# taz.de -- BBC-Chef über Fake News und Aufklärung: „Wettrüsten mit der KI… | |
> Die britische BBC gilt als äußerst vertrauenswürdig. Was dieses Vertrauen | |
> gefährdet, darüber spricht Jamie Angus, Chef des BBC World Service. | |
Bild: Seit Jahrzehnten hat die BBC den Ruf, besondere journalistische Qualität… | |
taz: Herr Angus, die BBC musste sich neulich beim ukrainischen | |
Noch-Präsidenten [1][Petro Poroschenko entschuldigen und ihm Schadenersatz | |
zahlen]. Ihr Sender hatte behauptet, dass Donald Trumps Ex-Anwalt Michael | |
Cohen von ukrainischer Seite Geld erhalten habe für ein Treffen. Das war | |
falsch. Als Chef des BBC World Service: Was löst so ein Fehler in Ihnen | |
aus? | |
Jamie Angus: Über den Proschenko-Fall kann ich nichts Konkretes sagen, weil | |
es hier um eine rechtliche Auseinandersetzung geht. Wir bedauern den | |
Fehler, wir haben uns mit Herrn Poroschenko geeinigt und die Story | |
zurückgenommen. Für die BBC wie auch für andere verantwortungsbewusste | |
Medien ist es unerlässlich, immer – wirklich immer – richtig zu liegen. In | |
den seltenen Fällen, in denen wir uns irren, ist es unsere Aufgabe, das | |
richtigzustellen und uns gegebenenfalls zu entschuldigen. | |
Im Journalismus kann jede falsche Geschichte dem Medium schaden. Fühlen Sie | |
sich manchmal unter zu starker Beobachtung? | |
Auf keinen Fall, seriöse Medienhäuser haben kein Recht, sich über zu starke | |
Beobachtung zu beschweren. Das unterscheidet unsere Fehler und Irrtümer von | |
sogenannten Fake News, fragwürdige Storys, die geteilt werden, ohne dass | |
jemand dafür geradesteht. Der Anspruch der BBC ist, wirklich immer richtig | |
zu liegen – und ich bin sicher, bei Ihnen ist das nicht anders. Was mich | |
beunruhigt ist die aufkommende Vorstellung, dass der verantwortungsbewusste | |
Journalismus und die anonymen Fake News etwas miteinander zu tun haben. | |
Oder dass die BBC und Sputniknews zwei Seiten einer Medaille seien. Es | |
macht mich nervös, dass diese Vorstellung inzwischen existiert, vor allem | |
beim jüngeren Publikum. Dagegen müssen wir angehen. | |
Deutsche Medienhäuser haben zuletzt heftig diskutiert, wie man mit | |
Falschnachrichten und Fälschungen umgeht. Wer muss den Leser*innen | |
gegenüber Verantwortung Übernehmen? Der Autor, seine Vorgesetzten? Oder die | |
ganze Redaktion? | |
Wenn jemand bei der BBC einen Fehler macht, dann wird sich immer die BBC im | |
Ganzen entschuldigen, nicht die Einzelperson. Denn wir sind diejenigen, die | |
unser Personal ausbilden, wir sind diejenigen, die Qualität sicherstellen | |
müssen – zum Beispiel durch das Prinzip, dass immer zwei Augenpaare auf | |
jede Veröffentlichung schauen. So kann sich verantwortungsbewusster | |
Journalismus von Fake News abgrenzen. Indem wir sagen: Wir finden es gut, | |
an den allerhöchsten Ansprüchen gemessen zu werden. Nur so können wir | |
Vertrauen aufbauen. Wir sind in allen Märkten in denen wir arbeiten mit dem | |
Vorurteil konfrontiert, dass etablierte Medien nicht im besten Interesse | |
ihres Publikums agierten, vor allem bei jüngeren Leuten. Wir müssen weiter | |
dafür streiten, dass wir einen Dienst an der Allgemeinheit tun und nicht | |
Teil einer Verschwörung sind. | |
Das klingt langfristig gesehen gut, aber was ist mit kurzfristigen | |
Lösungen? Der Guardian hat kürzlich angekündigt, eigene Fotos mit Logo und | |
einem Zeitstempel zu markieren, damit sie nicht aus dem Zusammenhang | |
gerissen werden können. Was plant die BBC? | |
Alle Medienhäuser beschäftigen sich gerade mit der Frage nach solchen | |
digitalen Wasserzeichen. Der BBC-Generaldirektor hat für den Sommer ein | |
Treffen ausgerufen, um zusammen mit den Plattformbetreibern und | |
Technologiekonzernen zu besprechen, wie digitale Medien ihre Inhalte im | |
Netz schützen können. | |
Künstliche Intelligenz erlaubt es, Bildern, Videos und Audios zu | |
manipulieren. Kann sie auch ein Mittel sein, um solche Fakes zu entlarven? | |
Wir befinden uns durchaus in einer Art Wettrüsten bei der künstlicher | |
Intelligenz. In dem Maße wie KI-Software immer bessere Manipulation | |
ermöglicht, erlaubt sie auch immer bessere Aufklärung. Diese technischen | |
Schritte wirken sich natürlich immer unmittelbar auf den Journalismus aus. | |
Aber meiner Meinung nach gibt es einen viel einfacheren Weg, sich vor Fakes | |
zu schützen: News ausschließlich auf einer Plattform zu konsumieren, der | |
man vollständig vertraut. | |
4 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bbc.com/news/world-us-canada-47719166 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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