# taz.de -- Lieferdienste in Berlin: Revolte bei Wolt | |
> Kurierfahrer*innen von Wolt protestieren gegen einen Subunternehmer, | |
> der keinen Lohn gezahlt haben soll. Doch der ist vom Erdboden | |
> verschwunden. | |
Bild: Dieses Mal haben die Wolt-Rider kein Essen, sondern Mahnungen im Gepäck | |
BERLIN taz | Es ist eiskalt als sich die Fahrer*innen des Bringdienstes | |
Wolt am Mittwochmorgen an der Karl-Marx-Straße in Neukölln versammeln. Die | |
Rider, die im Auftrag eines Subunternehmens für Wolt essen ausgeliefert | |
haben, [1][erheben schwere Vorwürfe] gegen ihren Arbeitgeber. Seit November | |
sei ihnen kein Lohn gezahlt worden, sagen die die Protestierenden. Etwa 120 | |
Arbeiter*innen seien betroffen, die Summe der ausstehenden Zahlungen | |
belaufe sich mittlerweile auf insgesamt rund 100.000 Euro. | |
Zum Protest erscheinen jedoch weit weniger Fahrer*innen. „Viele haben | |
Angst, ihre Arbeit oder ihren Aufenthaltstitel zu verlieren, wenn sie Ärger | |
machen“, erklärt sich Samee Ullah, die geringe Teilnehmer*innenzahl. Er | |
selbst arbeitet schon lange für Wolt und hat im vergangenen Jahr eine | |
Veränderung der Geschäftspraxis beobachtet. | |
Seit der [2][Konkurrenzdruck gestiegen] sei, habe Wolt auf ein | |
Subunternehmer-System umgestellt. „Wolt hat seit November niemanden mehr | |
direkt eingestellt“, sagt Ullah. Stattdessen würden Bewerber*innen an | |
verschiedene Adressen in Berlin verwiesen, wo sie Verträge mit den | |
Subunternehmern, den sogenannten Fleetpartnern, abschließen sollen. | |
Eine solche Adresse sei der Handyladen „Mobile World“ an der | |
Karl-Marx-Straße gewesen, so Ullah weiter. Viele der protestierenden | |
Fahrer*innen hätten ihre Stammdaten dort abgegeben und daraufhin ihren | |
Zugang zur Wolt Partner App und ihren Wolt Firmenausweis erhalten. Den | |
Arbeitsvertrag würden sie später per E-Mail erhalten, habe es geheißen. | |
„Der Vertrag kam aber nie“, so Ullah. Das bestätigen mehrere der | |
betroffenen Fahrer*innen der taz. | |
## Niemand will verantwortlich sein | |
Im Handyladen selbst will man mit Wolt nichts zu tun haben. Der Mann hinter | |
dem Tresen gibt an, nie Fahrer*innen in dem Geschäft gesehen zu haben. | |
Sein Chef sagt am Telefon, dass er mit Wolt schon lange nicht mehr zusammen | |
arbeite. Warum vor seinem Laden protestiert würde, könne er nicht | |
nachvollziehen. Wenn er mit den Ridern etwas zu tun gehabt hätte, müssten | |
diese ja Verträge vorweisen können. | |
Nach einer kurzen Kundgebung fahren die Protestierenden mit dem Fahrrad zur | |
Firmenzentrale von Wolt in der Stralauer Allee in Friedrichshain. Hier | |
wollen sie mit ihrem [3][Anwalt Martin Bechert] Mahnungen für die | |
ausstehenden Lohnzahlungen übergeben. Doch die Türen des Bürogebäudes | |
bleiben geschlossen. Weder die Kurier*innen noch der Arbeitsrechtler | |
können die Schreiben übergeben. | |
Bereits am vergangenen Freitag hab er versucht, die Mahnung zu übergeben, | |
sagt Muhammad S., der lieber nicht mit seinem Nachnamen in der Zeitung | |
stehen will. „Der Mann hinter dem Schalter hat mir gesagt, Wolt habe keinen | |
Briefkasten“, so der Lieferfahrer. | |
Auch Shiveni Sherme berichtet von ungewöhnlichen Vorgängen bei Wolt. So sei | |
ihr nach zwei Jahren und guten „Performance Ratings“ von einem | |
Wolt-Mitarbeiter empfohlen worden zu kündigen und über einen Subunternehmer | |
neu anzuheuern. Dadurch könne sie mehr als die elf Euro Mindestlohn | |
verdienen, habe es geheißen. Bis März habe sie Aufträge über die Wolt App | |
erhalten, sagt Sherme. Auch sie warte seit November auf ihren Lohn. | |
## Zusammenarbeit mit Subunternehmer beendet | |
Fabio Adlassnigg, Pressesprecher von Wolt dementiert gegenüber der taz | |
solche Vorgänge: „Selbstverständlich vermitteln wir keine | |
Mitarbeiter*innen an Subunternehmer“, so Adlassnigg. Vielmehr habe | |
Wolt die eigene Flotte mit Mitarbeiter*innen von kleineren | |
Personaldienstleistern verstärkt. Bei dem fraglichen Unternehmen handele es | |
sich um die GW Trans GmbH. Die Zusammenarbeit sei jedoch im Januar beendet | |
worden, nachdem Unregelmäßigkeiten festgestellt worden seien. Alle | |
Angestellten des Personaldienstleisters hätten Ende Januar ihren letzten | |
Arbeitstag gehabt. | |
Bei der GW Trans GmbH mit Sitz in Hohenschönhausen und Registrierung in | |
Mainz war für die taz niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Die im | |
Internet angegebene Telefonnummer führte zu einem Mann der angibt, die | |
Firma bereits vor vier Jahren an „jemanden aus Berlin“ verkauft zu haben. | |
5 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bosse Kröger | |
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