# taz.de -- Nach lebenslanger Haft für Stephan B.: Halle-Attentäter nimmt Gei… | |
> Der 30-Jährige nahm in der JVA Burg zwei Bedienstete in seine Gewalt und | |
> wurde dann überwältigt. Schon 2020 gab es einen Fluchtversuch. | |
Bild: In der Justizvollzugsanstalt Burg in Sachsen-Anhalt hat Stephan B. zwei G… | |
BERLIN taz | Stephan B. nutzte den Zeitpunkt des Nachteinschlusses. Gegen | |
21 Uhr am Montagabend soll der inhaftierte [1][Halle-Attentäter] den | |
eintreffenden JVA-Bediensteten in seine Gewalt gebracht haben. So gelangte | |
der 30-Jährige bis in den Freistundenhof der JVA Burg. Dort tauschte er die | |
Geisel mit seinem zweiten Angestellten und soll „wild gestikulierend“ das | |
Öffnen weiterer Türen gefordert haben – ohne Erfolg. Er wurde schließlich | |
von weiteren Bediensteten überwältigt, dabei auch leicht verletzt. Der | |
Fluchtversuch war, nach knapp einer Stunde, gescheitert. | |
So schilderten es Sachsen-Anhalts Justizministerin Franziska Weidinger | |
(CDU) und Mitarbeiter ihres Ministeriums am Dienstag auf einer | |
Pressekonferenz. Womit Stephan B. die JVA-Angestellten bedrohte, dazu | |
wollten sich die Verantwortlichen indes nicht äußern – dies werde noch | |
genauer ermittelt. Medien hatten von einer Art selbstgebauter Pistole | |
berichtet. | |
Der Ausbruchversuch wirft aber auch so gleich mehrere heikle Fragen auf. | |
Denn Stephan B. ist der wohl prominenteste Gefangene in Sachsen-Anhalt. Am | |
9. Oktober 2019 hatte der Rechtsextreme versucht, [2][die Synagoge in Halle | |
zu stürmen]. Als es ihm nicht gelang, das Eingangstor zu überwinden, | |
erschoss er eine Passantin und im nahe gelegenen „Kiezdöner“ einen | |
Mittagsgast. Weitere Personen verletzte er teils schwer. Für die Tat war B. | |
im Dezember 2020 [3][zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender | |
Sicherungsverwahrung] verurteilt worden. | |
Bereits im Juni 2020 hatte B. [4][versucht aus seiner damaligen JVA Halle | |
zu flüchten]. Er überkletterte damals einen 3,40 Meter hohen Zaun des | |
Freistundenhofes und suchte rund fünf Minuten nach einem Ausgang, bevor er | |
von JVA-Bediensteten wieder in Gewahrsam genommen wurde. B. wurde danach in | |
die JVA Burg verlegt, die als größtes und modernstes | |
Hochsicherheitsgefängnis in Sachsen-Anhalt gilt. | |
## Das Haftverhalten sei „ambivalent“ | |
Schon zuletzt sei das Haftverhalten von B. „ambivalent“ gewesen, erklärte | |
Wolfgang Reichel, Leiter des Justizvollzugs im Justizministerium. Mal | |
kooperiere er, mal nicht. So habe B. am [5][Jahrestag des Halle-Anschlags] | |
seine Zellentür mit einem Papierblock verkeilt und wurde darauf in eine | |
kameraüberwachte Zelle verlegt. Auch nun befinde sich B. wieder in einem | |
besonders gesicherten und überwachten Haftraum. Überlegt wurde auch, den | |
Rechtsextremen vorübergehend in ein anderes Bundesland zu verlegen. | |
Wie sich Stephan B. seine Waffe bauen konnte, wird noch ermittelt. Er habe | |
nur sehr wenige Alltagsgegenstände in seiner Zelle, hieß es aus dem | |
Justizministerium. Ein Essensmesser etwa war bisher aber erlaubt. Das | |
Ministerium beteuerte, der Haftfall Stephan B. habe stets „oberste | |
Priorität“ gehabt, seine Zelle sei regelmäßig durchsucht worden. | |
Weidinger lobte das besonnene Handeln der JVA-Bediensteten. Zur Tatzeit | |
seien acht Mitarbeitende im Dienst gewesen, einer mehr sogar als nötig. Die | |
Geiseln, die körperlich unverletzt blieben, würden nun jede Unterstützung | |
bekommen, die sie bräuchten. Die Ermittlungen führt jetzt das | |
Landeskriminalamt. Am Montagabend war die Polizei mit einem Großeinsatz und | |
Spezialkräften zu der JVA ausgerückt. | |
## Schon im Prozess wurde er auffällig | |
Tatsächlich war Stephan B. schon länger als renitent bekannt. Auch im | |
Prozess wegen des Halle-Attentats hatte er jüdische Betroffene beleidigt. | |
Noch bei der Urteilsverkündung hatte er anwesende Nebenkläger:innen | |
[6][mit einem Hefter beworfen] und wurde dafür im Saal von Polizisten | |
überwältigt. | |
Die Opposition im Landtag forderte weitere Aufklärung ein. „Wenn es | |
zutrifft, dass sich der Rechtsterrorist in der JVA eine Waffe bauen konnte, | |
ist das einfach unfassbar“, erklärte die Linken-Innenexpertin Henriette | |
Quade. Auch der Grüne Sebastian Striegel sagte, er sei „extrem beunruhigt“, | |
dass es nach dem ersten Ausbruchsversuch zu einem erneuten schwerwiegenden | |
Sicherheitsvorfall gekommen sei. „Was passiert ist, muss schnell und | |
umfassend aufgeklärt werden.“ | |
13 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Lebenslange-Haft-fuer-Halle-Attentaeter/!5735260 | |
[2] /Gedenken-an-Halle-Anschlag/!5884427 | |
[3] /Lebenslange-Haft-fuer-Halle-Attentaeter/!5735260 | |
[4] /Nazi-Angriff-auf-Synagoge-2019/!5690506 | |
[5] /Gedenken-an-Halle-Anschlag/!5884427 | |
[6] /Lebenslange-Haft-fuer-Halle-Attentaeter/!5735260 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Mordanschlag | |
Attentäter | |
Rechtsextremismus | |
Geiselnahme | |
Gefängnis | |
rechtsextrem | |
GNS | |
Rechter Terror | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Attentäter | |
Frankfurter Schule | |
Halle | |
Halle | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Nancy Faeser | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Amerikanischer „Unabomber“ gestorben: Von Hass auf Technik motiviert | |
Mathematik-Professor, Aussteiger, anarchistischer Attentäter. Ted | |
Kaczynskis Leben ist eine ungewöhnliche und bittere Geschichte. | |
Einschätzung von Attentätern: lrre und krank? | |
Werden in Deutschland extreme Taten begangen, ist oft von psychisch kranken | |
Einzeltätern die Rede. Was aber, wenn das System krank ist? | |
Nach Geiselnahme des Halle-Attentäters: Keine Entwarnung | |
Der rechtsextreme Halle-Attentäter hatte zwei Geiseln in der JVA genommen, | |
bevor er überwältigt wurde. Doch Gefahr geht nicht nur von solchen Taten | |
aus. | |
Dritter Jahrestag des Halle-Anschlags: Gedenken im Marathontrubel | |
Vor drei Jahren griff ein Attentäter die Synagoge in Halle an. Initiativen | |
kritisieren, dass das Gedenken parallel zu einem Marathon stattfindet. | |
Anschlagsopfer von Halle geben auf: „Eine bittere Enttäuschung“ | |
Der Halle-Anschlag 2019 traf auch den Kiez-Döner. Gut zwei Jahre rangen die | |
Tekins danach um die Existenz ihres Geschäfts – nun geben sie auf. | |
Faesers Plan gegen Rechtsextremismus: Aufschlag mit Leerstellen | |
Dass Innenministerin Faeser dem Rechtsextremismus den Kampf ansagt, ist | |
richtig. Nur: Ihr Aktionsplan lässt viele Fragen offen. |