# taz.de -- Leichtere Anwerbung von Fachkräften: Erfahrung statt Zertifikate | |
> Das Kabinett will Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung beschließen. Die | |
> Diskussion vermischt sich mit der Debatte über Einbürgerungen. | |
Bild: Fachkräfte, wie diese Auszubildende in der Metallindustrie, werden dring… | |
BERLIN taz | Für Menschen, die einen Job suchen, soll es künftig leichter | |
werden, nach Deutschland zu kommen. Die Ampelregierung will am Mittwoch | |
Eckpunkte eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschließen. Demnach sollen | |
Verfahren beschleunigt, Hürden gesenkt und ein Punktesystem nach | |
kanadischem Vorbild eingeführt werden. Man wolle einen „Kulturwandel hin zu | |
einem – international konkurrenzfähigen – Einwanderungsland für Fachkräf… | |
auch aus Drittstaaten“. | |
Bislang beharrt Deutschland darauf, dass Arbeitsmigrant*innen aus | |
Drittstaaten nur herkommen dürfen, wenn sie eine Berufsqualifikation | |
nachweisen, die „gleichwertig“ zu einem hiesig erworbenen Abschluss ist – | |
und dann auch nur diesen Beruf ausüben. Das soll sich ändern: Wer eine | |
anerkannte Qualifikation hat, soll künftig auch anderen qualifizierten | |
Beschäftigungen nachgehen dürfen, solange es sich nicht um einen | |
reglementierten Beruf wie etwa Arzt handelt. Auch soll es leichter werden, | |
nur mit teilweiser Anerkennung einzureisen und den Rest der Prozedur dann | |
von Deutschland aus nachzuholen. | |
Und die Ampel geht noch weiter: Künftig soll es sogar Möglichkeiten geben, | |
ganz ohne einen hier anerkannten Abschluss nach Deutschland einzureisen. | |
Voraussetzung dafür ist eine mindestens zweijährige und nachweisbare | |
Erfahrung in jenem Beruf, der in Deutschland ausgeübt werden soll. Zwar | |
müssen die Betreffenden einen staatlich anerkannten Berufs- oder | |
Hochschulabschluss aus ihrem Heimatland vorlegen – die | |
Gleichwertigkeitsprüfung aber entfällt. | |
Deutlich leichter werden soll es auch, einzureisen und dann erst auf | |
Jobsuche zu gehen. Dafür will die Ampel eine sogenannte Chancenkarte mit | |
einem „transparenten unbürokratischen Punktesystem“ einführen. Wie genau | |
diese aussehen soll, und wie viele Punkte man für diese „Chance“ braucht, | |
dazu steht in den Eckpunkten noch nichts. Aber zu den Kriterien sollen | |
„Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und | |
Alter“ gehören. Wer einen anerkannten Abschluss hat, soll die Chancenkarte | |
in jedem Fall bekommen. | |
## Bedarf von 400.000 Arbeitskräften pro Jahr | |
[1][Anders als bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts] hat die FDP | |
diesmal keine Einwände. Deren Innenexperte Konstantin Kuhle nannte am | |
Dienstag das Fachkräfteeinwanderungsgesetz einen Schritt nach vorn. | |
Deutschland brauche mehr reguläre und weniger irreguläre Einwanderung. | |
Deshalb solle man zunächst über Einwanderung und erst danach über | |
Einbürgerung reden. | |
Der Berichterstatter der SPD-Fraktion für Fachkräfteeinwanderung und | |
Staatsangehörigkeit, Hakan Demir, rechnet auch von Seiten der Union kaum | |
mit Widerstand: „Wenn es um ökonomische Interessen und Arbeitskräfte geht, | |
sind Union und FDP in der Regel sehr zugeneigt.“ | |
Expert*innen zufolge braucht Deutschland jährlich rund 400.000 Arbeits- | |
und Fachkräfte aus dem Ausland, um den demografischen Wandel auszugleichen. | |
Demir betonte, es gehe nicht allein um gut qualifizierte IT-Spezialisten. | |
„Händeringend gesucht werden auch Lkw-Fahrer:innen, Köch:innen, aber auch | |
Hilfskräfte.“ | |
Gülistan Yüksel, SPD-Berichterstatterin für Integration, warnt davor, die | |
Themen Einbürgerung und Fachkräfteeinwanderung miteinander zu vermengen. | |
„Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, so Yüksel zur taz. Beim Thema | |
Einbürgerung gehe es insbesondere um Menschen, die seit Jahren in | |
Deutschland leben. Die Erleichterung von Einbürgerungen sei „dringend | |
geboten“. „Integration bedeutet für mich Teilhabe mit gleichen Rechten und | |
Pflichten. Dazu gehört auch politische Teilhabe“, so Yüksel. | |
Yüksel selbst kam im Alter von acht Jahren nach Deutschland, durfte aber | |
erst mit 35 Jahren zum ersten Mal wählen. Sie erwarte von der FDP | |
konstruktive Gespräche zur Umsetzung des Koalitionsvorhabens, sagte sie. | |
29 Nov 2022 | |
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[1] /Reform-des-Staatsangehoerigkeitsgesetzes/!5895269 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
Anna Lehmann | |
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