# taz.de -- Krieg in Gaza: Ein bodenloser Plan | |
> Israel hat am Sonntag seine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet. Das | |
> Ziel könnte eine weitgehende Vertreibung der palästinensischen | |
> Bevölkerung sein. | |
Bild: Trauer um ein getötetes Kind nach einem Raketenangriff am Sonntag auf da… | |
Jerusalem taz | Während Israel und die Hamas in Katar noch verhandeln, | |
startete die israelische Armee eine seit Tagen erwartete Bodenoffensive im | |
Gazastreifen – begleitet von schweren Luftangriffen. Das Militär meldete am | |
Sonntag, die Truppen rückten in mehreren Bereichen vor. Mehr als einhundert | |
Menschen wurden laut palästinensischen Gesundheitsbehörden im Gazastreifen | |
bis Mittag bei Luft- und Artillerieangriffen getötet. Israels | |
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte entgegen bisheriger Aussagen, | |
Israel sei bereit, „die Kämpfe in Gaza zu beenden“, knüpfte dies jedoch an | |
Bedingungen, die die radikalislamistische Hamas bereits mehrfach ablehnte. | |
In den vergangenen Tagen trafen Luft- und Artillerieangriffe mehrfach | |
Krankenhäuser, darunter das Europäische Krankenhaus in Chan Yunis. Die | |
Klinik, die bisher eine zentrale Rolle bei medizinischen Evakuierungen im | |
weitgehend zerstörten Gesundheitssystem in Gaza spielte, [1][ist laut der | |
Weltgesundheitsorganisation WHO außer Betrieb]. | |
Außenminister Israel Katz erklärte am Sonntag, der Angriff auf das | |
Europäische Krankenhaus habe den Hamas-Anführer Muhammed Sinwar zum Ziel | |
gehabt. „Es gibt bisher keine offizielle Bestätigung, doch allen Anzeichen | |
zufolge wurde Muhammed Sinwar eliminiert“, sagte Katz. Sinwar war [2][nach | |
dem Tod seines Bruders Jahia Sinwar im Oktober] zum Anführer der Gruppe | |
aufgestiegen. | |
Bei der von Israel als „Gideons Streitwagen“ bezeichneten Operation stehe | |
an erster Stelle die „Niederlage der Hamas“, sowie die „Operative Kontrol… | |
über das Gebiet“, schreibt die Zeitung Haaretz unter Berufung auf ein | |
internes Armeedokument. Die Rückkehr der noch gut 20 lebenden israelischen | |
Geiseln kommt erst an sechster Stelle, nach der „Konzentration und Bewegung | |
der Bevölkerung“. | |
## UN-Vertreter sprechen von „ethnischer Säuberung“ | |
Aus Regierungskreisen hieß es vergangene Woche in israelischen Medien, der | |
Gazastreifen solle „eingenommen“ werden, die Armee dort eine „dauerhafte | |
Präsenz“ aufbauen. Die Zivilbevölkerung soll in den Süden des | |
Küstenstreifens vertrieben werden. Die Hamas soll durch militärischen Druck | |
dazu gebracht werden, ihre Waffen niederzulegen und die noch übrigen | |
Geiseln freizulassen – eine Strategie, die bisher trotz mehr als 53.000 | |
Toten in Gaza und der katastrophalen Lage der Zivilbevölkerung keines der | |
israelischen Kriegsziele erreichte. | |
Netanjahu zeigte mehrfach Sympathie [3][für den Plan von US-Präsident | |
Donald Trump], der die „freiwillige“ Ausreise eines Großteils der | |
Bevölkerung in andere Länder vorsieht. UN-Vertreter und andere sprechen vor | |
dem Hintergrund der Offensive und der vollständigen Blockade des | |
Küstenstreifens seit zehn Wochen von „ethnischer Säuberung“. | |
Mehrere israelische Regierungsminister haben sich darüber hinaus offen für | |
die Besiedlung von Gaza ausgesprochen. Der rechtsextremistische | |
Finanzminister Bezalel Smotrich forderte, Israel müsse Gaza „vollständig | |
zerstören“ und die Bevölkerung in einem kleinen Bereich „konzentrieren“. | |
Einem Bericht der britischen Sunday Times zufolge plant Israel, das Gebiet | |
in drei zivile Gebiete um Chan Yunis, Deir al Balah und Gaza-Stadt zu | |
teilen, die von militärischen Sperrzonen getrennt werden. Bereits jetzt hat | |
Israel das für Zivilisten zugängliche Gebiet von der Größe der Stadt Bremen | |
massiv verkleinert. Rund 70 Prozent gelten als Evakuierungs- oder | |
Sperrzonen. | |
Die Angriffe treffen eine ausgehungerte Bevölkerung. UN-Nothilfekoordinator | |
Tom Fletcher warnte vor einer drohenden Hungersnot im Gazastreifen und | |
forderte eine Wiederaufnahme der Hilfslieferungen. Israel bestreitet | |
entgegen der Mehrheit der Hilfsorganisationen weiterhin Berichte über | |
Hunger und Mangelernährung und wirft der Hamas vor, sich Hilfslieferungen | |
zum eigenen Vorteil anzueignen. | |
## Auch Deutschland kritisiert Israel | |
Stattdessen soll eine private Hilfsorganisation künftig von einer Handvoll | |
Verteilstationen aus die Bevölkerung in Gaza versorgen. Die vor allem im | |
Süden geplanten Einrichtungen sollen von israelischen Truppen und privaten | |
US-Sicherheitsfirmen abgesichert werden. Hilfsorganisationen haben den Plan | |
als nicht umsetzbar und potentiell völkerrechtswidrig abgelehnt und wollen | |
sich daran nicht beteiligen. Die von den USA unterstützte private | |
Hilfsorganisation hat jüngst selbst eingestanden, nur einen Teil der | |
Bedürftigen in Gaza erreichen zu können. Zudem kann die Arbeit demnach | |
frühestens Anfang Juni beginnen. | |
International hat Israels Offensive heftige Kritik ausgelöst. Das | |
Auswärtige Amt in Berlin nannte Israels Vorgehen einen Grund zu tiefer | |
Sorge, sowohl mit Blick auf die strategischen Ziele als auch für die | |
humanitäre Lage in Gaza. Derartige Mahnung haben bei der israelischen | |
Führung seit Kriegsbeginn aber zu wenig mehr als Schulterzucken geführt. | |
Hoffnungen, die Offensive noch zu stoppen, lagen stattdessen bei Trump. | |
Beobachter hatten zuletzt zunehmende Spannungen zwischen ihm und Netanjahu | |
vermutet, nachdem er Israel bei seiner ersten Reise in die Region | |
vergangene Woche nicht besuchte. | |
Trump sagte am Freitag jedoch lediglich: „Wir werden uns um Gaza kümmern, | |
viele Menschen dort hungern“, ließ aber offen, was er damit meinte. | |
Stattdessen befeuerte er neue Spekulationen zu der von ihm ins Spiel | |
gebrachten Deportation von Palästinensern in andere Staaten, als er in | |
Katar davon sprach, Gaza zu einer „Zone der Freiheit“ zu machen. | |
In die seit Monaten festgefahrenen Verhandlungen über einen | |
Waffenstillstand in Katar kommt indes Bewegung: Die Hamas hat laut | |
Medienberichten einem Vorschlag für eine 60-tägige Waffenruhe im Austausch | |
gegen neun Geiseln sowie die Freilassung palästinensischer Gefangener | |
zugestimmt. Netanjahu stellte ein Ende des Krieges in Aussicht, forderte | |
dafür aber von der Hamas, ihre Waffen niederzulegen und ins Exil zu gehen. | |
Bereits in der Vergangenheit waren Verhandlungen aber daran gescheitert, | |
dass die Hamas ihre Entwaffnung ablehnt und Netanjahu den Krieg nicht | |
beenden will, solange die Hamas in Gaza an der Macht bleibt. | |
18 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
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