# taz.de -- Areal Ratiborstraße 14 droht das Aus: Senat verkauft die Fläche | |
> Eigentlich sollte ein Vorzeigeprojekt für gemischtes Wohnen von | |
> Geflüchteten, Anwohner*innen, eine Kita und lokales Handwerk entstehen. | |
Bild: Knifflige Aufgabe auf dem Ratiborgelände: Ob man die Bruchstellen zwisch… | |
BERLIN taz | Frieder Rock wirkt nicht ganz überzeugt, als er die | |
gemeinschaftlich erstellte Machbarkeitsstudie für die zukünftige | |
Entwicklung des Areals an der Ratiborstraße 14 vorstellt. „Die ganze | |
Situation hat sich bereits ein Stück verändert“, erklärt der Handwerker vom | |
Quartierhandwerk vorab am Mittwochabend vor dem Ausschuss für | |
Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen im Kreuzberger Rathaus. | |
Das drei Hektar Große Gelände in Kreuzberg hatte bis vor kurzem gute | |
Aussichten zu einem Vorzeigeprojekt für die Unterbringung von Geflüchteten | |
zu werden. Doch nun kündigte die Senatsverwaltung für Finanzen überraschend | |
an, dass die gesamte Fläche an die Berlinovo Grundstücksentwicklungs GmbH | |
(BGG) gehen soll. | |
Vor allem Nutzer*innen und Aktivist*innen sehen durch den Verkauf die | |
Zukunft des Modellprojekts gefährdet. „Wir können uns nicht vorstellen, | |
dass eine gemeinwohlorientierte Nutzung mit der BGG funktioniert“, | |
befürchtet Moritz Metz von der Nutzer*innen-Initiative Ratibor 14. | |
Berlinovo sei zwar ein landeseigenes Unternehmen, arbeite aber vor allem | |
profitorientiert. Daher zweifelt Metz daran, dass Berlinovo das Gelände zu | |
langfristig günstigen Konditionen vermieten könne, die für den Erhalt der | |
ansässigen Handwerksbetriebe nötig wären – „wir müssen sehen, dass wir … | |
Ende nicht weggentrifiziert werden“. | |
Zudem ist die BGG, die das Gelände nach dem Willen der Senatsverwaltung für | |
Finanzen übernehmen soll, bisher ausschließlich für den Bau von Wohnheimen | |
für Geflüchtete und Studierende verantwortlich. Vermietung von | |
Gewerbeflächen und Grünanlagen gehörten bisher nicht dazu. „Dass wirft eine | |
ganze Reihe von Fragen auf“, so Rock, „ob die BGG überhaupt in der Lage | |
ist, so eine Fläche zu verwalten“. | |
## Protest gegen zentrale Unterbringung Geflüchteter | |
Dabei schien eine Lösung für den fast seit einem Jahr andauernden Streit | |
über die Zukunft der Freifläche greifbar. Anfang vergangenen Jahres | |
schockierte die Ankündigung des Bezirks die Nutzer*innen – vor allem | |
Handwerksbetriebe, aber auch eine Kita und einen Wagenplatz – auf dem | |
Gelände eine Modulare Flüchtlings Unterkunft (MUF) mit 500 Plätzen | |
errichten zu wollen. Kritik kam nicht nur von den Handwerksbetrieben, für | |
die es im gentrifizierten Kreuzberg keine Ausweichflächen mehr gibt, | |
sondern auch von der Nachbarschaft. Nicht, weil die geflüchteten Menschen | |
unerwünscht seien, sondern weil eine zu große MUF mit 500 Plätzen eine | |
Integration in den Kiez unmöglich mache. | |
Es folgten Runde Tische und Verhandlungen zwischen der Senatsverwaltung für | |
Integration und Soziales, Bezirk, Nutzer*innen- und | |
Nachbarschaftsinitiativen. Dabei zeichnete sich ein Konsens ab, auf dem | |
Gelände nur die Hälfte der Geflüchteten unterzubringen und für die | |
fehlenden Plätze mehrere Ausweichflächen im Bezirk zu nutzen. Die | |
Handwerksbetriebe sollten bleiben können und gleichzeitig zur Integration | |
der Geflüchteten beitragen. Ergebnis war auch die im Juli in Auftrag | |
gegebene Machbarkeitsstudie. „Bisher schien das alles ganz gut“, so Metz. | |
Dass die Senatsverwaltung für Finanzen nun das gesamte Gelände im | |
Alleingang an die BGG veräußern will, überrascht auch den Bezirk | |
Friedrichshain-Kreuzberg. „Dafür gab es kein Konsens im Senat“, sagte | |
Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) während der Ausschusssitzung und fügte | |
hinzu: „einem kompletten Ankauf durch die Berlinovo werde ich mich | |
entgegenstellen“. | |
Die am Mittwoche vorgestellte Planung sah verschiedene Varianten vor, wie | |
das bisher bundeseigene Gelände zwischen Land und Bezirk aufzuteilen wäre. | |
Die Senatsverwaltung für Finanzen äußerte dagegen auf taz-Anfrage: „Ziel | |
ist es, zunächst das gesamte Areal zu erwerben, um möglichst kurzfristig | |
dem Bedarf an MUF gerecht zu werden.“ Eine weitere Teilung des Grundstücks | |
sei nicht im Sinne des Prozesses. | |
## Initiative fordert ein Umdenken | |
Auch die Befürchtungen hinsichtlich einer Verdrängung scheinen nicht ganz | |
unberechtigt: Gemischte Nutzung ist zwar laut Senatsverwaltung durchaus | |
„möglich und gewünscht“, jedoch „unterliegen Kauf und die Entwicklung | |
wirtschaftlichen Kriterien. Mieten müssen grundsätzlich den Kaufpreis | |
rechtfertigen.“ | |
Ein weitere Kritikpunkt bleibt das MUF-Konzept des Senats, dass eine | |
Doppelbelegung von Zimmern vorsieht. Über Jahre hinweg bedeute der fehlende | |
Rückzugsraum eine enorme psychische Belastung für die Geflüchteten, erklärt | |
Franziska Ebeler von der Nachbarschaftsinitiative. Der Wohnungsmarkt ließe | |
keine kurzfristige Unterbringung zu, stattdessen sollte Menschen dort | |
längerfristig unter guten Bedingungen wohnen können. „Wir haben einen | |
Dissens darüber, was menschenwürdiges Wohnen bedeutet“, so Ebeler. | |
Ihre Initiative fordert ein Umdenken hin zu dezentralen, langfristigen und | |
integrativen Konzepten zur Unterbringung von Geflüchteten. Die Hoffnung | |
bleibt, dass die Ratiborstraße 14 Teil davon wird. | |
21 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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