# taz.de -- Neue Flüchtlingsmission im Mittelmeer: Fischkutter gegen das Sterb… | |
> Auf der Flüchtlingsroute zwischen der Türkei und Lesbos beginnt die | |
> Mission „Mare Liberum“. Sie will staatlichen Akteuren auf die Finger | |
> schauen. | |
Bild: Aus Sea Watch 1 wird Mare Liberum | |
BERLIN taz | Es ist noch nicht lange her, seit sich der Wind für die | |
private Seenotrettung in Europa vollends ins Negative gedreht hat. Mitte | |
Juni musste die Organisation [1][Sea-Eye] ihre Mission vor der libyschen | |
Küste abbrechen, nachdem ihrem Schiff der seerechtliche Schutzstatus | |
entzogen wurde. Kurz darauf wurde die „Lifeline“ mit 234 geretteten | |
Flüchtlingen an Bord tagelang [2][daran gehindert, einen sicheren Hafen | |
anzusteuern]. | |
Das Team der neuen Berliner Mission Mare Liberum war da gerade dabei, sein | |
Schiff in den Niederlanden zu registrieren, wie so viele andere | |
Seenotretter zuvor. Doch dann verschärfte die niederländische Regierung | |
ihre Bedingungen – die Aktivisten waren gezwungen, sich eine andere Flagge | |
zu suchen. „Das hat uns zurückgeworfen“, sagt Hanno Bruchmann, der das | |
Projekt Mare Liberum als Vereinsvorstand seit Monaten vorangetrieben hat. | |
Zwei Monate später sind alle behördlichen Hindernisse aus dem Weg geräumt, | |
die Mission im östlichen Mittelmeer steht vor ihrem Start. Die öffentliche | |
Aufmerksamkeit für das Thema Seenotrettung infolge der restriktiven | |
EU-Politik habe ihnen auch geholfen, sagt Bruchmann, etwa beim | |
Spendensammeln. Noch diese Woche wird ihr 101 Jahre alter ehemaliger | |
Fischkutter in See stechen, vom Süden der griechischen Insel Lesbos in das | |
Einsatzgebiet im Norden der Insel, dort, wo das türkische Festland nur noch | |
etwa zehn Kilometer entfernt ist. | |
Bruchmann, der in der Nähe des Karpfenteichs im Treptower Park wohnt, aber | |
keine Erfahrung auf hoher See hat, wird mit an Bord sein. Die private | |
Seenotrettung nennt er die „konsequenteste, richtige Antwort auf das | |
Sterbenlassen im Mittelmeer“. Die Debatten um Migration, Flucht und Asyl | |
seien zur „zentralen gesellschaftlichen Auseinandersetzung geworden“. | |
## Mit dem alten Sea-Watch-Kutter | |
Seit Ende vergangenen Jahres hat Bruchmann zusammen mit dem Kernteam von | |
etwa 15 Aktivisten, viele davon aus Berlin, einige aus Hamburg, | |
Griechenland und Italien, das Schiff „Sea Watch“ 1 gekauft, einen Verein | |
gegründet, die ersten Spenden gesammelt und die Logistik für die | |
Jungfernfahrt vorbereitet. | |
Zu sechst werden sie nun aufbrechen, um ihren Beitrag gegen Europas | |
Abschottung zu leisten. Mit dabei sind eine Bootsbauerin, ein Arzt, | |
Menschen, die auch schon vor Libyen Leben gerettet haben. Was sie auf dem | |
Meer erwarten wird, weiß Bruchmann noch nicht genau, doch der blonde | |
32-Jährige kann es kaum abwarten: „Ich freue mich darauf, auf das Schiff zu | |
kommen und zu sehen, dass sich die Arbeit gelohnt hat.“ | |
Knapp drei Wochen wird der erste Einsatz dauern, dann wird eine nächste | |
Crew übernehmen. Bruchmann und seine Mitstreiter wollen die Rettung der | |
Flüchtlinge auf offenem Meer dokumentieren, auch in Zusammenarbeit mit | |
einem Netzwerk internationaler Anwälte und Menschenrechtsaktivisten. | |
Anders als die Rettungsschiffe von Sea Watch oder [3][Jugend rettet], die | |
vor der libyschen Küste oftmals die einzigen sind, die Flüchtlinge von | |
ihren Schlauchbooten retten, sind im Ägäischen Meer staatliche Akteure nie | |
weit. Griechische und türkische Küstenwache, Europas Grenzschutzagentur | |
Frontex und die Nato kreuzten mit ihren Booten rings um [4][Lesbos]. | |
## Steigende Zahlen | |
Allein in der vergangenen Woche waren es 600 Menschen, die diesen Weg in | |
die Europäische Union suchten. Vielleicht auch, weil es 2015 noch 900.000 | |
Flüchtlinge auf dieser Route gab, ehe die Zahl durch den | |
EU-Türkei-Flüchtlingsdeal massiv reduziert wurde, schaut momentan kaum | |
jemand in diese Region. | |
Dabei ist die Ägais weiterhin eine oftmals tödliche Grenze. Erst vor gut | |
einer Woche starben sieben Frauen und zwei Kinder, allesamt aus dem Irak | |
auf ihrem Weg nach Lesbos, Ende Juli überlebten sechs Türken die Überfahrt | |
nicht. Gab es keine Möglichkeit, sie zu retten, fragt Bruchmann. Den | |
staatlichen Akteuren wolle man „auf die Finger schauen, hartnäckig“, auch | |
um zu verhindern, dass es zu Push-Backs kommt, dem illegalen Zurückdrängen | |
von Booten in türkische Gewässer. | |
Im vergangenen Sommer war schon einmal eine Beobachtermission des | |
Brandenburger Vereins Sea Watch in der Region unterwegs. Aus ihr heraus | |
entwickelte sich dann das eigenständige Projekt Mare Liberum, das den alten | |
Sea-Watch-Kutter günstig übernehmen konnte. „Vielleicht sind wir bald die | |
Einzigen, die noch mit einem Schiff auf dem Mittelmeer unterwegs sind“, | |
sagt Bruchmann betont sarkastisch. | |
Andererseits sei mit der [5][Aktion „Seebrücke“], die seit Wochen überall | |
in Deutschland Menschen mobilisiere, erstmals eine Gegenerzählung zum | |
rechten Diskurs sichtbar. „Das bringt uns eine Öffentlichkeit, in der man | |
sich bewegen kann.“ | |
22 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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