| # taz.de -- Deutsche Soldaten in Litauen: Trotzdem zuversichtlich in Rukla | |
| > In Litauen soll eine deutsche Brigade stationiert werden. Aber wie das | |
| > mit den Kasernen funktionieren soll, ist nicht das einzig Ungeklärte. | |
| Bild: Deutsche, niederländische und tschechische Soldaten im litauischen Rukla | |
| Rukla taz | Noch wird fleißig geübt. Mit Gestrüpp getarnt stehen die | |
| Nato-Kampfpanzer am Wochenende zwischen Nadelbäumen am Rande einer Heide. | |
| Am Montag wurde Verteidigungsminister Boris Pistorius zusammen mit | |
| Nato-Chef Jens Stoltenberg im Land erwartet. Einige ohrenbetäubende Schüsse | |
| fallen, bevor die schweren Leopard-Panzer sich mit großer Geschwindigkeit | |
| aus dem Staub machen. Drei Rehe bleiben verschreckt zurück. | |
| Willkommen in [1][Rukla]. Noch ist die Bundeswehr dort in provisorischen | |
| Baracken stationiert, um die Ostflanke der Nato zu schützen. Das deutsche | |
| Militär hat im Land die Führung der multinationalen Nato-Kampfgruppe | |
| Enhanced Forward Presence (EFP) inne. „Wir rotieren unsere Soldaten aktuell | |
| noch alle sechs Monaten durch“, sagt Oberstleutnant Lars Neitzel. In seinem | |
| Büro hängen die Porträts von Pistorius und Bundespräsident Frank-Walter | |
| Steinmeier nebeneinander. | |
| Die Situation vor Ort könnte sich in Zukunft verändern. Schon so fällt der | |
| Besuch von Pistorius in Litauen ja in eine brisante Zeit unmittelbar nach | |
| dem bizarren und letztlich wieder abgebrochenen Marsch der Wagner-Milizen | |
| auf Moskau am vergangenen Wochenende und vor dem Nato-Gipfel Anfang Juli in | |
| der litauischen Hauptstadt Vilnius. | |
| Dann aber schlug Pistorius unmittelbar nach seiner Landung am Montag mit | |
| einer Mitteilung auf, die viele überraschte: Deutschland plane eine | |
| Aufstockung seiner dauerhaft vor Ort befindlichen Kräfte bis zur | |
| Brigadestärke, also auf 4.000 Soldaten. | |
| ## Noch viel zu tun | |
| Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg sollen damit deutsche Soldaten | |
| permanent auf ausländischem Territorium verbleiben. Damals hieß das | |
| westlich von Litauen gelegene russische [2][Kaliningrad] noch Königsberg, | |
| Deutschland reichte noch „bis an die Memel“, wie die in Ungnade gefallene | |
| Strophe der Hymne vom Nationaldichter August Heinrich Hoffmann von | |
| Fallersleben besagt. Dieser lange Fluss im heutigen Litauen war die | |
| Nordgrenze des Deutschen Reiches. | |
| Im Jahr 2023 ist nur ein Kontingent von 800 Bundeswehrkräften im Rahmen des | |
| Nato-Einsatzes anwesend. „Die Frage der zukünftigen Brigade ist politisch | |
| noch nicht gelöst“, sagt Kommandant Lars Neitzel, ein freundlicher Mann im | |
| Tarnuniform und mit grünem Barett auf dem Kopf. Er gehört zum | |
| Panzergrenadierbataillon 401 aus Hagenow. Neitzel deutet mit seinem Satz | |
| darauf hin, dass die genaue Unterbringung, auch der mitziehenden Familien, | |
| noch unklar ist. | |
| Neue Gebäude müssen gebaut werden, das ist wohl klar. Die genaue | |
| Finanzplanung steht noch in den Sternen, die Substanz der jetzigen Kasernen | |
| in Rukla stammt teils noch aus Sowjetzeiten. Und in weniger als fünf | |
| Kilometer Distanz liegt eine riesige Chemiefabrik, die ein potenzielles | |
| Angriffsziel wäre: „Wenn die in die Luft fliegt, gehen wir alle drauf“, | |
| sagt ein anderer Offizier. | |
| Trotzdem strahlen alle Soldaten in Rukla Zuversicht aus. Sie machen das, | |
| wofür sie ausgebildet und vorbereitet wurden. Zwischen zwei Übungen macht | |
| die Crew von drei Leopard-2-Schlachtrössern eine Mittagspause. Junge | |
| Gesichter, Gelächter. Manche tragen alte Feldmützen. | |
| Die Soldaten kommen aus Munster, wo auch ukrainische Soldaten an deutschen | |
| Kampfpanzern ausgebildet wurden. „Es ist geil, hier zu üben“, sagt der | |
| 21-jährige Ladeschütze Joshua. „Das Gelände ist unterschiedlich, die | |
| Herausforderungen auch.“ Sorgen wegen der russischen Drohung klingen bei | |
| ihm nicht an. „Wir machen hier nur ein bisschen Show für die Chefs der | |
| Nato.“ | |
| ## Kein falscher Schuss Richtung Belarus | |
| Tatsächlich ist am Montag auf dem Übungsplatz Paprade, nur fünf Kilometer | |
| von der belarussischen Grenze entfernt, eine Showübung für die | |
| Politprominenz geplant. Auch dies ist nicht ohne, schließlich soll | |
| Wagner-Boss Prigoschin mittlerweile in dem Nachbarland gelandet sein, | |
| welches seit drei Jahrzehnten von Putin-Vasall und Langzeitdiktator | |
| Lukaschenko angeführt wird. | |
| Erst neulich hat Putin der Nato damit gedroht, auch außerhalb der Ukraine | |
| anzugreifen, wenn zum Beispiel F16-Jets ins Kriegsgebiet gebracht werden | |
| sollten. „Es gibt ständig die wildesten Vermutungen“, sagt der 21-jährige | |
| Joshua ruhig. „Dass wir hier in Litauen bereitstehen, nützt auch der | |
| Ukraine.“ | |
| Doch die geografische Lage hat auch ihre Schwächen. Von Kaliningrad bis | |
| Belarus sind es über den Weg der berüchtigten [3][Suwalki-Lücke] kaum | |
| hundert Kilometer, eine Achillesferse: „Bei einem russischen Durchbruch | |
| wären wir abgeschnitten. Aber dann würden wir von zwei Seiten angreifen. | |
| Vom Norden aus Litauen, vom Süden aus Polen“, so Joshua. | |
| Ob die neuen Spannungen gefährlich sind? „Wir sind gewarnt, können alle | |
| Bewegungen hinter der Grenze sehen. Ob sie Truppen zusammenziehen, | |
| Waffendepots und medizinische Kapazitäten aufbauen. Wir werden nicht | |
| überrascht sein“, sagt Kommandant Neitzel. | |
| ## Wie ein Orchester | |
| Die Bundeswehr arbeitet in Litauen eng mit den Niederländern zusammen, die | |
| stellvertretend das örtliche Kommando innehaben. Zusammengenommen sind in | |
| Rukla 1.700 Männer und Frauen stationiert. | |
| Die multinationale, militärische Zusammenarbeit ist laut Oberstleutnant | |
| Neitzel wie ein „Orchester“, wo alle perfekt zusammenarbeiten müssen: „Es | |
| muss dabei ununterbrochen trainiert werden.“ Aber jetzt soll nicht nur das | |
| Training permanent sein, sondern auch die Stationierung. | |
| Die deutsche Anwesenheit wird im Land geschätzt, nicht nur durch Präsident | |
| Gitanas Nauseda, Anwohner in Rukla machen oft Daumen-hoch-Zeichen, wenn sie | |
| dem ausländischen Militär im örtlichen Supermarkt oder auf der Straße | |
| begegnen. | |
| Aber es bleiben auch Zweifel bei den deutschen Soldaten, vor allem bei den | |
| Angehörigen in der Heimat. Ein Panzerkommandant, der anonym bleiben möchte, | |
| erklärt während einer Pause am Waldrand, dass er „keine Angst vor dem | |
| Feind“ hat. „Aber meine Familie denkt da anders. Meine Kinder kennen eben | |
| nicht den Unterschied zwischen Litauen und der Ukraine.“ | |
| 27 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rob Savelberg | |
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