# taz.de -- Konflikt um „Areal Ratiborstraße 14“: Kreuzberger Mischung ble… | |
> Der Bezirk hatte geplant, auf dem Gelände eine Unterkunft für 500 | |
> Geflüchtete zu bauen. Nach Protesten fällt diese nun kleiner aus. | |
Bild: Auf dem Gewerbehof Ratiborstraße:Tischlerin Miriam Demmelhuber und zwei … | |
Gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten statt Massenunterkünfte – im Streit | |
um den geplante Bau einer Modularen Unterkunft für Flüchtlinge (MUF) auf | |
dem Areal der Ratiborstraße 14 in Kreuzberg zeichnet sich eine Lösung | |
zwischen Bezirk, Senat und Nutzer*innen ab. Statt der Schaffung der | |
ursprünglich geplanten 500 MUF-Plätze und der damit einhergehenden | |
Verdrängung der bisherigen Nutzer*innen sieht eine vom Bezirk in Auftrag | |
gegebene Machbarkeitsstudie nun eine deutlich reduzierte Anzahl an Plätzen | |
vor, die eine gemeinsame Nutzung durch Geflüchtete und Gewerbetreibende | |
ermöglicht. | |
Das drei Hektar große Gelände am Dreiländereck – wie die Grenze zwischen | |
den Bezirken Kreuzberg, Neukölln und Treptow genannt wird – ist eine der | |
wenigen verbleibenden Freiflächen in Kreuzberg. | |
Doch das Areal ist alles andere als eine leere Brache, es ist ein | |
Rückzugsort für Handwerksbetriebe, die im durchgentrifizierten Kiez kein | |
Platz mehr finden. „Viele von uns sind schon woanders in Kreuzberg | |
rausgeflogen“, erklärt Moritz Metz, der auf dem Gelände eine kleine | |
Werkstatt hat, von der aus er eine Bastelradiosendung produziert. Aufgrund | |
hoher Gewerbemieten und Lärmbelästigungsbeschwerden gebe es in Kreuzberg | |
kaum noch Handwerk, so Metz. Rund 80 Arbeitsplätze gibt es derzeit auf dem | |
Gelände, aber auch einen Biergarten, eine Kita und einen Wagenplatz. | |
Als im März vergangenen Jahres der Senat die Bezirke dazu verpflichtete, je | |
1.000 neue Plätze für die kurzfristige Unterbringung von Geflüchteten durch | |
den Bau von MUFs zu schaffen, gab es Aufregung. Neben einem Standort an der | |
Alten Stralauer Straße sollten auch [1][auf dem Gelände der Ratiborstraße | |
500 Plätze in Form von in Schnellbauweise gefertigten MUF-Wohnblöcken | |
entstehen]. Platz für die bisherigen Nutzer*innen war nicht vorgesehen. | |
„Niemand spricht sich hier gegen die Unterbringung von Geflüchteten an dem | |
Standort aus“, erklärt Frieder Rock, Mitautor der Machbarkeitsstudie, die | |
Problematik. „Andererseits wurden die Handwerker hier schon mal vertrieben | |
und ein einzigartiger Naturraum soll erhalten werden.“ | |
## „Wir wollen eine gute Lösung“ | |
Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Verdrängung der bisherigen | |
Nutzer*innen, sondern auch gegen die Politik des Senats, Geflüchtete in | |
Massenunterkünften unterzubringen. „Unabhängig vom Standort ist 500 eine | |
verrückte Zahl“, so Rock, „das wird ein Getto für sich.“ Eine Integrati… | |
in den Kiez wäre so kaum möglich, zumal mit dem Bau der MUFs keine | |
entsprechende Infrastruktur neu geschaffen würde. Franziska Ebeler, | |
Anwohnerin und Mitgründerin der Nachbarschaftsinitiative „Ratibor14“, sieht | |
das ähnlich: „Wir wollen eine gute Lösung für die neue und alte | |
Nachbarschaft.“ | |
Nachbar*innen und Nutzer*innen erarbeiteten gemeinsam Alternativen. Ihr | |
Vorschlag: Eine auf 100 bis 150 reduzierte Anzahl an Plätzen – dafür | |
bleiben das bestehende Kleingewerbe und der Wagenplatz erhalten. Zwischen | |
den Wohneinheiten und den Handwerksbetrieben soll eine Pufferzone aus | |
sozial genutzten Räumen entstehen. „Die Handwerksbetriebe könnten als | |
Lehrwerkstätten zur Integration der Geflüchteten beitragen“, schlägt Metz | |
vor. | |
Viele der Ideen fanden Eingang in die im Juli von Bezirksstadtrat Florian | |
Schmidt (Grüne) in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie, die am Montag | |
vorgestellt wurde. Schmidt diskutierte unter anderem mit Vertretern der | |
Senatsverwaltung über die Zukunft des Areals. | |
„Es gibt viele Konsenspunkte“, fasst Schmidt gegenüber der taz zusammen. | |
Die kurzfristige Unterbringung von Geflüchteten soll ermöglicht werden, das | |
vorhandene Gewerbe soll dabei gesichert werden und eine integrative | |
Funktion übernehmen. Alle beteiligten Akteure sollen dafür weiterhin | |
miteinander kooperieren. „Damit hat das Areal Modellcharakter“, so Schmidt. | |
## Weg von Massenunterkünften | |
Daniel Tiez (Linke), Staatssekretär für Integration, ist dem Projekt | |
gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen, verwies aber darauf, dass die | |
Forderungen des Senats umgesetzt werden müssten: „Wir haben weiterhin einen | |
sehr hohen Bedarf an Unterbringungsplätzen“, sagte Tiez der taz. | |
Ob die Vorschläge der Machbarkeitsstudie realisiert werden können, hängt | |
vor allem davon ab, ob Friedrichshain-Kreuzberg in der Lage sein wird, | |
rechtzeitig notwendige Ergänzungsflächen zu finden. Insgesamt prüfe man | |
derzeit sieben weitere Standorte. „Wir sind ein verdichteter Bezirk“, | |
erklärt Schmidt, „aber wir gucken flexibel in alle Richtungen.“ | |
Generell wolle man weg von Massenunterkünften, hin zu einer dezentralen, | |
partizipativen Struktur für Geflüchtete, so Schmidt. Ähnlich sieht es | |
Franziska Ebeler: „Wir fordern ein integratives, auf Dauer angelegtes | |
Wohnen, die Schaffung von echtem Wohnraum abgestimmt auf vorhandene | |
Infrastruktur.“ | |
1 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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