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# taz.de -- Nachhaltigkeit bei Elektrogeräten: Reparatur- statt Abwrackprämie
> Das Thüringer Umweltministerium zahlt einen Bonus, um alte Elektrogeräte
> zu retten. Damit weckt es das Interesse anderer Bundesländer.
Bild: Anja Siegesmund (Grüne) vor reparaturbedürftigen Computern
Dresden taz | „In der DDR sind wir mit dem knappen Material, mit Ressourcen
überhaupt sorgsamer umgegangen!“ Pädagogin Gitta Berrached-Förster hat ihre
Selfmade- und Langnutzungsgewohnheiten aber in die heutige
Wegwerfgesellschaft übertragen. In Thüringen gehört sie zu den ersten
Nutznießern des bundesweit ersten „Reparaturbonus“-Programms für
Elektrogeräte, das Mitte Juni vom grün geführten Umwelt- und
Energieministerium aufgelegt wurde. Und das auch noch mit dem ältesten
geförderten Reparaturobjekt, einer 1979 für einen runden [1][Ost-Tausender
erworbenen Veritas-Nähmaschine]. Ein Preis, der über dem damaligen
Monatsdurchschnittslohn lag.
Eineinhalb Jahre habe sie auf die Erfüllung der Bestellung warten müssen,
berichtet Berrached-Förster, und dann nutzte die halbe Verwandtschaft das
besondere Freiarm-Modell mit. Nach mehr als 40 Jahren versagte die Veritas
nun zufällig in diesem Juni den Dienst, als hätte sie darauf gewartet, dass
die Altgerätereparatur in Thüringen mit bis zu 100 Euro Zuschuss stimuliert
wird. In Erfurt gibt es tatsächlich noch einen Kurzwarenladen, der ein
solch nützliches Museumsstück repariert.
Nach Angaben des E-Waste-Monitors 2020 fallen in Deutschland jährlich 1,6
Millionen Tonnen Elektroschrott an, fast 20 Kilogramm pro Person. Die Menge
wächst jährlich um 3 bis 5 Prozent. Mit einem vorerst noch bescheidenen
Pilotprogramm von 150.000 Euro steuert Thüringen nun dagegen. Bis Ende 2022
soll der Fördertopf für etwa 2.000 Reparaturaufträge reichen. Doch schon
jetzt ist absehbar, dass er sich schneller leeren wird, obschon nur ein
Zuschuss pro Jahr beantragt werden kann. Nach einem knappen Monat sind bis
Mitte Juli schon etwa 1.000 Anträge eingegangen. „Das Interesse übertrifft
meine Erwartungen“, freut sich Umweltministerin Anja Siegesmund von den
Bündnisgrünen.
Ingenieur Roland Erdtmann findet das Antragsverfahren relativ
unbürokratisch. Mit der Abwicklung ist die Verbraucherzentrale Thüringen
betraut. Online lädt man den Antrag herunter, füllt ihn aus und schickt ihn
mit dem Reparaturbeleg per Post ein. Bei Erdtmann ging es um sein Handy und
das seines Sohnes, dessen Display zerstört war. „Ohne die Förderung hätte
ich es für 159 Euro nicht reparieren lassen“, bekennt er. Auf den Bonus war
er durch eine Pressemeldung aufmerksam geworden. Der Bonus „setzt den
richtigen Anreiz“, sagt er.
## Es dominieren die Baujahre 2016 bis 2018
Damit ist er ein typischer Antragsteller, bestätigt Projektleiter Stefan
Eisentraut von der Verbraucherzentrale. Denn Mobiltelefone, insbesondere
mit Displayschäden, führen die Liste reparierter Geräte an, gefolgt von
Geschirrspülern, Waschmaschinen, Kaffeemaschinen und Elektroherden. Die
Geräte sind im Durchschnitt aber wesentlich jünger als die beinahe
unverwüstliche Veritas-Nähmaschine. Es dominieren die Baujahre 2016 bis
2018.
Mittlerweile prüft das ebenfalls grün geführte sächsische Umweltministerium
die Übernahme des Thüringer Vorbilds. Auch Nordrhein-Westfalen,
Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz haben Interesse bekundet und
in Erfurt nachgefragt. Das Bundesumweltministerium sieht sich durch dieses
Länderinteresse von Erwartungen an eigene Aktivitäten entlastet.
„Aus der Sicht des Ministeriums bedürfen solche und ähnliche Initiativen
nicht zwingend einer bundeseinheitlichen Regelung“, antwortet ein Sprecher
auf taz-Anfrage. Er verweist auf die 2018/19 verhandelte [2][europäische
Ökodesign-Richtlinie]. Seit dem 1. März dieses Jahres müssen demnach
Hersteller von Elektrogeräten diese so aufbauen, dass für die Lebensdauer
relevante Baugruppen mit herkömmlichen Werkzeugen ausgetauscht werden
können.
Die Bundesregierung möchte diese Kriterien über energieverbrauchsrelevante
Geräte hinaus auch auf andere Produktgruppen erweitern. Allerdings müssen
Hersteller nach wie vor Wartungs- und Reparaturinformationen nur zwei Jahre
nach der Erstauflage eines Modells bereitstellen.
Gleichwohl lobt der Sprecher des Bundesumweltministeriums die Thüringer
Initiative und hofft auf Nachahmer in anderen Bundesländern und Kommunen.
20 Jul 2021
## LINKS
[1] /Dokumentation-im-Gorki-Theater/!5145346
[2] /EU-Richtlinie-fuer-Haushaltsgeraete/!5630848
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Elektroschrott
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Deutsche Umwelthilfe
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