# taz.de -- Nach den Ausschreitungen in Chemnitz: Unterstützung für Sachsens … | |
> Innenminister Seehofer hat sich nun zu den Vorfällen in Chemnitz | |
> geäußert: Er bietet der Polizei Verstärkung an. Diese gedenkt, ihr | |
> Aufgebot hochzufahren. | |
Bild: Chemnitz, 27.8.2018: Polizisten sichern mit einem Wasserwerfer eine Demo … | |
BERLIN taz | Nach den [1][rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz] am | |
Sonntag und am Montag hat der Bundesinnenminister Horst Seehofer der | |
sächsischen Polizei Unterstützung angeboten. „Sofern von dort angefordert, | |
steht der Bund mit polizeilichen Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung“, | |
sagte Seehofer am Dienstagmittag. | |
Ob die sächsische Polizei dieses Angebot annehme, wollte eine Sprecherin | |
der Polizeidirektion Chemnitz auf taz-Nachfrage zunächst nicht sagen. Dies | |
hänge von der „aktuellen Lagebeurteilung“ ab, zu der aber keine | |
Informationen herausgegeben werden könnten. Kurze Zeit später gab | |
Landespolizeipräsident Jürgen Georgie vor Journalisten in Dresden bekannt, | |
die Zahl der Polizisten vor Ort werde sich in den kommenden Tagen und | |
Wochen „deutlich erhöhen“, wie die Nachrichtenagentur afp berichtet. Vor | |
den bereits angekündigten weiteren Veranstaltungen werde die Situation neu | |
bewertet werden. Genaue Zahlen nannte Georgie laut afp nicht. | |
Am Montagabend, als es in Chemnitz zu Ausschreitungen rechtsextremer | |
Demonstranten kam, war die Polizei nach eigenen Angaben mit 591 Beamten vor | |
Ort. Darunter waren neben Chemnitzer Polizisten auch Kräfte der sächsischen | |
Bereitschaftspolizei, jedoch keine Beamten aus anderen Bundesländern oder | |
von der Bundespolizei. Diese seien nicht angefordert worden, weil es nicht | |
für nötig befunden worden sei, sagte ein Sprecher der Chemnitzer Polizei | |
der taz: „Mit den 591 Einsatzkräften war die Lage händelbar.“ | |
Während des Einsatzes habe es keine einzige Festnahme oder vorübergehende | |
Ingewahrsamnahme gegeben, so der Sprecher. Es seien 43 Strafanzeigen | |
erstattet worden, davon elf wegen Körperverletzungsdelikten. Wie viele sich | |
davon gegen Teilnehmer der rechtsextremen Demonstration richteten und wie | |
viele auf Seite der Gegendemonstration gestellt wurden, konnte er nicht | |
angeben. | |
## Ziel war angeblich, die Versammlungsfreiheit zu schützen | |
Zur Frage, warum die rechtsextreme Demonstration von Pro Chemnitz loslaufen | |
konnte, obwohl bereits vor dem Start Straftaten aus der Menge der | |
Demonstrationsteilnehmer heraus begangen worden waren, sagte der Sprecher: | |
„Das vordringliche Ziel des gestrigen Einsatz war es, die | |
Versammlungsfreiheit zu schützen.“ Es habe im Verlauf des Abends | |
„Zwischenfälle gegeben, die unterbunden werden mussten“, dies sei der | |
Polizei aber auch gelungen. | |
Die rechtsextremen Demonstranten in Chemnitz hatten am Montagabend | |
Polizeiketten überrannt, Flaschen und Böller auf Gegendemonstranten | |
geworfen und später am Abend gezielt Menschen angegriffen. Die Polizei | |
bilanziert 18 verletzte Demonstranten – wobei sie keine Angaben dazu macht, | |
an welcher Versammlung diese teilnahmen – und zwei verletzte Polizisten. | |
Innenminister Horst Seehofer sagte am Dienstag, die „Betroffenheit der | |
Bevölkerung“ über den Tod des in der Nacht zu Sonntag erstochenen | |
35-jährigen Chemnitzers sei zwar verständlich. Sie rechtfertige aber „unter | |
keinen Umständen den Aufruf zu Gewalt oder gewalttätige Ausschreitungen“. | |
Es war Seehofers erste Äußerung zu den Ereignissen in Sachsen. Mehrere | |
Oppositionspolitiker hatten vorher gefordert, dass der Innenminister zu den | |
Ereignissen in Chemnitz Stellung beziehen müsse. | |
Zahlreiche Stimmen forderten indessen eine klare Verurteilung durch | |
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Am Dienstagmittag | |
haben sich Kretschmer sowie der sächsische Innenminister Roland Wöller nun | |
vor Journalisten geäußert – allerdings nicht so klar, wie viele gehofft | |
hatten. | |
Zwar verurteilte Kretschmer die gewalttätigen Ausschreitungen: „Die | |
politischen Instrumentalisierungen durch Rechtsextremisten sind | |
abscheulich“, sagte der Ministerpräsident mit Blick auf die Demonstration | |
von „Pro Chemnitz“ am Montagabend. Gleichzeitig sprach er aber auch von | |
„Straftätern auf allen Seiten“, die nun „dingfest gemacht“ werden müs… | |
Auch betonte er, es seien „nicht die Chemnitzer, nicht die Sachsen, es sind | |
Extremisten, denen wir alle miteinander den Kampf ansagen“ – ohne die | |
politische Ausrichtung dieser „Extremisten“ genauer zu bestimmen. | |
## „Desaster mit Ansage“ | |
Innenminister Roland Wöller betonte, zu der Demonstration seien „Chaoten | |
und Hooligans“ aus vielen verschiedenen Bundesländern nach Chemnitz | |
angereist. Tatsächlich hatten die Neonazis [2][bundesweit mobilisiert], und | |
das auch mit Erfolg. Trotzdem berichten Augenzeugen, die am Montagabend vor | |
Ort waren, bei einem großen Teil der Veranstaltungsteilnehmer habe es sich | |
um Chemnitzer gehandelt, darunter seien keineswegs nur Hooligans gewesen, | |
sondern auch bürgerliches Publikum, das die gewalttätigen Ausschreitungen | |
aber geduldet habe. An der Demonstration von „Pro Chemnitz“ hatten nach | |
Polizeiangaben rund 6.000 Menschen teilgenommen. | |
Die Lage in Chemnitz war eskaliert, nachdem rechtsextreme Gruppen den | |
[3][Tod eines Mannes in der Sonntagnacht] für rassistische Stimmungsmache | |
genutzt hatten. Der 35-Jährige wurde nach Angaben der Polizei in einem | |
Streit erstochen, als Tatverdächtige wurden am Montag ein Iraker und ein | |
Syrer festgenommen. Der sächsische Landespolizeipräsident Jürgen Georgie | |
sagte am Dienstag, der Tat sei kein Übergriff auf eine Frau vorausgegangen. | |
Mit dieser Behauptung, die die Bild zunächst verbreitet hatte, war die | |
rechtsextreme Mobilisierung angeheizt worden. | |
Die sächsische Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne) nannte die | |
Ereignisse in Chemnitz am Montagabend ein „Desaster mit Ansage“. Die | |
Polizei sei völlig überfordert gewesen und habe den Schutz der anwesenden | |
Gegendemonstranten, Politiker und Journalisten nicht gewährleisten können. | |
„Wenn man aus Sachsen kommt, ist man vieles gewohnt, aber war wirklich ein | |
erschütterndes Bild“, sagte Lazar, die am Montagabend selbst vor Ort war, | |
am Dienstag der taz. | |
Lazar kritisierte auch die sächsische Landesregierung scharf: „Wenn | |
sächsische CDU-Politiker jetzt sagen, die Bevölkerung müsse sich gegen | |
Rechtsextremismus einsetzen, dann ist das nichts als Hohn in den Ohren | |
derjenigen, denen bei ihrem Engagement gegen Rechts in Sachsen seit Jahren | |
Steine in den Weg gelegt werden.“ Sie hoffe, dass die Ereignisse ein | |
„Warnsignal“ in Richtung der sächsischen CDU seien: „Wenn man jahrelang … | |
tut, als gäbe es in Sachsen kein Problem mit Neonazis, dann bekommt man | |
eben so etwas.“ | |
Die sächsische AfD hat unterdessen für Samstag zu einer Demonstration in | |
Chemnitz aufgerufen. „Die sächsische AfD und Pegida werden am kommenden | |
Sonnabend im Chemnitzer Stadtzentrum friedlich und gemeinsam gegen die | |
durch die CDU-Politik der offenen Grenzen erzeugte Gewalt in Sachsen | |
demonstrieren“, heißt es in dem Aufruf des sächsischen AfD-Vorsitzenden | |
Jörg Urban. Die AfD distanziere sich von Gewalt und warne vor | |
„eingeschleusten Provokateuren“. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus | |
Frohnmaier hatte am Sonntagabend getwittert, es sei „Bürgerpflicht“, die | |
„todbringende Messermigration“ zu stoppen. | |
28 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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