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# taz.de -- Mozilla-Chefin über Googles Marktmacht: „Chromes Erfolg hat uns …
> Mitchell Baker, Mitgründerin und Chefin von Mozilla, über den
> Konkurrenten Google, mündige NutzerInnen und die nächsten großen
> Veränderungen im Netz.
Bild: „Nutzer sind schlauer als meistens angenommen“, sagt Mozilla-Mitgrün…
taz: Frau Baker, große Tech-Firmen wie Facebook und Amazon haben im
vergangenen Jahr [1][mit zahlreichen Skandalen Schlagzeilen gemacht]. Haben
Sie den Eindruck, die Menschen verlieren allmählich das Vertrauen in die
Internet-Giganten?
Mitchell Baker: Ja, ich denke, da verändert sich gerade etwas. Wenn wir mal
zurückdenken, an die Ära des Arabischen Frühlings. Damals herrschte die
Wahrnehmung: Was gut für die großen IT-Konzerne ist, das ist gut für die
Welt, weil sie zum Beispiel zu mehr Gleichheit beitragen und die Demokratie
stärken. Diese Wahrnehmung gehört mittlerweile der Vergangenheit an, und
das ist ein Anfang.
Wie muss es nach dem Anfang weitergehen?
Die Produkte müssten sich ändern. Wir brauchen Produkte, die die Nutzer
selbst in den Mittelpunkt stellen und nicht das Interesse der Konzerne,
möglichst viele Daten zu sammeln. Das betrifft praktisch alles: von Apps
über die Betriebssysteme von Smartphones bis hin zum Smart-Home-System, das
die Heizung steuert. Nehmen wir die Autoindustrie. In den ersten Autos gab
es weder Sicherheitsgurte noch Airbag – das Fahren war ziemlich gefährlich.
Heute hat sich das geändert, Autos sind viel sicherer geworden.
Zumindest für die Insassen.
Ja, aber im Internet sind wir alle Insassen. Und die Produkte müssen so
sein, dass auch der Internet-Anfänger sie sicher nutzen kann, ohne dabei
seine persönlichen Daten an einen großen Konzern zu geben und komplett
überwacht zu werden.
Mozilla nimmt für sich in Anspruch, solche Produkte anzubieten – aber in
den vergangenen Jahren sind die Nutzer abgewandert. [2][Viel weniger
Menschen verwenden heute den Browser Firefox als vor zehn Jahren].
Ja, der Erfolg von Googles Chrome hat uns völlig überrannt. Wir mussten
erst einmal daran arbeiten, Firefox überhaupt wieder konkurrenzfähig zu
machen. Und, um es ganz klar zu sagen: Niemand wird siegen, wenn der
Wettbewerber Google heißt. Wären wir keine Non-Profit-Organisation, dann
hätten wir längst aufgegeben. Jeder Unternehmensberater würde uns sagen,
kommt Leute, macht einfach etwas anderes.
Aber?
Wir haben ja als Non-Profit-Organisation so etwas wie eine Mission. Das
hilft enorm, um den Stein immer wieder den Berg hinaufzurollen. Und
mittlerweile merken wir auch wieder, dass sich etwas tut auf dem Markt. Zum
Beispiel haben wir ein Browser-Add-on im Programm, das quasi einen Zaun um
Facebook zieht: Wenn Nutzer das Add-on aktivieren, kann Facebook nicht
sehen, was sie auf anderen Webseiten machen. Dieses Add-on wurde so schnell
und häufig runtergeladen wie kein anderes.
Auch wenn es das Überwachungsproblem nicht löst, sondern nur eindämmt?
Natürlich, die Lösung ist es nicht, aber vielleicht ein Teil davon. Denn
Facebook selbst können wir nicht ändern. Aber man darf nicht vergessen:
Produkte können auch dazu beitragen, Bewusstsein zu schaffen. Als wir
damals Firefox erschaffen haben, haben alle gesagt: Nutzer werden nie einen
anderen Browser nutzen als Microsofts Internet Explorer. Die meisten
wüssten doch gar nicht mal, was ein Browser ist. Aber es hat sich gezeigt:
Nutzer sind schlauer als meistens angenommen. Sie sind durchaus in der
Lage, eine Wahl zu treffen, sofern sie eine Wahl haben – und die
Alternativen gut und bequem genug sind. Jetzt klinge ich, als käme ich aus
Kalifornien, was ja auch der Fall ist, aber: Ich glaube an die Macht des
Marktes.
Bislang hat der Markt es aber nicht gelöst, eher im Gegenteil: Die
Monopolisierung im Netz nimmt zu. Und ein anderes Projekt, bei dem Mozilla
mit Google konkurriert hat, haben Sie aufgegeben: ein Betriebssystem für
Smartphones.
Solange sich nicht etwas in diesem System ganz dramatisch ändert, so lange
gibt es auf dem Markt keine Luft neben Googles Android und Apples iOS.
Microsoft hat ja mittlerweile auch aufgegeben – ich sehe gerade nicht, dass
wir es schaffen sollten, eine dritte Alternative aufzubauen.
Aber die Software, die in Dingen steckt, wird immer wichtiger –
perspektivisch werden wir nicht nur smarte Telefone und Uhren, sondern auch
Autos und Zahnbürsten nutzen.
Absolut. Es ist unglaublich wichtig, diese Marktmacht aufzubrechen. Daher
ist die Frage: Was ist so mächtig, dass es für eine solche Veränderung
sorgen könnte? Und passiert das noch zu unseren Lebzeiten? Die letzte große
Veränderung entstand durch die Erfindung von Internet und World Wide Web.
Viele sagen, dass die nächste Veränderung durch [3][Künstliche Intelligenz]
angestoßen wird.
Das kann gut sein. Aber da haben wir derzeit das gleiche Problem, das wir
auch aktuell schon haben: Die ganzen Daten liegen bei wenigen großen
Plattformen. Die Frage ist also: Wie können wir das ändern?
Und?
Momentan bleibt uns nicht viel anderes übrig, als auf den Dreiklang zu
setzen. Erstens: technische Alternativen anbieten, damit die Nutzer
zumindest die Wahl haben. Das machen wir, und deshalb kämpfen wir ja mit
Google – und nicht, weil uns das so viel Spaß macht. Zweitens: Die Nutzer
sensibilisieren dafür, dass Bequemlichkeit vielleicht nicht alles ist. Und
als Drittes brauchen wir – obwohl ich an die Macht des Marktes glaube –
komplementär natürlich politische Regulierung.
Bislang rennt die Politik mit ihren Regulierungsversuchen immer der
technischen Entwicklung hinterher. Wie kann sich das ändern?
Ich bin mir gar nicht sicher, ob es sich überhaupt ändern lässt. Man müsste
ja in der Lage sein, Veränderungen zu sehen und vor allem zu verstehen,
bevor sie passieren. Das ist unglaublich schwierig. Die Möglichkeit, die
ich sehe, ist: Man muss sich fragen, wie eine gute, solide Gesellschaft
aussehen kann, und sich dann überlegen, welche Veränderungen eine
Technologie auslösen könnten und wie man das steuern möchte.
Im Bereich Künstliche Intelligenz ist doch genau jetzt der Zeitpunkt, das
zu tun. Zum Beispiel bei selbstfahrenden Autos. Was sind denn hier die
entscheidenden Punkte?
Zentral ist hier natürlich das Blackbox-Problem.
Sprich, dass selbstlernende Algorithmen etwas tun, das nicht einmal ihre
Programmierer verstehen?
Genau. Das ist das erste Blackbox-Problem, aber es gibt noch ein zweites:
dass die Programmierer etwas in ihre Algorithmen hineinschreiben, das sie
der Öffentlichkeit nicht verraten.
Zum Beispiel also, dass [4][selbstfahrende] Autos im Fall eines Unfalls die
Insassen besser schützen als die Passanten.
Zum Beispiel. Und zumindest dieses zweite Blackbox-Problem lässt sich
vermeiden. Nämlich dadurch, dass es eine Pflicht gibt, Algorithmen
offenzulegen. Und zwar nicht nur gegenüber einer Behörde.
Und das erste Problem?
Wir müssen als Gesellschaft entscheiden: Ist die Blackbox etwas, das wir
akzeptieren können? Und welchen Preis verlangen wir dafür? Sagen wir mal
beispielhaft, selbstfahrende Autos reduzieren die Unfallrate um 50 Prozent
im Vergleich zu menschlichen Fahrern. Ist das okay? Reicht uns das, um die
Blackbox in Kauf zu nehmen? Das ist eine Frage, die kein Konzern
entscheiden sollte, sondern die Gesellschaft für sich. Und die Antworten
können ganz anders aussehen, je nachdem, um was es geht: selbstfahrende
Autos, die Auswahl von Bewerbern, Entscheidungen über eine Kreditvergabe
oder juristische Urteile. Und natürlich kann die Politik auch festlegen, ob
ein Konzern all die Daten bekommt. Ob er überhaupt Daten bekommt. Das sind
die nächsten Schritte, die wir gehen müssen.
6 May 2019
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## AUTOREN
Svenja Bergt
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