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# taz.de -- Nachruf auf Laurent Monsengwo: Der Aufrechte
> Kongos prominentester Kirchenführer ist tot. Erzbischof Laurent Monsengwo
> war für seine Landsleute ein Vorbild im Kampf für Werte in der Politik.
Bild: Laurent Monsengwo nach einer Messe in Kinshasa im Februar 2018
Brüssel taz | Er war der höchstrangige katholische Kirchenführer Afrikas
und eine emblematische Figur nicht nur der Kirche, sondern auch der Politik
in der Demokratischen Republik Kongo. Der Erzbischof und emeritierte
Kardinal Laurent Monsengwo Pasinya, der am Sonntag im Alter von 81 Jahren
in einem Krankenhaus im französischen Versailles gestorben ist – an
Nierenversagen, berichten katholische Medien – bleibt in Erinnerung als
jemand, der sich jahrzehntelang gegen Tyrannei und Korruption in Kongo
erhoben hat und damit seinen Landsleuten ein prägendes Vorbild bot in einem
Kampf, der nicht beendet ist.
Der 1939 geborene Sohn eines Schreiners aus einer Familie traditioneller
Könige des Sakata-Volkes in der Region Maï Ndombe in der westkongolesischen
Provinz Bandundu fiel schon als Schüler im Großen Seminar von Kabwe auf, wo
er Philosophie lernte. In Rom studierte er Theologie und wurde mit 24
Jahren zum Priester geweiht. Das war im Jahr 1963, Kongo war kurz zuvor
unabhängig geworden und blickte nach den Wirren der Unabhängigkeit in eine
ungewisse Zukunft.
Rasch machte sich Laurent Monsengwo einen Namen als afrikanischer
katholischer Intellektueller. Er beherrschte neben seiner Muttersprache
Kisakata nicht nur Kongos zwei große Sprachen Lingala und Swahili, sondern
auch das Französische und das Niederländische der belgischen Kolonialmacht.
Er lernte Italienisch, Sprache der Kurie, und Deutsch, Sprache der großen
Theologen, dazu noch Spanisch und Portugiesisch und sämtliche Bibelsprachen
der Antike. Er promovierte 1971 als erster Afrikaner im Feld der biblischen
Exegese und lehrte dies dann in Kongos Hauptstadt Kinshasa, wo er als
Priester tätig war.
Dort fiel der junge Monsengwo durch Innovationen auf. Zwar komponierte er
Orgelwerke, aber er zelebrierte die Messe als kongolesischen Tanzritus,
gemäß der Doktrin der „Inkulturation“, deren Fürsprecher er wurde, um die
Kirche im postkolonialen Afrika auch in der afrikanischen Gesellschaft
ankommen zu lassen. 1976 wurde er Präsident der katholischen
Bischofskonferenz, 1981 Weihbischof von Kisangani und 1988 dort Erzbischof,
und 2007 Erzbischof von Kinshasa. 2010 stieg er zum Kardinal auf.
## Die Mobutu-Diktatur überwinden
Das wäre alles jenseits der Kirche weitgehend unbemerkt geblieben, wäre da
nicht Monsengwos politisches Engagement. Als die Mobutu-Diktatur das
damalige Zaire Ende der 1980er Jahre durch Korruption und orgnisierten
Diebstahl zugrundewirschaftete, war ein Memorandum der katholischen
Bischöfe, zu dem Monsengwo wesentlich beitrug, zentral dabei, Mobutu 1990
zur Abschaffung des Einparteiensystems und zur Demokratisierung zu zwingen.
Mit Monsengwo als Präsident tagte 1991 eine „Souveräne Nationalkonferenz“
als oberstes politisches Organ des Landes, das Zaire demokratisch
reformieren und die Mobutu-Kleptokratie untersuchen sollte.
Der Erzbischof wurde danach auch Präsident des daraus hervorgegangenen
Übergangsparlaments, das über die Jahre ab 1992 beharrlich versuchte,
Mobutu die Zügel der Macht zu entreißen. Nicht zufällig schlugen Mobutus
Schergen schon 1992 mit einem Massaker an katholischen Gläubigen zurück,
das in Kinshasa Dutzende Tote forderte und dessen bis heute jedes Jahr
gedacht wird.
Als die Demokratisierung im Sand verlief und stattdessen bewaffnete
Rebellen unter Führung von Laurent-Désiré Kabila 1997 Kongo eroberten und
die Macht ergriffen, war Monsengwos politische Führungsrolle vorbei. Er zog
sich auf seine Diözese zurück, auch als ab 1998 Kongo im Krieg geteilt
wurde und ausländische Armeen einrückten. Erst 2000 machte Monsengwo wieder
von sich reden, anlässlich des blutigen Krieges zwischen ugandischen und
ruandischen Besatzungstruppen um die Kontrolle des Handelsknotenpunktes
Kisangani. De Erzbischof denunzierte das „Martyrium“ seiner Landsleute im
Krieg und verlangte ein internationales Kongo-Tribunal, um die Plünderer
und Verbrecher abzuurteilen.
## Tauziehen mit Kabila
Mit Präsident Joseph Kabila, der 2001 nach der Ermordung Laurent-Désiré
Kabilas im Kongo die Macht übernahm und zum Frieden mit Wahlen führte,
vertrug sich Monsengwo nie. Monsengwos moralische Autorität verlieh der
Kritik der katholischen Bischofskonferenz an Kabilas umstrittener
Wiederwahl 2011 Gewicht; es genügte, dass der Erzbischof das amtliche
Wahlergebnis mit Kabila als Sieger gegen den populären Oppositionsführer
Etienne Tshisekedi als „weder wahrheitsgemäß noch rechtmäßig“ bezeichne…
um Kabilas zweite gewählte Amtszeit mit einem dauerhaften Makel zu belegen.
[1][Das Tauziehen zwischen Staatsmacht und katholischer Kirche], aus den
letzten Mobutu-Jahren bekannt, begann 2016 neu, als der fällige Termin für
die nächsten Wahlen immer wieder verschoben und Kabilas zweite Amtszeit
immer weiter verlängert wurde – bis Ende 2018 sollte es dauern.
[2][Protestmärsche, oft mit kathoischen Gläubigen an der Spitze], wurden
blutig niedergeschlagen. Monsengwo unterstützte die Demonstranten und
verlangte Respekt vor Kongos Verfassung.
„Es ist Zeit, dass die Mittelmäßigen den Platz räumen!“ rief Monsengwo im
Januar 2018 an die Adresse der Mächtigen im Kongo. Er bezichtigte die
Polizei der „Barbarei“ und schimpfte: „Sie sind in unsere Gemeinden
eingedrungen, sogar in die Kathedrale, sie haben Tränengasgranaten geworfen
und die Leute daran gehindert, die Messe zu zelebrieren.“
Da war sein Gesundheitszustand bereits schlecht. Im Jahr 2018 legte
Monsengwo sein Amt als Erzbischof nieder und auch seinen Sitz im
Kardinalsrat, das höchste Beratergremium des Papstes, in dem er das einzige
afrikanische Mitglied gewesen war. In den letzten Jahren hörte man von ihm
nur noch wenig. Am 5. Juli dieses Jahres wurde er zur medizinischen
Behandlung nach Frankreich ausgeflogen; schon da machten Gerüchte über
seinen Tod die Runde.
## Kein Glaube an Gott ohne Glaube an den Menschen
[3][Seine Gesprächspartner] behalten Monsengwo in Erinnerung als eine
markante Persönlichkeit. Er sprach eher monoton und glänzte nicht durch
Charisma, sondern durch die Tiefe seiner Bildung und die Zielgenauigkeit
seiner Analysen, gewürzt mit scharfem Humor. Wenige haben den korrupten,
skrupellosen und wendigen Charakter der kongolesischen Politikerklasse so
treffend beschrieben.
Er charakterisierte Kongos Politiker mit den biologischen Begriffen
„Wirbeltiere“ (vertébrés) und „Wirbellose“ (invertébrés): einerseit…
mit Rückgrat, die eine Partei oder soziale Bewegung repräsentieren,
andererseits und sehr viel zahlreicher die ohne Rückgrat, die sich
unendlich verbiegen können, um an Geld zu kommen, und deren Schwäche darin
besteht, sich nicht an das eigene Wort halten zu können. Kongo leide an
einer „ethischen Krise“ und einem „Kult der Mittelmäßigkeit“,
diagnostizierte er.
Immer wieder wurde Monsengwo vorgeworfen, seine Grenzen als Kirchenmann zu
überschreiten und nach politischer Macht zu streben. Aber er wies das immer
von sich. Religiöses und politisches Engagement waren für ihn kein
Widerspruch, im Gegenteil. Sein Nachfolger als Erzbischof von Kinshasa,
Fridolin Ambongo, bringt Monsengwos Selbstverständnis auf den Punkt: „Er
ist davon überzeugt, dass man nicht an Gott glauben kann, ohne an den
Menschen zu glauben und an seine Würde.“
Jetzt trauert das ganze Land und würdigt eine moralische Autorität. Am
kommenden Montag soll Laurent Monsengwo aus Frankreich zurück in den Kongo
überführt und in der Kathedrale von Kinshasa neben seinen Vorgängern als
Erzbischof beigesetzt werden.
13 Jul 2021
## LINKS
[1] https://monde-diplomatique.de/artikel/!5495310
[2] /Demonstrationen-im-Kongo/!5484568
[3] /!428228/
## AUTOREN
François Misser
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