# taz.de -- Neue Musik aus Berlin: An Geister herantasten | |
> „Ghosts“, das neue Album des Michael Wollny Trios ist ein geisterhafter | |
> Ritt durch die Spuk-Geschichte, inklusive Horrorklassikern wie „The | |
> Wicker Man“ | |
Bild: Das Michael Wollny Trio | |
Am Pianisten Michael Wollny scheiden sich ein bisschen die Geister. Solche | |
vor allem, die unter den Lebenden weilen und ihren Jazz etwas orthodoxer | |
hören. Denn für [1][Wollny], dessen zeitlicher Horizont von | |
mittelalterlichen Komponisten wie Guillaume de Machaut bis zu heutigem Pop | |
reicht, ist die Romantik von besonderer Bedeutung. Bei der ist es | |
bekanntlich ein kleiner Schritt zur schwarzen Romantik, der sich Wollny | |
unter anderem auf seinem Album „Nachtfahrten“ von 2015 gewidmet hat. | |
Auch sein jüngstes Album, „Ghosts“, trägt die Inspiration im Titel. Wobei | |
die Musik gar nicht groß an Romantik denken lässt. Seine traumartige | |
Leichtigkeit klingt eher gegenwärtig. Die Spukreferenzen sind gleichwohl | |
quer durch die Geschichte versammelt. Von Schuberts „Erlkönig“, vom Michael | |
Wollny Trio, dessen Schlagzeuger Eric Schaefer in Berlin lebt, in einer | |
synkopierten Bearbeitung präsentiert, die das Original gerade noch | |
durchscheinen lässt, bis zum Titelstück von David Sylvian geht die Reise. | |
Ein Höhepunkt kommt gleich als zweite Nummer. Da hat Wollny dem | |
unterschätzten Musiker Paul Giovanni ein kleines Denkmal gesetzt und aus | |
dessen Soundtrack zum gar nicht genug zu preisenden Horrorklassiker „The | |
Wicker Man“ von 1973 den „Willow's Song“ in einer harmonisch herrlich | |
verschobenen Fassung interpretiert. | |
Die zarte Melodie bringt Michael Wollny mit wenigen gezielt schrägen | |
Strichen leicht zum Klirren. Und setzt damit den Ton für eine diskrete | |
Beschwörung von Geistern aller Arten. | |
17 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://michaelwollny.com/ | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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