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# taz.de -- Nach K-Frage bei der Union: Nur noch Leere
> Der Wettstreit zwischen Laschet und Söder um die K-Frage hat Pep in den
> öden Pandemiealltag gebracht. Was bleibt, nachdem sie entschieden wurde?
Bild: Wie lange werden sich die Söderianer disziplinieren können? Wird Revolu…
Dienstagabend saß ich ziemlich verloren und allein in meinem Bett. Die
Frage um die Kanzlerkandidatur der Union war nach wochenlangen Unklarheiten
geklärt. Armin [1][Laschet hatte sich gegen den „Kanzler der Herzen“,
CSU-Mann Markus Söder, durchgesetzt].
Ich drehte meine übliche abendliche Medienrunde: spiegel.de, tagesschau.de
und blieb bei den Kolleg:innen von Zeit Online hängen. „Und was machen
nun die Söder-Fans?“, lautete [2][die Überschrift eines Textes]. Ich fühlte
mich verstanden, jedenfalls fast. „Und was machen nun die K-Frage-Fans?“,
müsste es eigentlich heißen, dachte ich. Dann schlief ich ein.
Dass die K-Frage der Union nun geklärt ist, mag für die einen eine
Erleichterung sein. Endlich kein nerviger Machtkampf mehr zwischen zwei
Männern, den man zwangsläufig verfolgen muss, denn es geht schließlich um
den nächsten möglichen Kanzler dieses Landes. Jetzt könnte man sich wieder
wirklich wichtigen Themen zu wenden, höre ich manche sagen. Für mich hat
die geklärte K-Frage eine Leere hinterlassen. Eine Struktur meines Alltags
ist weggebrochen. Über was soll ich nun noch sprechen, nachdenken, grübeln
oder Wetten abschließen?
Ich bin [3][kein Fan von Trash-TV, ich hasse es], um ehrlich zu sein. Es
ist mir zu schrill und zu laut und zu plump, es unterhält mich einfach
nicht, sondern langweilt mich. Im Kampf Laschet vs. Söder hatte ich aber
meine ganz persönliche Polit-Trash-TV-Show gefunden.
## „Schäuble genervt“
Irgendwann Anfang April hatte das ganze ja langsam an Fahrt aufgenommen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sich damals zu Wort gemeldet und
auf Tempo gedrängt. „Gleich nach Ostern müssen die personellen und
inhaltlichen Fragen zügig geklärt werden“, [4][sagte der CSU-Politiker
damals der Welt am Sonntag]. Die Umfragewerte für die Union sahen zu der
Zeit, man muss es so deutlich sagen, scheiße aus. Bei den Landtagswahlen in
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hatte die CDU verloren. Dieser
Verlust hatte Unterhaltungswert für mich.
Vergangenen Sonntagabend stieg Markus Söder ziemlich überraschend in ein
Flugzeug und machte sich von Nürnberg auf den Weg nach Berlin. Er wollte
Armin Laschet zum Gespräch treffen. „Bild live“ berief eine Sondersendung
ein: „Söder gegen Laschet: Heute Tag der Entscheidung in der
Kanzler-Frage?“
Ich ekelte mich ein wenig vor mir selbst, dass ich in diesen Zirkus mit
einstieg – und tat es trotzdem. Mein Freund und ich schauten dabei zu, wie
der stellvertretende Bild-Chefredakteur Paul Ronzheimer auf sein Handy
starrte und Nachrichten tippte. 36 Minuten später landete Söder. „Finale im
Kandidaten-Krimi!“, rief man bei „Bild live“. Ganz genau, dachte ich. Das
ist kein politischer Machtkampf, den wir verfolgen, es ist ein packender
Krimi.
Am Montag [5][twitterte Welt-Vize Robin Alexander]: „Schäuble genervt. Ruft
zweimal ‚es geht alles schief!‘ in die Runde. @welt #LaschetvsSöder“. Das
ist ungefähr das Niveau auf dem wir K-Frage-Fans irgendwann angekommen
sind. Im Minutentakt erfuhren wir von Alexander und anderen
Journalist:innen, was bei der Laschet-vs.-Söder-Abstimmung passierte,
wer wie wann hustete oder sich am Kopf kratzte.
## Es passierte etwas
Genau das ist aber der entscheidende Punkt. Es passierte etwas bei der
Union. Die Grünen hingegen sind öde, sie langweilen mich. Sie sollen sich
vorbildlich verhalten haben in der Entscheidung, wer als grüne:r
Kanzlerkandidat:in antreten darf. Kein Gezanke, kein Hin und Her,
[6][geräuschlos sei Annalena Baerbock gekürt worden], schreiben
Kolleg:innen. Wer erträgt so viel Harmonie?
Ich will Streit und Action, will unterhalten werden und mich aufregen, eine
Show beobachten, die Soap-Charakter hat. „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ –
nur mit Unionspolitikern. Was bleibt einem denn sonst noch in diesen
Zeiten, wo es doch nicht mehr gibt als den Weg vom Bett zum Schreibtisch in
die Küche und später wieder ins Bett.
Ich höre schon die abfälligen Kommentare und will deshalb gleich erwidern:
Klar, weiß ich, dass wir noch immer in einer Pandemie stecken, dass täglich
Menschen sterben und Pflegekräfte am Limit sind.
Ich weiß, dass parallel zu diesem Krimizirkus das Infektionsschutzgesetz
überarbeitet wurde, dass über Ausgangssperren ab 22 Uhr diskutiert wurde,
weil man ernsthaft glaubt, das würde das Infektionsgeschehen eindämmen.
Mich empört all das. Und gerade weil es mich empört, genieße ich die
Ablenkung.
Zu Beginn des erwähnten Artikels von Zeit Online wird übrigens gefragt, ob
Söders Anhänger auf die Barrikaden gehen werden. Wie lange werden sich die
Söderianer disziplinieren können? Wird gar Revolutionsstimmung aufkommen?
Ich hoffe, sie lassen sich nicht allzu lang Zeit dafür.
21 Apr 2021
## LINKS
[1] /CDU-Votum-fuer-Laschet/!5767147
[2] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-04/cdu-csu-armin-laschet-marku…
[3] /Faszinosum-Reality-TV/!5722874
[4] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/union-kanzlerkandidatur-zeitp…
[5] https://twitter.com/robinalexander_/status/1384262994712924166?s=20
[6] /Baerbock-wird-Kanzlerkandidatin/!5762149
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
Kanzlerkandidatur
GNS
CDU/CSU
Markus Söder
Armin Laschet
Kolumne Der rote Faden
Annalena Baerbock
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Kanzlerkandidatur
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Lesestück Recherche und Reportage
Fernsehen
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