| # taz.de -- Lisa Eckhart über Cancel-Culture: „Das Publikum hält mir den Sp… | |
| > Antisemitismus, Rassismus, Homophobie – Lisa Eckhart wurde vieles | |
| > vorgeworfen. Fest steht: Gecancelt wurde die Kabarettistin nicht. Ein | |
| > Gespräch. | |
| Samstag früh in einer Hotellobby in Berlin-Mitte. Lisa Eckhart trägt | |
| Bühnenkleidung, Versace, sieht total ausgeschlafen aus und bittet um | |
| Prosecco. Die lahmen Journalisten nehmen Kaffee. | |
| taz am wochenende: Sie trinken Prosecco um 9.45 Uhr, Frau Eckhart? | |
| Lisa Eckhart: Ich finde, man sollte ein gutes Vorbild sein. Den Menschen | |
| ein bisschen Genuss vorleben. Ich bin der Ästhetik von Sekt und Champagner | |
| anheimgefallen, musste mich aber anfangs mühsam zum Trinken zwingen, bis | |
| ich gelernt hatte, es auch geschmacklich zu genießen. | |
| Ästhetischer Widerstand gegen die Smoothie-Zeiten? | |
| Ja, wobei ich gestehen muss, ich trinke Smoothies sehr gerne, und zwar die | |
| für manche Leute übelsten, mit Sellerie und Spinat. Es schmeckt mir. Aber | |
| ich bestelle sie nie öffentlich, aus Angst, dass die Leute glauben, ich | |
| würde diesen Smoothie bestellen, weil es gesund sei und ich ein Statement | |
| machen wolle. Das ist mein Problem mit vielen Dingen. | |
| Was Lisa Eckhart macht, wird sofort als Statement verstanden? | |
| Ja. Furchtbar. Das hat aber nichts mit Lisa Eckhart zu tun, es hat sich | |
| schon fast eingegraben in die Kleinhirnrinde der Menschen. Sie legen ja | |
| immer diese Maske der Authentizität an, und die ist weitaus verkrampfter | |
| als meine naturgegebene Verkrampftheit und Angespanntheit. | |
| Steile These. | |
| Natürlich. Das ist die schwerste Rolle, die man spielen kann. | |
| Man selber zu sein? | |
| Ja, das ist eine Suche, wo man immer rufen möchte: Bleib zu Hause! | |
| Man sucht sich besser nicht? | |
| Nein, da forsche ich doch wirklich nicht nach. Selbst wenn ich diesen | |
| innersten Wesenskern jemals ausfindig machen könnte, dann ist doch immer | |
| noch die Frage: Was hat dieser Wesenskern der Welt zu sagen? Sie kennen | |
| wahrscheinlich diese Werbung. In der heißt es: Du bist nicht du, wenn du | |
| hungrig bist. Und ich denke mir dann: Doch, genau dann bist du es. Das sind | |
| die Momente der Authentizität, wenn du müde bist, wenn du hungrig bist, und | |
| das ist kein schöner Anblick. Niemand sollte authentisch sein, denn dieses | |
| wahre Selbst ist ein Pfuhl an asozialen Eigenschaften. Ich kann ja wohl von | |
| den Menschen erwarten, dass sie gefälligst eine Rolle spielen und zumindest | |
| versuchen, zivilisierte Menschen zu mimen. | |
| Meinen Sie, wir sind zu sehr mit uns selbst beschäftigt? | |
| Ich sehe Menschen, die ihren kleinen Ich-Wehwehchen nachgehen und, | |
| pathetisch gesagt, den Blick für den großen Weltschmerz verlieren. So viele | |
| versuchen mit ihrem Bestreben, authentisch zu sein, jegliche Kultur von | |
| sich abzuschälen. Deswegen bin ich auch nicht gegen diesen [1][Begriff der | |
| Cancel-Culture], nur sehe ich ihn weitergefasst: dass nämlich damit | |
| jegliche Form von Kultur gecancelt wird, jegliche Form von Manieriertheit, | |
| Künstlichkeit und was man mir so vorwirft. Worauf strebt denn eine | |
| Gesellschaft zu, für die das nicht wunderschöne Dinge sind, sondern | |
| Schimpfworte? Das ist doch wunderbar, wenn die Menschen Dinge gewollt tun. | |
| Das ist Freiheit? | |
| Ja, die sowieso. Und Arbeit. Einfach nur seinem Selbst nachzugehen ist ein | |
| Sich-gehen-Lassen, dem ich das Nietzscheanische „Sei, wer du bist“ | |
| entgegenstelle. Da ist ein Leisten da, ein Schaffen, aber kein neoliberal | |
| verseuchtes. | |
| Wir haben uns unsere Ichigkeit hart erarbeitet. | |
| Was heißt hart erarbeitet? Das ist eine hysterische Panikreaktion auf die | |
| Postmoderne. Ich ist ein anderer. Für mich klingt das herrlich. Aber der | |
| Mensch kann mit der Freiheit, sobald er sie hat, bekanntlich wenig | |
| anfangen. Flüssige Identitäten, verdampfte Stände – das ängstigt viele. | |
| Sogar die, die dafür werben. Nachdem Freud diagnostiziert hat, dass das Ich | |
| nicht Herr im eigenen Haus ist, sind viele trotzige Hausbesetzer geworden. | |
| Ab dem „Tod des Autors“ … | |
| … einem poststrukturalistischen Konzept, nach dem die Bedeutung eines | |
| Textes nicht vom Autor vorgegeben wird … | |
| … hingen überall Plakate: Schreib dein Buch, heißt es auf ihnen. Heute | |
| schreibt jeder, aber kaum einer liest. | |
| Und? | |
| Als Autor hat mich das an meinen Platz verwiesen, dass die Sprache mich | |
| spricht. Mit dem Leser hat das gar nichts zu tun, der ist in der | |
| Nahrungspyramide immer noch ganz weit unten, aber er hat das gehört vom Tod | |
| des Autors und dachte: Aha, dann bin ich jetzt der Autor. Genauso wie der | |
| Tod Gottes. Das hat uns nicht demütig gemacht, vielmehr war plötzlich jeder | |
| Gott. | |
| Gott ist tot. Munkelt man. | |
| Diese Ichverseuchtheit, die Selbstgöttliches beansprucht, ist an sich schon | |
| ein Problem. Bei Kunst hat das überhaupt nichts verloren, Kunst ist nicht | |
| Selbstverwirklichung, sondern – im Gegenteil – Selbstentwirklichung, als | |
| wohltuendste Selbstlosigkeit. Und dieses Verständnis sehe ich bei den | |
| wenigsten. Stattdessen haben wir diese Ichverseuchtheit gepaart mit einem | |
| gleichzeitigen Populismus von der Bühne aus. | |
| Wie meinen Sie das? | |
| Da heißt es immer von vielen Künstlern: Ich, ich, ich, ich … bin einer von | |
| euch. Das stößt mich extrem ab. Weder möchte ich andauernd von mir | |
| sprechen, noch möchte ich eine Verbrüderung mit dem Publikum. Aber nicht, | |
| weil ich so präpotent und arrogant wäre, sondern weil ich glaube, dass ich | |
| das dem Publikum schuldig bin. Ich selbst gehe auch nicht in ein Stück, um | |
| dort etwas auf Augenhöhe zu erleben, das interessiert mich nicht. | |
| Können wir eine große Frage stellen? | |
| Bitte. | |
| In was für einer Welt leben wir? Das fragten wir unlängst einen Philosophen | |
| und der sagte: Wir leben in einer Welt der Krisen! | |
| Das würde ich schon mal nicht unterschreiben, das ist mir zu überheblich. | |
| Genauso wie: Wir leben in historischen Zeiten. Woher wollen wir das jetzt | |
| wissen? Geschichtsschreibung ist keine Liveberichterstattung. Manche können | |
| einfach nicht ertragen, dass das Ende der Geschichte nicht eingetreten ist. | |
| Oder doch eingetreten ist. Wie man will. Beides scheint eine narzisstische | |
| Kränkung zu sein. | |
| Aber diese Zeit ist unsere Zeit, eine andere haben wir nicht, was will man | |
| machen? | |
| Ja, aber es macht eine Zeit noch lange nicht besonders, nur weil man selber | |
| in ihr lebt. Ich hatte ja schon große Sorge, als das mit Corona aufkam. Die | |
| Menschen waren ja so aufgescheucht, und mich hat von Anfang an gesorgt: | |
| Meine Güte, wenn das vorbei ist, worüber werden sie dann reden? Wird sie | |
| jemals wieder ein Thema so fesseln wie das? Womit füllen sie ihren Tag? | |
| [2][Macron sagte: „Wir sind im Krieg.“] Ein Weltkrieg letztlich. Das | |
| beruhigt die Menschen sehr. Das bedeutet Ordnung. Wir gegen das Virus. In | |
| welcher Welt wir leben? In dieser. | |
| Das Private ist seit 68 politisch. | |
| Eine Binsenweisheit, auf der sich viele ausruhen und glauben, dass jeder | |
| privateste Ausfluss von politischer Relevanz sei. Das ist er nicht. Dass | |
| Privates so viel Einfluss bekommt, hat die Idee der Öffentlichkeit völlig | |
| verdrängt. Eigentlich hat man einen 24-Stunden-Privatraum geschaffen. | |
| Ist da ein Aufreger wie der Antisemitismusvorwurf gegen Sie der einzige | |
| Weg, noch diskursive Bewegung in der gebildeten Mittelschicht auszulösen? | |
| Manch einer hat gesagt: Jetzt wird immerhin debattiert. Es wurde aber | |
| überhaupt nicht debattiert. Ich hab das öfters angemerkt [3][im Bezug auf | |
| die Cancel-Culture], dass ich mich tatsächlich um Kultur im Ganzen sorge. | |
| Und ich möchte das nicht einem bestimmten politischen Lager zuordnen. | |
| Dieses Reinheitsgebot, das sehe ich ja rechts und links. Die Rechten haben | |
| Angst, dass sie irgendwie beschmutzt werden von einer fremden Kultur. Die | |
| vermeintlich Linken haben Angst, jemandem Gewalt anzutun, wenn sie sich | |
| Kultur aneignen. Und weil Sie die „gebildete Mittelschicht“erwähnen: Ich | |
| weiß nicht, wie man mit dieser reden könnte. Weil sie derart | |
| widersprüchlich ist. | |
| Bitte? | |
| Das sind oft Menschen, die ein „Früher war alles besser“ genau gleich | |
| erzürnt, wie wenn man sagt: „Es ist ja jetzt alles nicht mehr so schlimm.“ | |
| Beides treibt sie in den Wahnsinn. | |
| Die Zukunft hat auch schlimm zu sein. | |
| Genau. Zum anderen hat Fridays for Future nochmal einen neuen Aspekt | |
| gebracht, weil jetzt diese Menschen, die sich sehr über das „Früher war | |
| alles besser“ echauffieren, gleichzeitig nun völlig zu Recht in den Raum | |
| stellen mussten: Morgen wird alles schlimmer. Und die Klimaleugner, die | |
| eigentlich gesagt haben: Früher war alles besser, haben jetzt gesagt: Es | |
| wird ja morgen nichts passieren. Interessant, wie sich das beständig dreht | |
| und jeder – oft aus infantilem Trotz – einfach die Gegenposition einnimmt. | |
| Ist das bei den Reaktionen auf die Coronapolitik ähnlich? | |
| Oh ja. Rechts, wo man immer für geschlossene Grenzen plädiert, hat man | |
| gesagt: Ich möchte reisen. Und vermeintlich links, wo man immer rief: | |
| Offene Grenzen, offene Grenzen, rief man jetzt: Wir müssen zumachen, damit | |
| Corona nicht weiter ausbricht. Dahinter steht eine grundsätzliche Angst vor | |
| dem anderen, dem jetzt diese ganzen Coronapolitikmaßnahmen und diese | |
| soziale Distanz zupasskommen. Das hat etwas beschleunigt, was viele von | |
| Anfang an wollten. Dass man sich wirklich nur in dem kleinsten Kreis um | |
| sich selber dreht, und wenn, dann nur mit Menschen umgibt, die völlig mit | |
| dir abgeglichen sind. | |
| Der Rest wird blockiert. | |
| Was soll das, denk ich da? Wie denkt ihr denn, dass die Welt funktioniert? | |
| Ihr blockiert etwas, und es ist weg, es ist einfach weg? Ihr benennt etwas | |
| um, und der Missstand dahinter ist nicht mehr da? Ich habe nichts gegen | |
| Widersprüche, um Himmels willen. Das war immer das, was ich mir gewünscht | |
| hab: Diversität überall, bis hinein ins Individuum. Aber genau davor haben | |
| sie Angst, und das wollen sie austreiben. Rechts wie links. Und das scheint | |
| mir recht gefährlich. | |
| Woher kommt diese Angst? | |
| Sie brauchen große Geschichten. Sie klammern sich an Narrative, sei es | |
| geschlechtlich, ethnisch, sonst was. Sie machen alle wieder eine starke | |
| Identität auf, weil sie mit der Diversität, die sie propagiert haben, | |
| anscheinend als Allerletzte zurechtkommen. Das hat etwas Tragisches, dass | |
| das flexible Selbst natürlich wunderbar missbraucht werden kann. Und | |
| verwoben ist mit dieser sehr neoliberalen Ich-Idee. Der ständige Wandel, ob | |
| jetzt beruflich oder geschlechtlich, das ist angesichts dieser Welt nicht | |
| subversiv. Das heißt nicht, dass es jemand nicht leben soll. Aber es ist | |
| leider nichts, was das System stürzen wird. | |
| Warum nicht? | |
| Das System produziert Figuren, die angehalten sind, nach ihrer wahren | |
| Identität zu forschen, sie nie zu finden, dabei ordentlich Geld auszugeben | |
| und das große Ganze aus dem Gesichtsfeld zu verlieren. Jeder Mensch ist | |
| einzigartig, niemand kann nichts nachvollziehen, was und wie der andere | |
| fühlt – das mag sich rücksichtsvoll anhören, untergräbt aber Solidarität. | |
| Was bedeutet das für das Kabarett? | |
| Diese Floskel des Kabaretts, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten – na, | |
| das trägt nicht mehr. In so einer Selfie-besessenen Gesellschaft ist das ja | |
| mittlerweile das Schlimmste, was ich für sie tun kann. Sie sind so in ihr | |
| Selbstbild vernarrt, dass ich den Spiegel lieber weglege. Ich hab sowieso | |
| immer gesagt, wenn wer gespiegelt wird, dann bin das ich. | |
| Heißt? | |
| Das Publikum hält für mich den Spiegel. Das ist meine Möglichkeit der | |
| Selbstkonturierung, da vergewissere ich mich meiner selbst. | |
| Sie konfrontieren die Leute mit einer Figur, die sie unangenehm berührt, in | |
| Frage stellt. Und das löst einen Cancel-Wunsch aus? So? | |
| Diese Eins-zu-eins-Warnungen erachte ich als kunstlos. Wenn ich etwa | |
| satirisch die AfD kritisiere, dann überhol ich sie lieber von rechts. Und | |
| schimpfe dann von da aus auf ihr antiimperialistisches | |
| Grenzschließungsgeschrei und ihren Geiz, unter sich bleiben zu wollen, | |
| anstatt die ganze Welt am deutschen Wesen genesen zu lassen. Das verwirrt | |
| bereits so manchen. Aber wirklich heikel wird es, wenn man die eigenen | |
| Reihen angreift, wie bei dieser Nummer von 2018. | |
| Aus Ihrer Sicht karikierten Sie den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein, | |
| indem Sie sagten, Juden wie ihm sollte die Belästigung von Frauen erlaubt | |
| sein, da mit Geld ja nichts gutzumachen sei. Das wurde als antisemitisch | |
| kritisiert. | |
| Ich hatte kurz davor, zur Blütezeit von #metoo, bereits eine ähnliche | |
| Nummer, in der ich mit Befremden konstatierte, dass sexuelle Belästigung | |
| den Antisemitismus von Platz eins der gesellschaftlichen Vergehen kicke. | |
| Danach dachte ich, ich kann noch eine Schraube anziehen und ihnen vor Augen | |
| führen, welche vermeintlichen Täter sie da eigentlich zerreißen. | |
| Womit? | |
| Mit dem Wahnwitz, dass die Erfahrung von Leid und Diskriminierung einen | |
| besseren Menschen züchten würde. Das ist pervers. Dieser Glaube an | |
| Läuterung durch Leid. Dann müssten wir unentwegt unsere Kinder schlagen, | |
| wenn wir wüssten, sie werden dadurch bessere Menschen oder zumindest gute | |
| Künstler. Außerdem kennt das doch jeder von sich selbst: Wenn einen etwas | |
| echauffiert und unverhältnismäßig stört, gibt’s immer nur zwei Erklärung… | |
| Entweder ich sehe etwas von mir darin, was ich an mir selbst verachte. Oder | |
| etwas, was ich begehre, aber nicht habe – dann ist es Neid. | |
| Vielleicht gehen Leute auf Distanz, weil man sich bei Ihnen nicht sicher | |
| ist? | |
| Wessen ist man sich nicht sicher? | |
| Seiner selbst? | |
| Ja, ja, sie haben so ein Sicherheitsbedürfnis, im wirklichen und auch im | |
| übertragenen Sinne, da ist alles ambivalent. Es muss bereinigt werden, das | |
| muss sich ganz klar formen, es muss sich Haltung zeigen. Amüsant, es ist | |
| mir erst kürzlich aufgefallen, dass jene Kabarettisten, die sehr groß in | |
| ihrer Haltung sind, tatsächlich die schlechteste Haltung besitzen. | |
| Wirklich? In welcher Weise? | |
| Die schlechteste Körperhaltung. | |
| Sie sitzen hier seit einer Stunde total aufrecht auf Ihrem Stuhl. | |
| So ist meine Haltung. Mehr im Sinne der Posture als der Gesinnung. Meine | |
| Ethik liegt in der Ästhetik begründet. Die hat auch noch ihre Mängel. Aber | |
| das hat sich für mich als lebbarste Variante erwiesen. Das griechische | |
| Ideal: Das Schöne ist das Gute. In einer aufrechten Körperhaltung liegt für | |
| mich auch eine Aufrichtigkeit. Ich würde es immer daher ableiten. Auch wenn | |
| Sie mich fragen: Frau Eckhart, sind Sie trotzig und gendern deswegen nicht? | |
| Sind Sie trotzig und gendern deswegen nicht? | |
| Nein! Ob ich Österreicherin sage oder Österreicher, ob ich das gender oder | |
| nicht, das gebietet die Metrik. Erlaubt mir der Satz die gegenderte Form | |
| von der Ästhetik her, oder nicht? Die Worte haben sich dem Rhythmus zu | |
| fügen und nicht meiner Identität. Der Sprache und nicht dem Sprecher. | |
| Wenn es metrisch passt, würden Sie von Künstler:innen sprechen? | |
| Ja. Man hat vor allem beim Reim diese Momente, wo man künstliche Pausen | |
| machen muss. Wenn es da passt, dann sag ich das. Das Binnen-I ist ja ein | |
| fantastisches Symbol, eine Abgrenzung wie eine Mauer. Ein sehr amüsantes | |
| Phallussymbol. Das ist euer orthografischer Umschnalldildo, der nur weiter | |
| weg führt vom Universalismus. | |
| Wie gehen Sie mit Versuchen um, Ihnen die Plattform zu entziehen? | |
| Mir wird die Plattform ja nicht entzogen. Das monieren jetzt manche: „Die | |
| Eckhart ist ja immer noch da, der Nuhr ist ja immer noch da. Wo ist denn da | |
| Cancel-Culture?“ Dass es die gibt, wird geleugnet. Und den Leugnern nützt | |
| es, sich Ziele auszusuchen, die quasi nicht zu canceln sind. So können sie | |
| froh verleumden und sich in ihrer Ohnmacht sonnen. In deren Welt ist | |
| Machtlosigkeit Bedingung, sich äußern zu dürfen. Hätte ihr Canceln Erfolg, | |
| wäre das für sie fatal. Was mich betrifft: Niemanden freut es, wenn ihm | |
| Antisemitismus, Rassismus, Homophobie, Trans- und generell | |
| Menschenfeindlichkeit vorgeworfen werden. Aber all diese Vorwürfe haben | |
| ihre Agenda geschwächt, weil sich jetzt auch Laien denken müssen: | |
| Unwahrscheinlich, dass die Eckhart ein Kaleidoskop aller Unsäglichkeiten | |
| der Menschheit ist. | |
| Das war strategisch unklug? | |
| Was soll noch kommen, außer der Vorwurf, Frau Eckhart hat heute Morgen vor | |
| dem Hotel einen abgestochen? Sie haben all ihr Pulver verschossen. Ich bin | |
| noch recht lange da, hoffentlich. | |
| 15 Nov 2020 | |
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