedeutet oftmals auch, Platz für Geschichten | |
und Nachrichten zu schaffen. Damit verschieben Klimaressorts den | |
nachrichtlichen Fokus. Meldungen etwa über die Starkregenflut in Slowenien, | |
die sonst untergehen könnten, finden dank Klimafokus einen prominenten | |
Platz. | |
Berichterstattung aus Klimaressorts kann aber nicht der Endpunkt sein. Der | |
Standpunkt der Charta, die das [1][Netzwerk Klimajournalismus] im Frühjahr | |
2022 veröffentlichte, scheint sich immer weiter zu verbreiten. 2021 | |
gründete sich das Netzwerk für einen inhaltlichen und redaktionellen | |
Austausch. „Die Klimakrise ist kein eigenes Thema, sondern – analog zu | |
Demokratie und Menschenrechten – eine Dimension jedes Themas“, heißt es in | |
der Grundsatzerklärung. | |
Daher dürfe das Thema nicht an Ereignisse wie den jährlichen | |
Weltklimagipfel gebunden sein. Klimafragen stecken in den politischen | |
Entscheidungen, im wirtschaftlichen Handeln, selbst im Sport. So sieht es | |
auch Deutschlandfunk-Redakteur Georg Ehring, der das ressortübergreifende | |
Team des Senders leitet, das in diesem Frühjahr gegründet wurde. Alle zwei | |
Wochen tage die Arbeitsgruppe, bespreche die aktuelle | |
Klimaberichterstattung des Senders und koordiniere Themen, sagt er. | |
## Oft Einzelinitiativen | |
Mit einem ähnlichen Ansatz eines übergeordneten Teams arbeitet auch die | |
Süddeutsche Zeitung (SZ). Sie setzt ganz bewusst nicht auf ein | |
Klimaressort. Die Zeitung habe in allen Ressorts Autor:innen angestellt, | |
die dort jeweils für Klima zuständig sind, sagt Christoph Eichhorn, | |
Wissensredakteur und Koordinator für Klimathemen. | |
So eine Strategie ist insbesondere sinnvoll für Themen, die zwischen den | |
Ressorts stattfinden, wie etwa den Heizungsstreit, den man aus politischer, | |
wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Sicht betrachten könnte. Generell | |
erfordern solche Metateams aber eine gute Kommunikation innerhalb der | |
Häuser und gehen oft auf die Initiative einzelner Redakteur:innen | |
zurück. | |
Aber: „Nur weil man mehr Klima macht, heißt das nicht unbedingt, dass es | |
auch gut gemacht ist“, kritisiert [2][Sara Schurmann]. Die | |
Klimajournalistin beschäftigt sich seit Jahren mit besserer | |
Klimaberichterstattung und forderte 2020 in einem offenen Brief die Branche | |
auf, das Ausmaß der Klimakrise medial anzuerkennen. So ist trotz Klimateam | |
das Thema bei der SZ online nur wenig präsent. Dennoch hat sich die | |
Qualität vieler Ressorts und Redaktionen nach der Gründung verbessert. | |
Alle Strömungen haben Vor- und Nachteile. Klimaressorts bringen ein grünes | |
Image, aber schaffen es möglicherweise nicht, alle Dimensionen des | |
Klimathemas ins Tagesaktuelle zu übertragen. Auch große Wissensressorts | |
können vor diesem Problem stehen, aber es ist viel einfacher für | |
Redaktionen, in bestehenden Strukturen die Klimaberichterstattung | |
auszubauen. Metastrukturen haben den Vorteil, ressortübergreifend zu sein. | |
Bis jetzt existiere in Deutschland noch kein Team, das den | |
mehrdimensionalen Aspekt des Klimas verinnerlicht hätte, kritisiert | |
Wolfgang Blau. „Allein mit Kilmaressorts kommen wir nicht schnell genug zur | |
möglichst flächendeckenden klimarealistischen Berichterstattung“, findet | |
auch Sara Schurmann. | |
Damit guter Journalismus gelingt, muss jede gewählte Strategie innerhalb | |
der Medienhäuser ausstrahlen. Womöglich liegt die Lösung auch darin, | |
Strategien zu verknüpfen: etablierte Wissenshubs zu schaffen, | |
beispielsweise in Wissensressorts, regelmäßige Klimaschwerpunkte zu | |
etablieren und möglichst viele Mitarbeitende zu schulen, wie es der Sender | |
Radio France tat. Doch dafür müssen Ressourcen bereitgestellt werden. | |
Den passenden Weg zu finden, ist ein langer Prozess. Zeit Online habe lange | |
nach passenden Ansätzen gesucht, um Geschichten zu Nachhaltigkeit und Klima | |
online zu erzählen, heißt es im Statement des Verlags. Ein neues Team wolle | |
die Berichterstattung zur Klimakrise frisch angehen und das Thema in alle | |
Ressorts und Teams tragen. | |
10 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Sendezeit-fuers-Klima/!5914530 | |
[2] /Nach-offenem-Brief-an-New-York-Times/!5917139 | |
## AUTOREN | |
Adefunmi Olanigan | |
## TAGS | |
Klimajournalismus | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Printmedien | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Klimajournalismus | |
Kolumne Ethikrat | |
Klimajournalismus | |
klimataz | |
Journalismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
7 Schritte für Redaktionen: Bessere Klimaberichterstattung | |
Im Journalismus ist es wie in der Klimakrise: Es verändern sich Dinge, aber | |
nicht schnell und umfassend genug. Das kann sich ändern. Eine Anleitung. | |
Kulturwissenschaftlerin über Windenergie: „Das hat etwas Kriegerisches“ | |
Georgiana Banita untersucht mediale Narrative über Windkrafträder. Deren | |
Potenzial werde noch immer verkannt – genauso wie die Gefahren des | |
Klimawandels. | |
Korbflechten ist auch keine Alternative: Über die Unmöglichkeit, aufzugeben | |
Umorientieren geht – Aufgeben nicht. Dabei ist es nur die logische Antwort | |
auf die Endlichkeit unserer Kräfte. | |
Sendezeit fürs Klima: Das Fernsehen setzt Klimathemen | |
Laut einer Studie der Uni Hamburg ist das Klima im öffentlich-rechtlichen | |
Fernsehen mittlerweile häufiger Thema. Wird das der Klimakrise gerecht? | |
taz-Community über Klima in den Medien: „Falschinformationen klar benennen“ | |
Wie sieht gute Klimaberichterstattung aus? Was sollte anders gemacht | |
werden? taz-LeserInnen teilen ihre Wünsche an Medien in der Klimakrise. | |
Journalist:innen verfassen Charta: Die mediale Klimakrise | |
Der Klimawandel sollte medial als Querschnittsthema behandelt werden. Das | |
fordert ein Netzwerk aus Journalist:innen. |