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# taz.de -- Gefühlte Kriminalität und echte Zahlen: Verzerrtes Bild von Siche…
> Die AfD spricht in heftiger Sprache von einer „dramatisch verschärften
> Sicherheitslage“. Dabei ist Deutschland so sicher wie schon lange nicht
> mehr.
Bild: Tücken, die das Bild verzerren: Man muss genau wissen, wie man die Krimi…
Bochum dpa/taz | Glaubt man AfD-Fraktionschefin Alice Weidel, sieht es
düster aus in Deutschland: Die Sicherheitslage habe sich „dramatisch
verschärft“, eine „blutige Entwicklung“ setze sich ungebremst fort. Dies
zeigten die Zahlen des Bundeskriminalamts „schwarz auf weiß“, behauptete
sie noch am Donnerstag.
Medienforscher Thomas Hestermann von der Macromedia-Hochschule in Hamburg
kommt hingegen zu einem ganz anderen Schluss: „Das Land ist so sicher wie
lange nicht mehr – aber es fühlt sich für viele nicht so an.“
[1][Die Zahl der bundesweit registrierten Straftaten] war 2017 so stark
zurückgegangen wie seit 20 Jahren nicht mehr. „Aber der krasse Rückgang der
Kriminalität in der letzten Polizeistatistik hat in keiner Weise zu einer
Beruhigung beigetragen“, sagt Hestermann.
„Die Bürger haben mehr Angst, obwohl sie weniger Grund dazu haben“, sagt
auch Kriminologe Thomas Feltes von der Universität Bochum. Er hat die Kluft
zwischen realer und gefühlter Kriminalität schon 2016 gemessen: Von 3.500
repräsentativ befragten Bochumer sah es fast jeder Fünfte als
wahrscheinlich an, im kommenden Jahr Opfer eines Raubüberfalls zu werden.
Tatsächlich lag das Risiko bei 0,3 Prozent. Damit war die subjektive Angst
65 Mal so hoch wie die reale Gefahr.
## Dunkelfeld der nicht registrierten Kriminalität eher kleiner
Im Vergleich zur vorherigen Befragung 1998 gaben 65 Prozent weniger
Bochumer an, Opfer einer Körperverletzung geworden zu sein. Die Befragten
sagten auch, dass sie Straftaten heute wesentlich häufiger anzeigten als
früher. Das Dunkelfeld der nicht registrierten Kriminalität dürfte also
eher kleiner als größer geworden sein.
Der Anteil der Zuwanderer an den Tatverdächtigen ist in der
Kriminalitätsstatistik allerdings deutlich überproportional zum Anteil in
der Bevölkerung, auch wenn man die ausländerrechtlichen Taten abzieht. Doch
damit sei nichts belegt, sagt Feltes. „Wer unreflektiert mit diesen Zahlen
hantiert, begeht geistige Brandstiftung.“
Die Zuwanderer seien überwiegend männlich, jünger und ärmer als die
deutsche Durchschnittsbevölkerung. Wenn man sie mit einer entsprechenden
deutschen Gruppe vergleiche, löse sich der Unterschied größtenteils in Luft
auf.
Die Kriminalstatistik hat weitere Tücken, die das Bild verzerren: Sie
erfasst die Straftaten ausländischer Touristen und Geschäftsreisender in
Deutschland – in einer [2][Stadt wie Berlin] mit acht Millionen Touristen
jährlich sei dies durchaus ein Faktor. Umgekehrt sind die Delikte Deutscher
im Ausland nicht enthalten.
## Die meisten Gewaltopfer von Zuwanderern sind Zuwanderer
Für die enorme Verunsicherung hat Medienforscher Hestermann eine ganz
andere Ursache als die Entwicklung der Zahlen ausgemacht. Er hat die
Berichterstattung des Fernsehens und der Zeitungen in Deutschland
untersucht und kommt zum Ergebnis: „Die deutschen Medien haben den
gewalttätigen Einwanderer als Angstfigur neu entdeckt. Es gibt einen
völligen Umschwung in der Berichterstattung nach der Kölner
Silvesternacht.“
So habe sich die Zahl der Fernsehberichte über kriminelle Zuwanderer seit
2014 vervierfacht, während der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger in der
Kriminalstatistik lediglich um ein Drittel angestiegen sei. In der gleichen
Zeit halbierte sich die Zahl der Berichte über ausländische Opfer von
Gewalttaten, obwohl die Statistik einen Anstieg ausländischer Gewaltopfer
verzeichne.
Mehr Menschen bedeuteten nun einmal auch mehr Straftaten, sagt Kriminologe
Feltes. Was die Belastung für die deutsche Bevölkerung aber nicht
zwangsläufig erhöht: Die weitaus meisten Gewaltopfer von Zuwanderern seien
Zuwanderer.
Trotz des Anstiegs der letzten zwei bis drei Jahre liegen die Zahlen für
Mord und Totschlag weit unter denen etwa der 1990er Jahre. Und der Anstieg
erklärt sich schon zu einem großen Teil aus einer einzigen Mordserie, auf
die das BKA im Kleingedruckten verweist: [3][die des deutschen
Krankenpflegers Niels H.].
17 Sep 2018
## LINKS
[1] /Kriminalitaet-in-Deutschland/!5500140
[2] /Sicherheit-in-Zahlen/!5486019
[3] /Patientenmoerder-in-Niedersachsen/!5461639
## AUTOREN
Frank Christiansen
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Kriminalität
Kriminalität
Katharina Schulze
Schwerpunkt Rassismus
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