| # taz.de -- Neue Talkshow mit Caren Miosga: Kleine Leuchte am großen Tisch | |
| > In ihrer ersten TV-Talksendung plaudert Caren Miosga freundschaftlich mit | |
| > Friedrich Merz. Der journalistische Blizzard kommt von einer anderen. | |
| Bild: Ach, diese Zugewandtheit. Da kann man die Konfrontation schon mal vergess… | |
| Die ersten 25 Minuten der neuen Sonntagabend-Talkshow sind so schräg, | |
| pointenunsicher und stakselig, dass die Ankündigung der neuen Moderatorin, | |
| sie sei an echten Gesprächen interessiert, im Nachhinein wie eine Warnung | |
| wirkt. | |
| Dabei behandelt die ehemalige „Tagesthemen“-Moderatorin ihren ersten Gast, | |
| als wäre er ein echter Superstar, vielleicht George Clooney: Ständig müssen | |
| beide schmunzeln, lachen und freudig mit ihren Augenbrauen tanzen. Die | |
| Moderatorin ist sehr charmant, der Gast dann auch. Immer wieder schauen sie | |
| sich tief in die Augen, immer noch ein Stückchen weiter beugen sich die | |
| Oberkörper über den Tisch zueinander hin. | |
| Dabei stellt Caren Miosga zwar nicht nur Wohlfühlfragen, aber hartnäckig | |
| bleibt sie dann doch nur bei einem Thema: der Kanzlerkandidatur. Ach ja, | |
| genau, zu Gast ist ja gar nicht George Clooney, sondern [1][der | |
| CDU-Vorsitzende Friedrich Merz]. | |
| Auf die Frage, ob Merz auch demonstrieren war, kann der lachend sagen: | |
| Nein, ich war ja auf dem Weg nach Berlin. Falsche Fakten unwidersprochen | |
| verbreitend, darf er sagen, dass Markus Söder in München demonstriert hat. | |
| Was er nicht hat. Und Merz darf schwammig definieren, was er für | |
| konservativ hält („das Gute bewahren“). | |
| ## Auf der Jagd nach dpa-Meldungen | |
| Dann darf er auch noch hinzufügen: „[2][Diese Demonstrationen] sind | |
| ermutigend.“ Kritische Nachfragen kommen dann leider nicht, und auch kein | |
| Widerspruch im Sinne von: „Damit Sie bald wieder zum Zahnarzt können?“ Auch | |
| seriösere Fragen zur Abschiebeforderung des Gastes entfallen leider. | |
| Stattdessen leitet Miosga mit „Ich mache noch einen Versuch“ irgendeine | |
| Herleitung ein, nur um erneut daran zu scheitern, eine | |
| Kanzlerkandidatur-dpa-Meldung zu generieren: „Sie werden's doch eh, dann | |
| können Sie es doch zugeben.“ | |
| Als man denkt, so, jetzt muss es aber losgehen, greift Miosga unter den | |
| Tisch und stellt eine schwarze Bürotischlampe auf den Tisch. Die hat | |
| irgendwas mit Sauerland zu tun und mit Christian Lindner, und Friedrich | |
| Merz erzählt dazu irgendwas von seinem Vater und von zu Hause, und dann | |
| kommt ein eingespieltes Filmchen über Thüringen und die dürftige Abgrenzung | |
| der dortigen CDU von der AfD. | |
| ## Licht ins Dunkel | |
| Auch die Kamera ist in diesen ersten 25 Minuten völlig aufgeschmissen und | |
| weiß nicht, wohin. Die ständigen Totalen auf Friedrich Merz sind schon nach | |
| dem dritten Mal stinköde, und die so abrupt startenden wie endenden | |
| Rundfahrten durchs Studio simulieren Action, wo nur Plauderei ist. Dabei | |
| verpasst sie immer den Einsatz, wenn die Moderatorin wieder Fragen stellt, | |
| und ist erst bei ihr, wenn sie grad die letzten Worte spricht, und muss | |
| dann schnell schon wieder zu Merz schwenken, kommt dabei aber auch schon | |
| wieder zu spät. | |
| Und dann hat die Kamera auch noch Mühe, über das dauerpräsente Sendungslogo | |
| am unteren Bildschirmrand zu fahren. Das Logo, ein Kreis und ein Quadrat, | |
| erinnert an eine dieser 70er-Jahre-Flowerpot-Tischlampen. Auch hier also | |
| vielleicht der Wink mit der Leuchte, die Licht ins Dunkel bringen soll? | |
| ## Die Rettung | |
| Völlig erschöpft von den mäandernden Kamerafahrten, beginnt man den Blick | |
| auf ruhende Accessoires wie die klobigen Wasserflaschen auf dem Tisch zu | |
| lenken, bis plötzlich völlig unerwartet ein rhetorischer Blizzard | |
| durchzieht: Journalistin Anne Hähnig. Die Redaktionsleiterin der Zeit im | |
| Osten haut in guten drei Minuten den CDU-Vorsitzenden alles um die Ohren, | |
| was Caren Miosga vorher umschifft hatte. Cooler Auftritt! | |
| Immer weiter sackt Merz zusammen und wünscht sich offenbar dahin, wo vor | |
| ihm nur die schwarze Bürolampe stand: unter den Tisch. Hähnig hält Merz | |
| unter anderem vor, Rhetorik und politische Forderungen der AfD übernommen | |
| und damit die AfD gestärkt zu haben, was Merz null parieren kann. | |
| Diese furiosen drei Minuten beeindrucken noch lange. Doch vergebens ist das | |
| Warten auf die Wiederholung einer auch nur annähernd so guten Attacke. Die | |
| Aufmerksamkeit schwindet, der Blick der Zuschauerin schweift nur allzu gern | |
| wieder auf den Tisch und sie fragt sich: Wo ist denn die Bürolampe hin? | |
| Sie ist weg. Nun, der zweite Teil der Sendung, zu der auch der Soziologe | |
| Armin Nassehi gehört, ist zwar kurzweiliger, ein paar intelligente | |
| Einschätzungen zu den Erfolgen der AfD fallen. Dennoch mäandert auch dieser | |
| Teil der Talkshow irgendwohin, als wäre das erklärte Ziel der Sendung, die | |
| verschwundene Bürolampe wiederzufinden, um das Licht auszuschalten. | |
| Das Konzept also scheint darin zu bestehen, dass sich Miosga mit dem | |
| „schwierigen“ Gast zunächst in eine warme Flauschdecke kuschelt, damit sie | |
| – und vor allem die weiteren Gäste – ihn dann in der zweiten Runde umso | |
| einfacher grillen, korrigieren, in die Ecke drängen und auflaufen lassen | |
| können. | |
| Ob dieses Konzept das Zeug dazu hat, spannender zu werden als in der ersten | |
| „Caren Miosga“-Folge? Sicherlich bekommt die geheimnisvolle Bürolampe im | |
| Laufe des Jahres noch viele Dinge an die Seite gestellt: Blumenvasen, | |
| Blasenpflaster, Büffelkopfenten. Quasi als Ersatz für die Frage nach dem | |
| Hobby oder der Ehefrau. | |
| 22 Jan 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
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