# taz.de -- Mindestlohnforderung von Hubertus Heil: Schlechter Stil | |
> Der Arbeitsminister verspricht in der Presse mehr Mindestlohn. Dabei | |
> hintergeht er die eigens eingesetzte Expertenkommission. | |
Bild: Hubertus Heil verspricht Verbesserungen für Paketboten und mehr Mindestl… | |
Stellen Sie sich vor, Sie sind Mitglied in einer wichtigen unabhängigen | |
Kommission, die über die Lebensbedingungen vieler Menschen entscheidet und | |
sogar in einem Gesetz verankert ist. Sie nehmen ihre Rolle ernst, graben | |
sich tief in die Materie ein. Sie wägen sorgfältig und über Monate | |
Für-und-Wider-Argumente mit ihren KollegInnen ab, die nicht zwingend ihrer | |
Meinung sind. Aber dann, auf halber Strecke, meldet sich ein | |
Bundesminister, der Ihnen gar nicht reinreden darf, und sagt Ihnen via Bild | |
am Sonntag, wo es langzugehen hat. Das fänden Sie wahrscheinlich ziemlich | |
demotivierend; sie denken womöglich: „Mach’s doch selbst, du Wichtigtuer!�… | |
So fühlen sich wahrscheinlich gerade die Mitglieder der | |
[1][Mindestlohnkommission], die über die regelmäßige Erhöhung des | |
Mindestlohns zu befinden hat. SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil stellt im | |
Interview eine Prognose auf, die man auch als Befehl verstehen kann: | |
„[2][Arbeit] muss sich lohnen. Deshalb wird es zum nächsten Jahr eine | |
weitere Erhöhung des Mindestlohns geben“. | |
Über den ersten Satz dürfte es zweifellos Konsens geben. Mit dem zweiten | |
Satz stellt Heil en passant den Sinn der unabhängigen Kommission infrage. | |
Die Kommission wurde nach dem Prinzip der Sozialpartnerschaft aufgestellt: | |
ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen sind paritätisch vertreten, die | |
Vorsitzende wird schön sozialpartnerschaftlich von beiden Seiten bestellt. | |
Die Kommission soll, so steht es im Gesetz, auch die | |
„Wettbewerbsbedingungen“ der Unternehmen im Blick haben. Das ist eine | |
Konzession – Achtung, Sozialpartnerschaft! – an die ArbeitgeberInnen. | |
Man kann das zu kompromissorientiert finden und angesichts der | |
[3][Inflation] aus der Zeit gefallen. Aber dann sollte Hubertus Heil das | |
klar sagen und die Kommission gleich abschaffen. Auch der – richtige – | |
12-Euro-Mindestlohn wurde bereits an der Kommission vorbei per Gesetz | |
beschlossen. Doch ein eigentlich unabhängiges Gremium via Medien unter | |
Druck zu setzen und ihm zwecks eigener Profilierung in den Rücken zu | |
fallen, ist ziemlich schlechter Stil. | |
10 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Boeckler-Stiftung-zu-Inflation/!5925107 | |
[2] /Lieferdienste-in-Berlin/!5923057 | |
[3] /Streit-um-faire-Loehne/!5921994 | |
## AUTOREN | |
Gunnar Hinck | |
## TAGS | |
Mindestlohn | |
Hubertus Heil | |
SPD | |
GNS | |
Schwerpunkt Armut | |
Mindestlohn | |
Arbeitskampf | |
Hubertus Heil | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Anpassung des Mindestlohns: Es muss in Richtung 14 Euro gehen | |
Unter der hohen Inflation leidet vor allem der Niedriglohnsektor, die | |
soziale Spaltung wächst. Es braucht eine deutliche Anpassung des | |
Mindestlohns. | |
Böckler-Stiftung zu Inflation: Höherer Mindestlohn gefordert | |
Geht es nach den Expert*innen der Hans-Böckler-Stiftung, sollte die | |
zuständige Kommission den Mindestlohn rasch anheben. Die Inflation mache | |
eine Anpassung nötig. | |
Soziologe über Ausbeutung im Job: „Gewerkschaftliche Macht nimmt ab“ | |
Gewerkschaften und Betriebsräte stehen unter Druck. Der Soziologe Klaus | |
Dörre über die problematischen Machtverhältnisse in der Arbeitswelt. | |
Mindestlohn und Minijobs im Kabinett: Mindestlohn hui, Minijobs pfui | |
Ab Oktober soll nicht nur der Mindestlohn, sondern auch die Minijob-Grenze | |
steigen. Das stößt bei Gewerkschaften und Sozialverbänden auf Kritik. |