# taz.de -- Kabarettistin im „Literarischen Quartett“: Von Body Positivity … | |
> Beim „Literarischen Quartett“ war Lisa Eckhart zu Gast. Trotz Kritik an | |
> ihrer Teilnahme vor der TV-Sendung war der Nervfaktor überraschend | |
> gering. | |
Bild: Sprachen erstaunlich sachlich und unterhaltsam über Literatur: Dorn, Mat… | |
Die klassische Literaturkritik muss inzwischen fast vollständig draußen | |
bleiben. Seit Thea Dorn das einzige ständige Mitglied in der | |
Literaturkritik-Simulation [1][„Das Literarische Quartett“] ist, sieht sie | |
zu, dass neben ihr keine professionelle Literaturkritikerin stattfindet; | |
stattdessen werden Autorinnen, Autoren, Schauspieler oder auch mal | |
Kabarettistinnen eingeladen, die zufälligerweise auch gerade ein Buch am | |
Start haben. | |
Womit wir gleich beim kleinen Skandalon wären, den es schon vorab zu dieser | |
Ausgabe der ZDF-Sendung gegeben hat. Oder gegeben haben soll. Maxim Biller, | |
der sich inzwischen eigentlich lieber als Schriftsteller sieht denn als | |
Kritiker oder Feuilletonist, hat sich auf seine Art über den Auftritt der | |
eh schon reichlich umstrittenen besagten [2][Kabarettistin Lisa Eckhart], | |
nun ja, beschwert; hat sie in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung | |
„als 28-jährige Frau aus einem Dorf in der Steiermark“ mit einer „sehr, | |
sehr blonden HJ-Frisur“ (wäre nicht „BDM-Frisur“ korrekter gewesen?), mit | |
„Nazi-Domina-Look“ und einem „herablassenden, nasalen Offiziersmessen-Ton… | |
beschrieben. Ihr Auftritt im Literarischen Quartett sei der hinreichende | |
Beweis, so Biller, dass „der deutsche Jude und Literaturkritiker Marcel | |
Reich-Ranicki endgültig den Kampf gegen die Nazis verloren“ hat. | |
## Lisa Eckhart teilt gerne aus | |
Thea Dorn wird sich über diese Vorab-Aufmerksamkeit gefreut haben und in | |
ihrer Gast-Auswahl bestätigt fühlen. Lisa Eckhart selbst wird sich ebenso | |
bestätigt fühlen: viel Feind, viel Ehr. Nun kann [3][Eckhart auch selbst | |
ganz gut austeilen. D]as zeigte sie dann auch, als es wirklich darauf | |
ankam. Nämlich auf dem Platz in der Sendung, die Biller selbst ja aus | |
Gründen (wollte eben mehr Schriftsteller sein als Kritiker) vor einigen | |
Jahren geräumt hat. Zwei, drei Gelegenheiten reichten ihr dabei dieses Mal | |
aus. Einmal ging es dabei um „Body Positivity“, von der sie offensichtlich | |
nichts hält, das andere Mal um einen selbst gewählten Opferkult. | |
Mitgebracht hat sie das neue Buch eines anderen Provokateurs, nämlich den | |
Essay-Band des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq. | |
Aber um auch das gleich zu sagen: Der Nervfaktor der Sendung blieb | |
überraschend gering. Nun hat sich Dorn auch schon öfter um streitbare | |
Mitstreitende bemüht, gar schlimm war es, als der knorrige und nicht | |
zuletzt sich selbst überschätzende Sven Regener in einer Runde mit Jan | |
Fleischhauer und Juli Zeh plötzlich als Sympathiebolzen herüberkam. Die | |
Ausgabe mit der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff hat sich der | |
Rezensent gleich geschenkt. | |
Gut, Lisa Eckhart hat ein paar Mal zu oft Nietzsche erwähnt, warum und zu | |
welchem Zweck auch immer. Doch sonst hielt sich die rhetorisch geschulte | |
„Retro-Österreicherin“ (Biller) an den vorgegebenen Takt. Andrea Petkovic | |
als die Tennis-Fernsehnase, die nicht nur gern gute Bücher liest, sondern | |
auch selbst schreibt, hielt sich ebenso souverän an Eckharts Seite wie | |
Musterschauspieler Ulrich Mattes neben Dorn. | |
Interessant waren sowieso ganz andere Frontlinien. Der schon ältere Roman | |
von Elif Shafak fand einhellige Zustimmung; der schmale neue DeLillo stieß | |
gleich mehrere Interpretationsspielräume auf. Die wesentlichen Diskussionen | |
fanden – natürlich, ist man versucht zu schreiben – bei eben Houellebecq | |
und der Frankfurter Schriftstellerin Minka Pradelski statt. | |
Bei Houellebecq verstieg sich Ulrich Mattes zu der Aussage, keine Religion | |
solle als solche kritisiert werden; was Thea Dorn mit Bezug auf Voltaire | |
zurückwies. Andererseits meinte Dorn, Tierliebhaber seien eher weniger auf | |
der politisch rechten Seite zu finden. Ein kleiner Besuch bei AfD-nahen | |
Demonstrierenden würde sie rasch vom Gegenteil überzeugen. Interessant war | |
auch, dass Dorn sich vehement für das Buch der 1947 in einem Lager für | |
Displaced Persons als Kind mit jüdischen Eltern geborenen Pradelski | |
einsetzte und dann immer schmallippiger wurde, je vehementer die rein auf | |
den Stil abzielende Kritik von Mattes gegen das Buch wurde. Hier fand | |
Mattes bei Eckhart Unterstützung, aber zu einem Skandal im Billerschen | |
Sinne reichte das alles nicht. | |
Insgesamt war das eine überraschend sachliche und genauso überraschend | |
unterhaltsame Sendung. Über das Outfit von Eckhart sei nur so viel gesagt: | |
Von einem Nazi-Look war sie, zumindest was die Kleidung betraf, weit | |
entfernt. | |
5 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
René Hamann | |
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