| # taz.de -- Kulturwissenschaftlerin über Windenergie: „Das hat etwas Krieger… | |
| > Georgiana Banita untersucht mediale Narrative über Windkrafträder. Deren | |
| > Potenzial werde noch immer verkannt – genauso wie die Gefahren des | |
| > Klimawandels. | |
| Bild: Reiter der Apokalypse oder Retter vor dem Weltuntergang? Windräder in Sa… | |
| taz: Frau Banita, Sie haben Texte großer deutscher Medienhäuser zum Thema | |
| Windkraftausbau analysiert und sind auf eine breite Front | |
| windkraftkritischer Positionen gestoßen. Die findet sich vermutlich bei den | |
| meisten Klimaschutzthemen. Warum haben Sie sich ausgerechnet das Thema | |
| Windkraft ausgesucht? | |
| Georgiana Banita: Ich finde, dass die Skepsis gegenüber der Windkraft in | |
| der Berichterstattung besonders ausgeprägt ist. Das liegt zum einen daran, | |
| dass Windkraftanlagen in der Landschaft sehr sichtbar sind. Viel sichtbarer | |
| als früher die Förderanlagen für Öl oder Kohle. Außerdem [1][erinnern sie | |
| uns daran, dass wir nicht einfach durch das Leben gehen und konsumieren | |
| können, wie wir wollen.] Anders als die Verheißungen der fossilen | |
| Infrastruktur bedeutet die Windenergieinfrastruktur für viele Menschen eher | |
| Verzicht. | |
| Ein Narrativ, das in kritischen Medienberichten gestützt wird? | |
| Ja. Es geht häufig darum, was wir durch den Ausbau von Windkraft weniger | |
| haben: weniger Wald und weniger schöne Landschaften zum Beispiel. Vor allem | |
| in der FAZ habe ich immer wieder festgestellt, dass Windräder wie | |
| Gewaltinstrumente in friedlicher Natur beschrieben werden – als würden sie | |
| die Landschaft mit ihren Rotorblättern zerfetzen. Das hat fast etwas | |
| Kriegerisches. | |
| Sie haben für Ihre Analyse neben der FAZ auch die Welt, den Spiegel und die | |
| Süddeutsche Zeitung herangezogen. Warum ausgerechnet diese vier Medien? | |
| Bei der FAZ und der Welt habe ich festgestellt, dass sie konsequent und | |
| sehr leidenschaftlich gegen den Ausbau der Windkraft schreiben. Das war | |
| fast eine Antiwindkraftkampagne. In der Süddeutschen und dem Spiegel findet | |
| man hauptsächlich windkraftbefürwortende Texte. Insgesamt habe ich mir | |
| Medien rausgesucht, die eher in der Mitte angesiedelt sind – da muss man | |
| ansetzen, wenn man einen Übergang zwischen dem alten und dem neuen Denken | |
| schaffen will. | |
| Welche Probleme haben Sie in dieser Mitte in Bezug auf die Debatte über | |
| Windkraft ausgemacht? | |
| Ich hatte damit gerechnet, dass man sich wenigstens darin einig ist, dass | |
| wir aufgrund des Klimawandels offensichtlich von den fossilen | |
| Energieträgern wegmüssen. Das war aber nicht der Fall. Beim Spiegel und der | |
| Süddeutschen findet man diesen Konsens zwar, dafür wird da nicht mehr | |
| ausreichend erklärt, warum wir die Energiewende überhaupt brauchen. | |
| Wie meinen Sie das? | |
| Meine ideale Vorstellung von einem Artikel über die Energiewende fängt zum | |
| Beispiel mit einem Bericht über die Waldbrände auf Hawaii an. Er ordnet | |
| also zunächst ein: Wo befinden wir uns auf der Skala der Entwicklung des | |
| Klimawandels gerade? Und dann: Was steht uns noch bevor? Erst daraus kann | |
| man ableiten, ob wir Windräder brauchen oder nicht. Wenn man das nicht | |
| einordnet, wiegen bestimmte Argumente viel zu schwer. | |
| Wie zum Beispiel? | |
| Zum Beispiel beim [2][Artenschutz.] Konservative Medien schaffen es, so | |
| emotional davon zu berichten, dass in 15 Jahren 9 Brutpaare des bedrohten | |
| Rotmilans, aus einem Bestand von 10.000 Tieren, durch Windräder getötet | |
| worden sind, dass das dramatisch klingt. Die Zahl der toten Vögel wird aber | |
| überhaupt nicht ins Verhältnis dazu gesetzt, wie viele Tiere durch das | |
| Voranschreiten des Klimawandels sterben werden, welche anderen Gefahren da | |
| noch auf uns zukommen und wie nützlich Windräder eigentlich sind, um diese | |
| Gefahren abzumildern. | |
| Neben Vogelschutz wird auch der bedrohte Wald gern als Argument gegen | |
| Windkraftausbau angeführt. | |
| Das stimmt. Da wird viel mit dem Bild vom Wald als Bestandteil der | |
| deutschen Kultur und Identität gearbeitet. Problematisch finde ich hier, | |
| dass der Wald zu einem nationalen Symbol erhoben wird. Wenn von Rodungen | |
| für Windräder die Rede ist, wird das in sehr vielen Texten dann als eine | |
| Art „Volksenteignung“ dargestellt. | |
| Nun ist es mit dem Wald ähnlich wie mit dem Artenschutz: Dass er nicht | |
| unnötig für Windräder geopfert wird, ist tatsächlich wichtig. Wie sollte | |
| man mit dem Thema umgehen? | |
| Der Spiegel oder die Süddeutsche gehen sehr sachlich damit um. Die | |
| kulturelle Bedeutung des Waldes wird anerkannt, stärker wird aber seine | |
| Rolle für den Klimaschutz betont. Insgesamt wird nicht so radikal und | |
| emotional argumentiert. Das lässt Platz für den Gedanken, dass sich der | |
| Wald, wie wir ihn kennen, verändern darf. Das wird er sowieso, wenn in | |
| Zukunft Waldbrände häufiger werden und [3][mehr klimaresiliente Baumarten] | |
| gepflanzt werden müssen. Und in einigen Gebieten werden eben Windräder im | |
| Wald stehen. | |
| Ob man das nun schön findet oder nicht. | |
| Was man schön findet, ist ja sehr subjektiv und kulturell geprägt. So wie | |
| auch die gesamte Debatte sehr aufgeladen ist mit subjektiven Einstellungen. | |
| Deshalb empfehle ich auch, sich die Mühe zu machen, die Fakten genauer zu | |
| recherchieren. Wenn man das Thema verhandeln will, muss man klar benennen | |
| können, was man weiß – aber natürlich auch, was man nicht weiß. Ich | |
| plädiere für einen gelassenen Umgang mit Ungewissheiten. | |
| Wie meinen Sie das? | |
| Ein Beispiel: Die Studienlage zu potenziellen Gesundheitsrisiken ist noch | |
| recht dünn. Das müssen sowohl windkraftkritische als auch befürwortende | |
| Texte benennen. In einer ungewissen Lage sollten sich Journalist*innen | |
| nicht einfach auf die Seite schlagen, die den eigenen vorgefassten | |
| Meinungen entspricht. | |
| Wie kann man Unsicherheiten benennen, ohne den Eindruck zu erzeugen, dass | |
| es Zweifel an der Notwendigkeit und Richtigkeit vom Windkraftausbau gibt? | |
| Ungewissheiten zu benennen birgt immer das Risiko, ein Gefühl von | |
| Handlungsunfähigkeit zu provozieren. Wichtig ist, dass verschiedene Risiken | |
| gegeneinander abgewogen werden. Es muss klar werden, dass wir potenzielle | |
| Risiken, die in Bezug auf die Windkraft noch nicht ganz ausgeleuchtet sind, | |
| erst mal eingehen sollten, da wir die Risiken des Klimawandels ziemlich gut | |
| kennen. Angesichts der Gefahren des Klimawandels noch mit ungestörter | |
| Idylle und Waldmythen zu argumentieren, ist einfach überholt. | |
| 25 Aug 2023 | |
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