# taz.de -- Neue Zahlen zu rechten Gewalttaten: Das rechte Auge bleibt blind | |
> Viele Delikte mit mutmaßlich rechtsextremem Hintergrund werden von der | |
> Polizei nicht als solche erfasst. Das zeigt eine Anfrage der Linken. | |
Bild: Hoyerswerda, 1991: Seit damals habe sich wenig an der mangelhaften Erfass… | |
Es ist eine Liste, die man nicht besonders gerne liest. Sie beginnt mit „a) | |
Angriff mit einer Machete am 11. Februar 2016 auf Bewohner einer | |
Geflüchtetenunterkunft in Kelheim (Bayern)“ und endet mit „w) | |
Fahrzeugattacke auf eine antifaschistische Demonstration am 16. Mai 2018 in | |
Salzwedel (Sachsen-Anhalt)“. | |
Dazwischen eine lange Liste weiterer Taten aus den letzten zwei Jahren. Ein | |
Doppelmord an einem lesbischen Paar ist darunter, eine ägyptische | |
Studentin, [1][die von einem Auto überfahren wurde], ein Tötungsversuch an | |
einem Obdachlosen, [2][Schüsse auf einen Dönerimbiss]. 23 Gewalttaten sind | |
es insgesamt, ihr gemeinsamer Nenner: Ein rechtsradikaler oder | |
rassistischer Hintergrund erscheint angesichts der Tatumstände mindestens | |
plausibel. | |
Das sieht die Polizei aber offenbar anders: Nur drei der aufgezählten Taten | |
wurden als politisch motivierte Kriminalität der Kategorie rechts erfasst, | |
wie die Bundesregierung jetzt auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten | |
Martina Renner mitteilte. Dabei handelt es sich um den Angriff auf die | |
Flüchtlinge in Keilheim, einen Sprengstoffanschlag auf ein linkes Zentrum | |
in Chemnitz sowie um Schüsse, die in Halle auf ein muslimisches | |
Kulturzentrum abgegeben wurden und einen Syrer verletzten. Alle anderen | |
Taten, darunter auch der [3][Münchner Amoklauf des Rassisten David S.], | |
wurden nicht als rechtsmotiviert eingeordnet. | |
Warum, dazu will die Bundesregierung keine Angaben machen, das sei Sache | |
der Länder. Die Abfrage bestätigt erneut, [4][was Opferverbände und | |
Beratungsstellen schon lange kritisieren]: Ihre Statistiken zu rechten und | |
rassistischen Gewalttaten erfassen weit mehr Taten als die der staatlichen | |
Stellen. | |
Für 2017 etwa erfasste die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik insgesamt | |
1130 politisch rechts motivierte Gewalttaten. Der Verband der unabhängigen | |
Opferberatungsstellen zählte allein in den fünf ostdeutschen Bundesländern, | |
Berlin und Schleswig-Holstein 1.185 solcher Taten – laut dem | |
Verbandsvorsitzenden Robert Kusche eine „erschreckend hohe“ Diskrepanz. | |
## „Politischer Unwille“ | |
„Ob und wann die Polizei rechte und rassistische Gewalttaten als solche | |
registriert und wann nicht gleicht einem Blick in die Glaskugel“, sagt die | |
Linken-Abgeordnete Martina Renner. Dass die Definition und Erfassung | |
politischer Gewalt fehlerhaft sei, sei lange bekannt, trotzdem hätten die | |
staatlichen Behörden bisher kaum dazu gelernt. | |
„Das ist kein Zufall, sondern politischer Unwille“, sagt Renner. „Die | |
Leidtragenden sind die Opfer rassistischer und rechter Gewalttaten und | |
Tötungsdelikte und ihre Angehörigen, denen womöglich | |
Entschädigungsansprüche versagt bleiben.“ Renner fordert eine unabhängige | |
Kommission, die Taten bei Verdacht auf eine politische Motivation | |
überprüft. | |
5 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2017/08/tod-aegyptische-studentin-cot… | |
[2] https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/halle/schuesse-auf-doener-imbiss-halle-10… | |
[3] /Gutachter-ueber-Amoklauf-in-Muenchen/!5451396 | |
[4] /Rechts-motivierte-Toetungsdelikte/!5514324 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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