# taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Die Zukunft der Klangschaften | |
> Tönende Futuristik in Geschichte und Gegenwart, gedämpfte Darbietungen | |
> und der Sound von ZIMT stehen diese Woche auf dem Programm. | |
Bild: Am Sonntag im silent green zu Gast: Perila | |
Je länger man mit Worten auf professioneller Grundlage zu tun hat, desto | |
mehr können sich zwei gegenstrebige Neigungen verschärfen: Das routinierte | |
Hinwerfen von Phrasen, bei dem man vergessen hat, sich selbst noch einmal | |
über die Schulter zu blicken, betriebsblinde Schlamperei also, und das | |
wachsende Misstrauen gegen genau solche Worthülsen aller Art. | |
So wittert man hinter Titeln mitunter inhaltliche Leere, wobei es gerade | |
bei Musik zugegebenermaßen nicht immer einfach ist, überall Sinn zu finden, | |
wo zunächst ein in Teilen begriffsfreies Hören gefordert ist. Denn allen | |
Bemühungen zum Trotz lässt sich an Musik nicht alles restlos in Worte | |
übersetzen, dann wäre sie ja auch nicht nötig. | |
Ein Festival, das als „[1][Future Soundscapes]“ angekündigt wird, ruft etwa | |
die Frage hervor: Warum eigentlich Zukunft? Gibt es das Gestalten von Klang | |
als raumgreifende Textur nicht schon lange genug, sodass sie kaum noch zum | |
Ding der Zukunft erklärt werden müssten? Wobei der Ansatz des Festivals, | |
das noch bis Sonntag (29. 9.) im silent green läuft, ein anderer zu sein | |
scheint. | |
Soundscapes werden vielmehr, aus historischer und gegenwärtiger | |
Perspektive, als akustisches Ausdrucksmittel für Futuristisches aller Art | |
betrachtet. Was man gleich wieder einschränken muss, denn der Futurismus | |
als historische Kunstbewegung ist weniger gemeint als eher ein neueres | |
Verständnis von Science-Fiction, spacige Sounds und so. | |
Was auf die Künstler im Einzelnen womöglich auch nicht so ganz zutrifft. | |
Die lohnen aber, ganz gleich unter welcher Überschrift sie auftreten. Am | |
Freitag (23. 9.) sind das zum Beispiel die Musikerinnen Ale Hop und Perila, | |
die auf recht unterschiedliche Art elektronische Klänge zwischen Ambient | |
und anderweitig freischwebenden Gebilden gestalten. | |
Die Arbeit von Ale Hop wird auch am Freitag und Sonntag als audiovisuelle | |
Projektion in der Kuppelhalle zu erleben sein. Am Sonnabend (24. 9.) gibt | |
es unter anderem ein Konzert des ambientophilen Klangkünstlers KMRU und am | |
Sonntag (25. 9.) die Slide-Guitar-Expertin Heather Leigh. Alles sehr | |
eigenständig tolle Musiker, man könnte sie einfach als Vertreter von | |
abstrakteren Ästhetiken aus der Gegenwart begreifen, Zukunft hin oder her | |
(bis 25. 9., Gerichtstr. 35, ET 15 €, Programm und Tickets [2][gibt es | |
hier]). | |
Helden des metallverarbeitenden Gewerbes sind wiederum am Donnerstag (29. | |
9.) [3][im KM28 bei ihren Verrichtungen zu bewundern]. Der Name Zinc & | |
Copper steht jedenfalls zuverlässig für abenteuerlich-zugängliche | |
Blechblasmusik. | |
Das Spektrum der Obertöne lotet das Trio der Hornistien Elena Kakaliagou, | |
des Posaunisten Hilary Jeffery und des Tubisten Robin Hayward auf gern | |
hypnotische Weise aus. Ihr Programm heißt diesmal schlicht „Gedämpft“, und | |
in diesem Fall dürften keine falschen Erwartungen geweckt werden: Die | |
Musiker stopfen sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Gegenstände in ihre | |
Instrumente. | |
Neben Haywards eigenem Stück „Gruntled“ gibt es sogar die Uraufführung | |
eines Werks des mexikanisch-holländischen Komponisten Juan Felipe Waller | |
namens „Die sprechende Stummen“ (sic!) (Karl-Marx-Str. 28, 19.30 Uhr) | |
In ähnlich bedächtigem Tempo bewegen sich die Improvisationen des | |
Echtzeitmusikprojekts ZIMT, das ebenfalls am Donnerstag (29. 9.) [4][im | |
exploratorium gastiert]. Die Musiker Angélica Castelló, Barbara Romen, Kai | |
Fagaschinski, Burkhard Stangl und Gunter Schneider loten an Holzblas- und | |
Saiteninstrumenten, ergänzt um elektronische Apparate, die Grenzen von Ton | |
und Geräusch, von Akustischem und Elektronischem und von Stille und | |
Nicht-Stille aus. | |
Beim „Future Soundscapes“-Festival wären sie keineswegs unangenehm auf- | |
oder aus dem Rahmen gefallen. Ein Abend bloß mit ihnen ist aber im Zweifel | |
am besten (Mehringdamm 55, 20 Uhr, Tickets für 6–12 € [5][gibt es hier]). | |
23 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.silent-green.net/programm/ | |
[2] http://www.silent-green.net | |
[3] https://www.km28.de/ | |
[4] https://exploratorium-berlin.de/veranstaltung/improvisation-konzert-ensembl… | |
[5] https://exploratorium-berlin.de/en/veranstaltung/improvisation-konzert-ense… | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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