# taz.de -- +++ Krieg in Nahost +++: Westliche Regierungschefs warnen Netanjahu | |
> Seit Langem kommen wieder Hilfsgüter im Gazastreifen an – aber eben nur | |
> ein Bruchteil des Nötigen. Israels neue Offensive verschärft die Lage. | |
Bild: Der Gazastreifen liegt nach anderthalb Jahren Krieg in Schutt und Asche | |
## Konkrete Maßnahmen angekündigt | |
Angesichts des Vorgehens der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen und | |
der andauernden Notlage der Zivilbevölkerung wächst der internationale | |
Druck auf Regierungschef Benjamin Netanjahu. Nach Angaben einer | |
israelischen Behörde erreichten zwar erstmals seit fast drei Monaten wieder | |
Hilfsgüter das abgeriegelte Küstengebiet – aber nur in minimaler Menge. | |
Gleichzeitig läuft Israels neue Militäroffensive weiter. Die Staats- und | |
Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Kanada sprachen am | |
Montagabend von einer „völlig unverhältnismäßigen“ Eskalation – und | |
richteten eine Warnung an Netanjahus Regierung. | |
„Sollte Israel die [1][erneute Militäroffensive] nicht einstellen und die | |
Beschränkungen der humanitären Hilfe nicht aufheben, werden wir mit | |
weiteren konkreten Maßnahmen reagieren“, teilten Frankreichs Präsident | |
Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer sowie sein | |
kanadischer Amtskollege Mark Carney mit. | |
Netanjahu konterte, dass Israel nicht von seinen Kriegszielen abrücken und | |
„sich weiterhin mit gerechten Mitteln verteidigen“ werde, „bis der | |
vollständige Sieg errungen ist“. Was das bedeutet, hatte Netanjahu am | |
Montag ausgeführt: „Wir werden die [2][Kontrolle über alle Gebiete des | |
Gazastreifens] übernehmen.“ Israelische Soldaten sollen nach seiner | |
Vorstellung künftig in Gaza stationiert bleiben. Die Islamistenorganisation | |
Hamas will Netanjahu komplett zerschlagen lassen. (dpa) | |
## UN zu Hilfslieferungen: „Tropfen auf heißen Stein“ | |
Nach Angaben der für Palästinenserangelegenheiten zuständigen israelischen | |
Behörde Cogat erreichten am Montag fünf Lastwagen mit Hilfsgütern das dicht | |
besiedelte Küstengebiet über den Grenzübergang Kerem Schalom. Israel will | |
so nach eigenen Angaben eine Grundversorgung sicherstellen und eine | |
Hungersnot im großflächig zerstörten Gazastreifen verhindern, wo es rund | |
zwei Millionen Palästinensern nach mehr als anderthalb Jahren Krieg an so | |
gut wie allem fehlt. | |
Aus Sicht der UN und Hilfsorganisationen sind [3][diese Lieferungen aber | |
bei weitem nicht ausreichend]. UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher sagte, | |
die Genehmigung einer Wiederaufnahme von „begrenzten“ Hilfen durch Israel | |
sei zwar eine „willkommene Entwicklung“, die weitergehen müsse. „Aber di… | |
ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu dem, was dringend | |
benötigt wird.“ | |
Nach Angaben der UN hatten am Montag insgesamt neun Lastwagen die Erlaubnis | |
der israelischen Behörden erhalten, nach Gaza einzufahren. Da die | |
Cogat-Behörde von fünf Lastwagen sprach, war zunächst nicht klar, weshalb | |
die anderen von den UN genannten Lastwagen doch nicht nach Gaza gelangten. | |
(dpa) | |
## Bundesregierung und 20 weitere Länder appellieren an Israel | |
Vor Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 hatten rund 500 Lastwagen | |
täglich Waren in das Küstengebiet transportiert. UN-Sprecher Stéphane | |
Dujarric betonte denn auch, dass die Hilfslieferungen nach wie vor | |
unzureichend seien und Hunderte Lastwagen benötigt würden. „Natürlich sind | |
neun Lastwagen besser als gar keine Lastwagen, aber wir brauchen einen | |
massiven Anstieg der humanitären Hilfe, wir brauchen einen massiven Zustrom | |
von Lebensmitteln, von Speiseöl, von Treibstoff, um diesen Bedarf zu | |
decken.“ | |
In einem gemeinsamen Appell an Israel forderten die Außenminister von | |
Deutschland und rund 20 weiteren Geberländern, deutlich mehr | |
Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu erlauben. „Ermöglichen Sie den | |
Vereinten Nationen und den humanitären Organisationen, unabhängig und | |
unparteiisch zu arbeiten, um Leben zu retten, Leiden zu lindern und die | |
Würde zu wahren“, heißt es in dem vom Auswärtigen Amt in Berlin | |
veröffentlichten Schreiben. (dpa) | |
## Fast dreimonatige Blockade beendet | |
Seit Anfang März hatte Israel keine Hilfslieferungen mehr in den | |
Gazastreifen gelassen. Als Begründung führte Netanjahus Regierung an, dass | |
die Hamas die Hilfsgüter gewinnbringend weiterverkaufe, um Terroristen und | |
Waffen für ihren Kampf gegen den jüdischen Staat zu bezahlen. Am Sonntag | |
kündigte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten dann überraschend | |
an, doch wieder Hilfslieferungen in das Gebiet zuzulassen. | |
Nach einer fast dreimonatigen Blockade waren dann nach israelischen Angaben | |
zuvor erstmals wieder Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung im | |
Gazastreifen angekommen. Zunächst erreichten demnach allerdings nur fünf | |
Lastwagen den Küstenstreifen. (dpa) | |
## Paris, London und Ottawa drohen Israel wegen Gaza-Offensive | |
Israel nimmt weiterhin den Gazastreifen ins Visier, während Millionen vor | |
dem Hungertod stehen. Drei Regierungschefs machen jetzt klar: Das ist keine | |
Selbstverteidigung mehr. | |
Die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Kanada | |
haben Israels Vorgehen im Gaza-Krieg als „völlig unverhältnismäßige“ | |
Eskalation kritisiert und eine Warnung ausgesprochen. „Sollte Israel die | |
erneute Militäroffensive nicht einstellen und die Beschränkungen der | |
humanitären Hilfe nicht aufheben, werden wir mit weiteren konkreten | |
Maßnahmen reagieren“, teilten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der | |
britische Premier Keir Starmer sowie sein kanadischer Amtskollege Mark | |
Carney mit. | |
„Das menschliche Leid in Gaza ist unerträglich“, hieß es in der | |
Stellungnahme weiter. Die Ausweitung der Angriffe auf den teils bis zur | |
Unkenntlichkeit zerstörten Küstenstreifen lehne man entschieden ab. Man | |
werde „nicht tatenlos zusehen, während die Netanjahu-Regierung diese | |
ungeheuerlichen Maßnahmen fortsetzt“. Welche Konsequenzen die drei Länder | |
konkret in Erwägung ziehen, blieb offen. | |
Zudem wandten sich die drei Politiker gegen den weiteren Siedlungsbau im | |
Westjordanland. Man erwäge „gezielte Sanktionen“. | |
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisierte die Stellungnahme | |
der drei Staats- und Regierungschefs: Sie böten einen „riesigen Preis für | |
den völkermörderischen Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 und laden | |
gleichzeitig zu weiteren solchen Gräueltaten ein“, schrieb der | |
Regierungschef bei X. Israel werde nicht von seinen Kriegszielen abweichen | |
und „sich weiterhin mit gerechten Mitteln verteidigen, bis der vollständige | |
Sieg errungen ist“. | |
In einem gemeinsamen Appell fordern die Außenminister von Deutschland und | |
rund 20 weiteren Geberländern Israel auf, deutlich mehr Hilfslieferungen in | |
den Gazastreifen zu erlauben. „Ermöglichen Sie den Vereinten Nationen und | |
den humanitären Organisationen, unabhängig und unparteiisch zu arbeiten, um | |
Leben zu retten, Leiden zu lindern und die Würde zu wahren“, heißt es in | |
dem vom Auswärtigen Amt in Berlin veröffentlichten Schreiben. (dpa) | |
## Außenminister: Neuer Mechanismus untergräbt Rolle der UN | |
Mit Blick auf einen umstrittenen geplanten neuen Mechanismus der Verteilung | |
von Hilfsgütern vor Ort heißt es in der Stellungnahme, dieser gefährde die | |
Begünstigten und die Helfer, untergrabe die Rolle und die Unabhängigkeit | |
der UN und der zuverlässigen Partner und verknüpfe humanitäre Hilfe mit | |
politischen und militärischen Zielen. „Humanitäre Hilfe darf niemals | |
politisiert werden, und die palästinensischen Gebiete dürfen weder | |
verkleinert noch demografischen Veränderungen unterworfen werden.“ | |
Berichten zufolge sollen Güter mit dem neuen Mechanismus nur noch von | |
wenigen Standorten im Gazastreifen aus verteilt werden. Die UN hatte den | |
neuen Mechanismus kritisiert, unter anderem weil Zivilisten auf dem Weg zu | |
den Verteilungszentren ins Kreuzfeuer geraten und etwa Alte und Kranke | |
diese erst gar nicht erreichen könnten. Israels Ministerpräsident Benjamin | |
Netanjahu betonte, dass die ersten Zentren in den kommenden Tagen ihren | |
Betrieb aufnehmen würden. | |
Unterzeichnet wurde das Statement vom deutschen Außenminister und seinen | |
Amtskollegen etwa aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Australien, | |
Kanada und den Niederlanden. (afp) | |
## Großoffensive im Gazastreifen | |
Bei Angriffen Israels auf Ziele im Gazastreifen hat es palästinensischen | |
Angaben zufolge wieder viele Tote gegeben. Seit der Nacht seien 60 Menschen | |
ums Leben gekommen, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa am | |
Morgen. Israels Militär habe in verschiedenen Gebieten des umkämpften | |
Küstenstreifens Angriffe geflogen. | |
Zwölf Menschen sind dem Bericht zufolge in der Stadt Deir al-Balah im | |
Zentrum des Gazastreifens getötet worden. Weitere Tote habe es in Chan | |
Yunis im Süden des Gebiets, in Nuseirat sowie in der Nähe der Stadt Gaza | |
gegeben, meldete Wafa unter Berufung auf medizinische Kreise im | |
Gazastreifen. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. | |
Seit Tagen fliegt die israelische Luftwaffe im Zuge der neuen Großoffensive | |
massive Angriffe auf Ziele in Gaza. Inzwischen sind dort auch Bodentruppen | |
im Einsatz. In den vergangenen Tagen waren aus dem Küstengebiet bereits | |
täglich Dutzende Tote gemeldet worden. Israel erklärtes Ziel ist es, die | |
islamistische Terrororganisation Hamas zu zerschlagen sowie die | |
verbliebenen Geiseln freizubekommen. (dpa) | |
## Pro-iranische Huthis drohen mit „Seeblockade“ von nordisraelischem Hafen | |
Haifa | |
Die Huthis im Jemen haben mit einer „Seeblockade“ des nordisraelischen | |
Hafens Haifa gedroht. Die islamistische Miliz werde „damit beginnen, eine | |
Seeblockade des Hafens von Haifa durchzusetzen“, erklärte | |
Huthi-Militärsprecher Jahja Saree am Montag. Alle Unternehmen mit Schiffen, | |
die sich in diesem Hafen befänden oder dorthin führen, würden „hiermit | |
davon in Kenntnis gesetzt, dass der genannte Hafen ab dem Zeitpunkt dieser | |
Ankündigung“ auf der Huthi-Zielliste stehe. Zur Begründung führte der | |
Sprecher Israels militärisches Vorgehen im Jemen und im Gazastreifen an. | |
Die vom Iran unterstützen Huthis im Jemen haben Israel seit Beginn des | |
Krieges im Gazastreifen immer wieder mit Raketen und Drohnen angegriffen. | |
Die meisten Geschosse werden von der israelischen Luftabwehr zerstört. | |
Anfang Mai war auf dem Gelände des Ben-Gurion-Flughafens aber eine Rakete | |
in der Nähe eines Terminalgebäudes eingeschlagen, es gab mehrere Verletzte. | |
Die israelische Armee hatte als Reaktion auf die Angriffe aus dem Jemen in | |
den vergangenen Monaten mehrere Huthi-Ziele im Jemen angegriffen. | |
Die Huthis kontrollieren einen Großteil des Bürgerkriegslands Jemen, | |
darunter auch die Hauptstadt Sanaa. Sie gehören neben der Hisbollah im | |
Libanon und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas im | |
Gazastreifen zu der vom Iran angeführten und gegen Israel und die USA | |
gerichteten „Achse des Widerstands“. Deren erklärtes Ziel ist die | |
Vernichtung Israels. (afp) | |
20 May 2025 | |
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