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# taz.de -- Meeresbiologin zu Umweltbildung: „Jeder weiß, wo Mikroplastik la…
> Frauke Bagusche begeistert junge Menschen für den Schutz der Ozeane. Die
> Meeresbiologin erklärt, welche Veränderungen Mut machen.
Bild: Durch den Klimawandel in Gefahr: Korallenriff am Great Barrier Reef
taz: Frau Bagusche, Sie hatten in Ihrem Leben schon viel mit Ozeanen zu
tun: als Wissenschaftlerin, als Berufstaucherin und heute in der
Umweltbildung. Woher stammt Ihre Begeisterung für das Meer?
Frauke Bagusche: Ich wollte schon in der vierten Klasse Meeresbiologin
werden. Und das, obwohl ich fast 400 Kilometer vom nächsten Ozean entfernt
im Oberbergischen Land aufgewachsen bin. Warum ich so eine tiefe Verbindung
zum Meer habe, weiß ich nicht, aber sie war schon immer da. Am Meer kann
ich atmen, frei sein und loslassen.
Die Meere selbst leiden aber zunehmend unter uns Menschen. Seit längerem
beobachten Wissenschaftler*innen einen sprunghaften Anstieg der
globalen Oberflächentemperatur. Wie wirkt sich das auf die Meereslebewesen
aus?
Weltweit ist die [1][Korallenbleiche] in vollem Gange. Die Rekordwärme im
Wasser lässt sich deutlich an den Korallen ablesen, denn bei zu hohen
Temperaturen über einen längeren Zeitraum sterben sie ab. Das ist
alarmierend, weil Korallen lebenswichtig für das Ökosystem Ozean sind. Sie
schützen die Küsten vor Erosion und dienen als Kinderstube von 25 Prozent
aller Fischarten weltweit. Das bedeutet: Korallenriffe produzieren Unmengen
an Fisch, von dem auch wir Menschen leben.
Dass die Ozeane so warm sind wie noch nie seit Beginn der Messungen, liegt
auch am menschengemachten Klimawandel. Überrascht Sie das als
Meeresexpertin?
Die Fakten sind seit Jahrzehnten eindeutig: Die Meere leiden besonders
unter Klimawandel, Plastikverschmutzung und Überfischung. 2010 bis 2013
habe ich die Auswirkungen des Klimawandels auf Austern wissenschaftlich
untersucht. Dass die Klimakrise so schnell und drastisch spürbar wird,
hätte ich während meiner Promotion nicht gedacht. Die Folgen spüren wir
nicht nur im globalen Süden, sondern auch mitten in Deutschland: Menschen
sterben durch Überflutungen und an den enormen Hitzewellen. Das alles wird
schlimmer, wenn wir nicht endlich umsteuern.
Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere ein verändertes Krisenbewusstsein erlebt?
Als ich 2013 zum ersten Mal als Forscherin auf den Malediven war, habe ich
bereits über Plastikverschmutzung gesprochen. Damals war [2][Mikroplastik]
noch kein gängiger Begriff, und ich musste viel erklären. Heute weiß jeder
Viertklässler, wo Mikroplastik landet. In den Supermärkten gibt es immer
mehr plastikfreie und unverpackte Alternativen. Das zeigt, dass ein Wandel
stattfindet, was mir Mut macht. Diese positiven Veränderungen sollten wir
hervorheben.
Warum unterrichten Sie nun im Saarland junge Menschen in Sachen
Ozeanschutz?
Ich konnte aufgrund einer chronischen Krankheit nach meiner Rückkehr nach
Deutschland 2016 nicht wieder als Meeresbiologin auf den Malediven
arbeiten.
Doch Nichtstun liegt nicht in meiner Natur. Also habe ich begonnen, ein
Buch zu schreiben. Parallel dazu haben wir 2018 auch den Verein [3][„The
Blue Mind“] gegründet, um das Meereswissen im Inland zu fördern. Denn
Meeresschutz fängt vor der Haustür an.
Wie sieht die lokale Bildungsarbeit zum Meer konkret aus?
Mit den Kindern gehe ich zum Beispiel an die heimischen Gewässer und
erforsche mit einem Netz, was im Bach schwimmt. Wir sammeln Müll und
sprechen über die Funde: Was glaubt ihr, von wem der Müll ist? Wie lange
dauert es, bis er zu Mikroplastik wird? Mit Virtual-Reality-Brillen können
die Kinder außerdem virtuell in die Ozeane eintauchen und ein Bewusstsein
für ihre schützenswerte Schönheit entwickeln.
Wie bewerten Sie auf globaler Ebene das Vorhaben der Vereinten Nationen, 30
Prozent der weltweiten Meeresfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen?
Das ist löblich und längst überfällig. Auch die [4][UN-Ozeandekade von 2021
bis 2030] hilft, dass das Thema Ozeanschutz in die breite Masse der
Bevölkerung gelangt. Aber nichtsdestotrotz brauchen wir schnell größere
Schutzgebiete, damit sich die Meeresumwelt erholen kann – das heißt Orte,
an denen nicht gefischt wird! Wir müssen auch mehr Druck auf die Industrie
ausüben, CO₂ und Plastikemissionen zu reduzieren. Klar: Daran wird
gearbeitet, auch global. Aber auch jeder Einzelne kann seinen Teil dazu
beitragen und selbst Druck machen!
Was bedeutet diese globale Herausforderung für Ihre Arbeit mit jungen
Menschen?
Ich erkläre ihnen, dass jede Stimme zählt. Das Beispiel der Fridays for
Future zeigt, wie Kinder und Jugendliche plötzlich eine Stimme bekommen und
eine weltweite Bewegung auslösen können. Ihr müsst eure Stimme erheben, nur
dann passiert etwas!
Wie gehen Sie mit der emotionalen Herausforderung um, sich ständig mit der
Klima- und Umweltkrise zu beschäftigen?
Ich werde wütend. Manchmal kann ich tagelang nicht unter Menschen gehen,
weil ich denke, dass ich ausflippe. Aber dann besuche ich Kindergärten und
Schulen. Die Motivation der Kinder, ihre klugen Fragen und das, was ich in
ihren Köpfen erreichen kann, gibt mir die Kraft, weiterzumachen. Es ist wie
der nächste Tauchgang oder das nächste Schnorcheln im Meer. Ich werde nicht
kampflos aufgeben – weder für mich, meinen Seelenfrieden noch für die
Kinder, die ich jede Woche unterrichte.
Wie blicken Sie als Meeresexpertin in die Zukunft?
Ich befürchte, dass wir als Menschheit das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen
werden. Trotzdem dürfen wir nicht aufgeben. Wir haben eine Verantwortung
gegenüber den folgenden Generationen. Jeder Einzelne muss seinen
CO₂-Fußabdruck im Alltag verringern. Und vor allem: Druck auf die Politik
ausüben. Gemeinsam können wir viel bewirken.
7 Jul 2024
## LINKS
[1] /Klimakrise-im-Great-Barrier-Reef/!5997013
[2] /Muellproblem-in-Afrika/!6005719
[3] https://thebluemind.org/
[4] https://ozeandekade.org/
## AUTOREN
Maximilian Arnhold
## TAGS
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