# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Proteste gegen den Krieg | |
> Trotz eines Demonstrationsverbotes gehen Menschen in Russland gegen Krieg | |
> auf die Straßen. Die Polizei reagiert mit beispielloser Härte. | |
Bild: Festnahme einer Friedensdemonstrantin in Moskau, 24. Februar | |
MOSKAU taz | Demonstrationen gegen den Krieg in der Ukraine hatte der Kreml | |
wegen der „angespannten außenpolitischen Lage“ verboten. Wer sich in | |
Russland dennoch Protesten anschloss, müsse mit „ernsthaften | |
strafrechtlichen Folgen“ rechnen, teilte das Untersuchungskomitee mit. | |
[1][Viele Demonstrierende ließen sich dennoch nicht davon abhalten], ihr | |
Entsetzen über den Überfall der Russischen Föderation auf den Nachbarstaat | |
Ukraine kundzutun. | |
Immer wieder kam es im Zentrum Moskaus zu kleineren spontanen Versammlungen | |
meist jüngerer Leute gegen den Krieg – wie etwa in der Nähe der | |
Metrostation Kitai Gorod. „Njet woinoi“ skandierten sie, „keinen Krieg!�… | |
Das waren spontane Aktionen und Protestzüge, solange Sicherheitskräfte und | |
Nationalgarde den Protest noch nicht wahrnahmen. | |
Laut der Initiative „OVD-Info“, die Festnahmen landesweit registriert und | |
[2][bereits als „ausländischer Agent“] in Russland geführt wird, fanden am | |
ersten Tag der Invasion in der Ukraine Proteste in mehr als 50 russischen | |
Städten statt. | |
## „Geht raus und sagt, dass ihr gegen den Krieg seid“ | |
Menschenrechtlerin Marina Litwinowitsch wandte sich über den unabhängigen | |
Runfunksender Echo Moskau an die Bevölkerung: „Weint nicht und fürchtet | |
euch nicht. Geht raus und sagt, dass ihr gegen den Krieg seid“, sagte sie. | |
2.000 Demonstrierende waren in Moskau am Donnerstagabend auf die Straße | |
gegangen. Die Polizei hatte den Puschkin-Platz im Moskauer Zentrum | |
weiträumig abgesperrt. Die Demonstrant:innen bewegten sich in losen | |
Trauben um den Platz herum. Die Nationalgarde nahm trotzdem rund tausend | |
Menschen fest. Viele wurden aus der Menge herausgegriffen und in | |
Gefangenentransportern festgehalten. Auch Zuschauende waren vor den | |
Zugriffen nicht sicher. | |
Die stellvertretende Chefredakteurin Tatjana Felgenhauer von Echo Moskau | |
hatte sich unter die Demonstrierenden gemischt und berichtete vom | |
„beispiellos brutalen Vorgehen“ der Sicherheitskräfte. Auch in Sankt | |
Petersburg versammelten sich am Abend tausend Menschen im Stadtzentrum. | |
Etwa 300 Festnahmen werden aus Petersburg gemeldet. | |
In Jekaterinburg im Ural trafen sich ebenfalls Kriegsgegner und | |
-gegnerinnen. Auch in Perm, Kasan und anderen sibirischen Städten tauchten | |
sie am Abend auf. In Nowosibirsk gingen Demonstrant:innen zu | |
Ein-Mensch-Protesten auf die Straße. Insgesamt sollen bei Demonstrationen | |
in 58 Städten mindestens 1.800 Menschen festgenommen worden sein. Der | |
Großteil der Festnahmen entfiel jedoch auf Moskau und Sankt Petersburg. | |
Der Oppositionelle und kommunale Abgeordnete Ilja Jaschin meint dennoch, im | |
Vergleich zu früheren Protesten seien nur „wenige Menschen auf den Straßen�… | |
gewesen. Jaschin war Wegbegleiter [3][des russischen Oppositionspolitikers | |
Boris Nemzow, der im Februar 2015 in Moskau umgebracht wurde]. Im Anschluss | |
an den Mord veröffentlichte Jaschin in einer Broschüre zum Thema „Putin, | |
Krieg“ Beweise für die Schuld Russlands am Ukrainekrieg 2014, die Nemzow | |
gesammelt hatte. | |
## Opposition systematisch ausgeschaltet | |
[4][Seit der Inhaftierung Alexei Nawalnys im Januar 2021] wurde die | |
Opposition systematisch ausgeschaltet und in die Emigration getrieben. Das | |
hat deutliche Folgen für den öffentlichen Widerstand in Russland, sagte | |
Jaschin. | |
Viele russische Künstler, Künstlerinnen und bekannte Persönlichkeiten | |
wandten sich mit einer Resolution an die Öffentlichkeit, die den | |
Ukrainekrieg verurteilte. Unter ihnen waren etliche, die sich bislang mit | |
Kritik gegenüber der Kremlführung zurückhielten. Darunter der Musiker | |
Valeri Miladse und die Rockmusikerin Zemfira. Auch der Entertainer aus dem | |
ersten staatlichen russischen Fernsehen, Iwan Urgant, meldete sich zu Wort. | |
Nicht zuletzt erhoben auch Wissenschaftler:innen ihre Stimmen: Der | |
Krieg sei ein fataler Schritt, der die Grundlagen des internationalen | |
Systems untergrabe. Russland habe sich international isoliert. Diese | |
Isolation hätte zur Folge, dass sie sich nicht mehr mit Kolleg:innen im | |
Ausland verständigen könnten. Russland fehle es an positiven Perspektiven, | |
heißt es in einem Schreiben, das mehr als 200 Professor:innen und | |
Wissenschaftler:innen der Russischen Akademie der Wissenschaften | |
unterzeichneten. | |
Die Schriftsteller Boris Akunin, Dmitri Gluchowski und Dmitri Bykow | |
äußerten ebenfalls Protest. Auch die Schauspielerin Tschulpan Chamatowa, | |
die sich mit humanitären Projekten einen Namen machte, und der ehemalige | |
Journalist und Moderator Michail Sygar sind dabei. Letzterer arbeitete bis | |
2015 beim oppositionellen TV-Sender Doschd. | |
Der 80-jährige Menschenrechtler Lew Ponomarjow demonstrierte schon am | |
Wochenende in Moskau gegen den heraufziehenden Krieg. Auch er zählt für den | |
Kreml zu den „ausländischen Agenten“ – ein Titel, der für Oppositionelle | |
zugleich zu einer Art menschlichem Gütesiegel geworden ist. Ponomarjows | |
Antikriegspetition unterzeichneten bis Freitag bereits 444.113 Menschen. | |
Ihm droht eine Anklage wegen nicht genehmigter Aktionen. Auch dem | |
Internetjournalisten Juri Dud droht seit Freitag der Titel „ausländischer | |
Agent“. Einige seiner Dokumentationen erreichen ein Millionenpublikum. | |
In Nowosibirsk wurden am Donnerstag 20 Personen wegen Teilnahme an einer | |
nicht genehmigten Demonstration festgesetzt. Ein Student wurde verhaftet – | |
weil er die blau-gelbe Fahne der Ukraine ins Fenster gehängt hatte. | |
25 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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