# taz.de -- Gaza-Krieg: Ausgeliefert in Gaza | |
> Israel lässt minimale Hilfe in den Gazastreifen. 22 Länder protestieren | |
> deswegen. Drei Länder drohen Israel erstmals mit Sanktionen. | |
Bild: Vertriebene Palästinenser im östlichen Chan Junis: ein israelisches Flu… | |
Kairo taz | Es ist, als habe Israel in den letzten Tagen eine unsichtbare | |
rote Linie überschritten. Netanjahus Ankündigung, wieder „minimale | |
Hilfslieferungen“ zuzulassen, sei „vollkommen unzureichend“, heißt es in | |
einer Erklärung Frankreichs, Großbritanniens und Kanadas. Dort wird nicht | |
nur ein Ende der Offensive gefordert – sondern auch, dass in Zusammenarbeit | |
mit der UNO, gemäß humanitärer Prinzipien, wieder ausreichend | |
[1][Hilfsgüter in den Gazastreifen] kommen. Wenn das nicht geschehe, werden | |
konkrete Aktionen angedroht und selbst Sanktionen nicht ausgeschlossen. 22 | |
Länder, darunter Deutschland, haben eine weitere, weniger scharfe Erklärung | |
unterzeichnet. „Genehmigen Sie unverzüglich die vollständige Wiederaufnahme | |
von Hilfslieferungen in den Gazastreifen und ermöglichen sie es den | |
Vereinten Nationen und den humanitären Organisationen, unabhängig und | |
unparteiisch ihre Arbeit zu verrichten, um Leben zu retten“, heißt es dort | |
ohne Androhung von Konsequenzen. | |
Das internationale Guthaben des guten Willens gegenüber Israel scheint | |
langsam aufgebraucht, obwohl Netanjahu doch nun erstmals nach zweieinhalb | |
Monaten Totalblockade wieder Hilfslieferungen zulässt. Das liegt zunächst | |
an der Quantität der Hilfslieferungen. In Netanjahus Ankündigung selbst war | |
von „minimaler Hilfe“ die Rede. „Wir sollten nicht die Situation einer | |
Hungersnot erreichen, aus praktischen und diplomatischen Gründen“, sagte | |
er. | |
[2][Nach dieser Ankündigung lies die israelische Armee] am Abend nach | |
unterschiedlichen Meldungen fünf bis neun Lkws in den Gazastreifen. Nach | |
UN-Angaben wären am Tag 500 Lkws nötig, um die Bevölkerung mit dem | |
Nötigsten zu versorgen. Aufgrund des internationalen Drucks hat Israel der | |
UN am Dienstag versprochen, 100 Lkws hineinzulassen. Aber auch das ist | |
nicht genug. „Wir müssten Gaza mit Hilfslieferungen überfluten“, erklärte | |
der UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten, Tom Fletcher. | |
Netanjahu erklärte, dass die wenigen zugelassenen Hilfslieferungen | |
weitergehen, bis ein Plan in Kraft treten soll, der auch von der | |
US-Regierung unterstützt wird, laut dem das israelische Militär und private | |
Firmen bis Ende des Monats mehrere Verteilungszentren für Hilfslieferungen | |
aufbauen sollen. Diese sollen von privaten Sicherheitsdiensten gesichert | |
werden, die die Hilfslieferungen auch in den Gazastreifen begleiten sollen. | |
Verhindert werden soll dadurch, dass die Lieferung von der Hamas gestohlen | |
werden. Das Thema sei nie signifikant gewesen, betonen internationale | |
Hilfsorganisationen und bestreiten den Vorwurf, der auch von israelischer | |
Seite nicht als wesentlich gilt. Künftig soll die neu gegründete, bisher | |
unbekannte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) die Hilfslieferungen | |
koordinieren. | |
## Was immer geplant ist, ist zu wenig | |
Deren Leiter, James Wood, ein Militär-Veteran der US-Marines, spricht in | |
einem Interview mit der US-Fernsehstation CNN davon, dass bis Ende des | |
Monats drei Verteilungszentren im südlichen und eines im zentralen | |
Gazastreifen geplant seien. Die UNO hatte bereits davor gewarnt, dass die | |
Auswahl der Örtlichkeiten als ein Teil des vom israelischen | |
Verteidigungsminister Israel Katz verkündeten Planes sein könnte, die | |
Bevölkerung aus dem Norden in den Süden zu vertreiben. | |
Etwas, das Wood vehement abstreitet. Er spricht davon, dass 30 Tage, | |
nachdem die Arbeit der Verteilung begonnen hat, auch zwei Zentren im Norden | |
entstehen sollen. Klar ist, was immer geplant ist, es ist zu wenig. Im | |
Moment plant die Organisation, in den ersten 90 Tagen operativ zu sein. Man | |
werde versuchen, 60 Prozent der Bevölkerung zu versorgen. Bei der UNO und | |
anderen internationalen Hilfsorganisationen trifft dieser Plan auf heftige | |
Kritik. Der UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten, Fletcher, | |
erklärte, dass keine Zeit mit alternativen Plänen zur Versorgung der | |
Menschen in Gaza verschwendet werden solle. | |
Laut dem ägyptischen Roten Halbmond warten derzeit über 1.200 beladene Lkws | |
auf der ägyptischen Seite auf die israelische Genehmigung. | |
Hilfsorganisationen warnen auch davor, dass die wenigen Verteilzentren dazu | |
führen werden, dass Menschen lange und gefährliche Wege in Kauf nehmen | |
müssen, um an Nahrungsmittel zu gelangen, wenn sie aufgrund ihres | |
körperlichen Zustandes überhaupt dazu fähig sind. | |
Frühere UN-Hilfslieferungen nutzten ein dichtes Verteilungsnetz im | |
Gazastreifen. Das neue System mit wenigen Ausgabestellen könne zur | |
Entvölkerung ganzer Gebiete führen, warnt Shaina Low vom Norwegian Refugee | |
Council. Die Hilfslieferungs-Weißwasch-Pläne Netanjahus, die bisher auch | |
von der US-Regierung unterstützt werden, werden auch in der von Kanada, | |
Großbritannien und Frankreich gezeichneten Erklärung kritisch gesehen, die | |
auch Sanktionen gegen Israel androhe. | |
Das könne nur in Zusammenarbeit mit der UN geschehen und dabei müsse | |
sichergestellt werden, dass die Hilfslieferung in Übereinstimmung mit | |
humanitären Prinzipien verlaufen, heißt es dort. Noch ausführlicher geht | |
die von Deutschland unterschrieben Erklärung darauf ein. „Berichten zufolge | |
hat Israels Sicherheitskabinett ein neues Konzept für die Lieferung von | |
[3][Hilfsgütern nach Gaza] gebilligt, das die UN und unsere humanitären | |
Partner nicht mittragen können“, heißt es dort. | |
Auf Anfrage der taz, warum sich Bundeskanzler Friedrich Merz nicht an die | |
schärfere Erklärung der Staatschefs Frankreichs, Großbritannien und Kanada | |
angeschlossen hat, die Israel mit Sanktionen droht, erklärte | |
Regierungssprecher Stefan Kornelius, dass der Bundeskanzler vor der | |
Erklärung der drei Staatschefs weder angefragt worden war, noch sei diese | |
mit ihm abgesprochen worden. Friedrich Merz zeige sich aber zunehmend | |
besorgt über die humanitäre Lage in Gaza. | |
20 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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