| # taz.de -- Expertin über Overblocking bei Twitter: „Gut gemeint, schlecht u… | |
| > Weil es gegen Desinformation vorgehen will, sperrt Twitter unschuldige | |
| > Accounts, wie den von Sawsan Chebli. Karolin Schwarz über das, was da | |
| > schiefläuft. | |
| Bild: Twitter hat Angst vor Wahlbeeinflussung durch seine Nutzer. Es sperrt des… | |
| taz: Frau Schwarz, am Sonntag wurde der Twitter-Account der Berliner | |
| Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) [1][über einige Stunden hinweg | |
| gesperrt]. Sie hatte eine Social-Media-Kachel der AfD geteilt und | |
| aufgezählt, wer in ihrer Familie alles Mohammed heißt. Wieso kommt es da zu | |
| einer Sperrung? | |
| Karolin Schwarz: Im Zuge der Europawahl hat Twitter eine neue Regel | |
| eingeführt, die besagt, dass alle Manipulationen oder Falschmeldungen von | |
| der Plattform genommen werden, die den Wahlvorgang beeinflussen könnten. | |
| Daraufhin wurde Cheblis und auch andere Accounts gesperrt, obwohl sie mit | |
| ihren Tweets nicht gegen Richtlinien verstoßen. Die Fälle weisen daraufhin, | |
| dass Leute sich bewusst organisieren, um zu bewirken, dass Accounts | |
| gesperrt werden. | |
| Das heißt, die [2][Meldefunktion] wird schon zu Beginn missbraucht? | |
| Ja. Es sieht stark danach aus, dass rechte Meldeinitiativen diese Funktion | |
| jetzt nutzen. Dass die Funktion auch von anderen missbraucht wird, kann | |
| natürlich sein, aber mir sind noch keine rechten Accounts aufgefallen, die | |
| aufgrund der neuen Regel gesperrt wurden. Ich gehe aber davon aus, das bei | |
| Twitter jetzt nachgesteuert wird, damit die Meldefunktion besser | |
| funktioniert. | |
| Heißt es also, dass die neue Strategie Twitters, um Wahlbeeinflussung zu | |
| verhindern, nicht funktioniert? | |
| Meiner Meinung nach ist es ein klassischer Fall von „gut gemeint, aber | |
| nicht gut umgesetzt.“ Das zeigt sich allein an dem Overblocking, das jetzt | |
| schon passiert. Zudem fehlen eindeutig Informationen über die Vorgänge von | |
| Twitter, also beispielsweise, wer die Meldeverfahren moderiert. Das müsste | |
| man erst einmal evaluieren können. Dass die neue Meldefunktion eingeführt | |
| wurde, hat mit der letzten Bundestagswahl und der vergangenen | |
| Präsidentschaftswahl in den USA zu tun. Seither wird immer wieder darüber | |
| diskutiert, inwiefern Wahlen in Sozialen Medien beispielsweise durch | |
| Falschnachrichten beeinflusst werden. Am Wahlsonntag in Deutschland wurde | |
| beispielsweise von Rechten verbreitet, dass in den Wahlkabinen nur | |
| Bleistifte liegen würden, um die Stimmen für die AfD wieder wegradieren zu | |
| können. | |
| Wie kann man gegen solche Falschinformationen vorgehen? | |
| In Deutschland war damals das Team des Bundeswahlleiter sehr proaktiv auf | |
| Twitter. Sie haben darauf hingewiesen, wenn Desinformationen verbreitet | |
| wurden und haben sie korrigiert. | |
| Und was können Plattformen wie Twitter oder Facebook tun, ohne dass es zu | |
| Overblocking kommt? | |
| Es gibt viel Spielraum zwischen „gar nichts tun“ und „sanktionieren“. M… | |
| könnte beispielsweise mit dem Bundeswahlleiter und seinem Team | |
| zusammenarbeiten, um Informationen rund um die Wahl zusammenstellen und | |
| diese prominent auf den Plattformen anzuzeigen. Beispielsweise: Was sind | |
| die häufigsten Falschmeldungen und was sind die Fakten. Das würde deutlich | |
| weniger Moderationsaufwand darstellen als die jetzigen Meldefunktion und | |
| ist besser als Sanktionierungen. Facebook ist diesen Weg schon 2017 während | |
| der US-Wahl gegangen und hat den Nutzern erklärt, wie sie Falschmeldungen | |
| erkennen können. Doch jetzt gerade passiert auch da sehr wenig. | |
| Welche Rolle spielen denn soziale Medien bei den Wahlen? Werden dort | |
| wirklich, wie manch einer behauptet, Wahlen entschieden? | |
| Schwarz: Die Wahrheit ist, dass die Studienlage zu schlecht ist, um das | |
| wirklich beurteilen zu können. Doch die Wahlentscheidung eines einzelnen | |
| ist nie monokausal. Inwiefern also Online-Diskussionen oder -werbung dazu | |
| beitragen, sich für eine Partei zu entscheiden, lässt sich so nicht | |
| beantworten. Was wir aber wissen, ist, dass man via soziale Medien Leute | |
| mobilisieren oder demobilisieren kann, wählen zu gehen. Etwa durch das | |
| Negativ-Campaigning, welches Donald Trump genutzt hat, um zu versuchen, | |
| Afroamerikaner vom Wählen abzuhalten. Zusätzlich wissen wir, dass auf | |
| Plattformen Debattenthemen gesetzt werden. Das sieht man in Deutschland | |
| aktuell an Boris Palmer oder Kevin Kühnert. Da die Rechten im Social Media | |
| Marketing deutlich besser sind und ihre Anhängerschaft am aktivsten ist, | |
| bestimmen sie sehr häufig die Debatte. Sie wählen Themen, die | |
| emotionalisieren und deswegen mehr Interaktion hervorrufen. | |
| Was also kann man tun? | |
| In erster Linie, wäre es mir wichtig, dass man die Themen durchgängig | |
| betrachtet und ihnen eine größere Aufmerksamkeit schenkt – von Seiten der | |
| Plattformen auch von der Politik. Denn dass Hass geschürt und | |
| Falschnachrichten verbreitet werden, passiert nicht nur vor Wahlen, sondern | |
| die ganze Zeit. Meist passiert das vermehrt nach aktuellen Vorkommnissen | |
| wie vergangenen Sommer in [3][Chemnitz] oder beim [4][UN-Migrationspakt]. | |
| 6 May 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Sperrungen-vor-der-Europawahl/!5589703 | |
| [2] https://help.twitter.com/de/rules-and-policies/election-integrity-policy | |
| [3] /Diskussion-um-Hetzjagd-in-Chemnitz/!5533999 | |
| [4] https://faktenfinder.tagesschau.de/ausland/un-migrationspakt-113.html | |
| ## AUTOREN | |
| Carolina Schwarz | |
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