# taz.de -- Nach Wagner-Aufstand in Russland: Putin sieht Apparat hinter sich | |
> Nach der gescheiterten Wagner-Revolte inszeniert sich der Präsident als | |
> Bewahrer des inneren Friedens. Der Spott lässt nicht lange auf sich | |
> warten. | |
Bild: „Und jetzt gute Nacht, oder wie?“: Putin am Dienstag in Moskau | |
MOSKAU taz | Am Dienstagmittag schreitet Russlands Präsident Wladimir Putin | |
auf rotem Teppich die Treppen des Facettenpalastes herunter. Hunderte von | |
Soldaten in Camouflage haben sich auf dem Kremlgelände versammelt. Er dankt | |
ihnen für „die Entschlossenheit und den Mut“, sie hätten „faktisch einen | |
Bürgerkrieg verhindert“. Es ist Putins Signal der Einheit, das | |
Heraufbeschwören des „patriotischen Zusammenhalts“, ohne den das „Vaterl… | |
in diesen schwierigen Zeiten“ nicht zu halten sei. | |
Bereits am Vorabend hatte sich der Kremlchef zum gescheiterten [1][Aufstand | |
von Jewgeni Prigoschin und dessen Paramilitär-Truppe Wagner] im | |
Staatsfernsehen zu Wort gemeldet. Er wollte Boden zurückgewinnen, den er | |
durch Prigoschins Kurzzeit-Revolte am Wochenende in so kurzer Zeit verloren | |
hatte. Wollte in nur wenigen Minuten zeigen: Hier bin ich, der legitime | |
Präsident, der sich nicht erpressen lässt. | |
Putin wählte vor braunen Holzpaneelen freilich andere Worte, um sich als | |
Bewahrer des inneren Friedens zu verkaufen. Er beeilte sich zu zeigen, dass | |
er das gesamte Volk und seinen gesamten Apparat hinter sich wisse. „Alle | |
Ebenen“ hätten sich „in Einheit versammelt“, sagte er. | |
Dass sich kaum einer aus der Regierung – verunsichert durch die Gefahr, die | |
auf Moskau in Form von Panzern zurollte – am Samstag öffentlich hinter | |
Putin stellte, dass niemand aus der Bevölkerung, von der es stets heißt, | |
sie stünde zu 80 Prozent hinter ihrem Präsidenten, mit einem | |
Pro-Putin-Plakat auf die Straße gewagt hatte: Das kommt in der offiziellen | |
Erzählung nicht vor. Machtkämpfe trägt das russische Regime grundsätzlich | |
nicht öffentlich aus. Prigoschin aber hat mit dieser ungeschriebenen Regel | |
gebrochen und Putin auf schmachvolle Weise herausgefordert. | |
## Moskau sagt Prigoschin Straffreiheit zu | |
In seiner Montagsrede erneuerte Putin seinen Vorwurf des Hochverrats, | |
nannte Prigoschin aber weiter nicht beim Namen. Ein Blutvergießen sei | |
gestoppt worden, Russlands „Feinde“ hätten auf einen solchen „Brudermord… | |
gesetzt, die Ukraine und der Westen „wollten, dass sich russische Soldaten | |
gegenseitig umbringen“, sagte er. | |
Die Version, [2][der Westen habe zum Aufstand beigetragen], ist ein neuer | |
Spin des Kreml. Außenminister Sergei Lawrow hatte zuvor ähnlich gesprochen, | |
staatliche Fernsehsender pflegen nun ebenfalls dieses Narrativ. Den | |
Wagner-Kämpfern bescheinigte Putin die nötige „Vaterlandsliebe“ und rief | |
sie auf, Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium zu | |
unterschreiben, nach Hause oder nach Belarus ins Exil zu gehen. | |
Was der Kreml als „schicksalsbestimmende Rede“ angekündigt hatte (und | |
später behauptete, es nie so genannt zu haben), war eine zornige | |
Wiederholung dessen, was Putin bereits am Samstag gesagt hatte, als der | |
Aufstand in vollem Gange war. Der Spott war ihm sogleich sicher. „Stimmt | |
mit meiner Leitung etwas nicht, kommt da noch was?“, fragten selbst die | |
patriotischsten Kriegsunterstützer in ihren Telegram-Kanälen. „Und jetzt | |
gute Nacht, oder wie?“ | |
Nach Putins Rede schaltete das Staatsfernsehen für knapp 30 Sekunden zur | |
Sitzung des Sicherheitsrates um. Es wurden lediglich Putins Begrüßungsworte | |
an alle Vertreter der sogenannten Silowik gezeigt, auch | |
Verteidigungsminister Sergei Schoigu war zu sehen, den Prigoschin so gern | |
ausgeliefert bekommen hätte. Die Aufnahmen sollten zeigen, wie geschlossen | |
der Apparat hinter Putin steht. | |
Prigoschin ist am Dienstag mit seinem Jet im Nachbarland Belarus | |
angekommen, wie der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko am | |
Nachmittag bestätigte. Prigoschin hatte sich bereits am Montag in einer | |
Audiobotschaft geäußert. Einen „Machtwechsel“ habe er nie gewollt, er habe | |
lediglich „schwerwiegende Sicherheitsprobleme“ aufgezeigt und nicht zusehen | |
wollen, wie seine Truppe aufgelöst werde, deshalb der „Protest“. | |
Nun wird diese anderweitig aufgelöst. Er und seine Kämpfer bleiben dabei | |
straffrei, wie der Inlandsgeheimdienst FSB am Dienstag mitteilte. Was mit | |
den Paramilitärs in Belarus passiert, bleibt vorerst offen. Indes soll | |
Russlands Nationalgarde, dem Staatschef direkt unterstellt, mit schwerem | |
Kriegsgerät ausgestattet werden. Die Wagner-Söldner sind weg, nun soll | |
offensichtlich Putins eigene Privatarmee deren Job in der Ukraine | |
übernehmen. | |
27 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Inna Hartwich | |
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