| # taz.de -- Protest für die Ratibor14 in Kreuzberg: Nebulöse Perspektive | |
| > Die Finanzverwaltung will ein Areal in Kreuzberg nun womöglich doch nicht | |
| > kaufen. Eine Initiative fürchtet die Verdrängung von Gewerbe und | |
| > Wagenplatz. | |
| Bild: Protest für den Erhalt der Ratibor14 vor dem Roten Rathaus in Mitte | |
| Berlin taz | Dichte Kunstnebelschwaden ziehen vorbei am Seiteneingang des | |
| Roten Rathauses. Am frühen morgen haben sich rund 50 Handwerker*innen und | |
| Unterstützer*innen der Initiative Areal Ratibor 14 versammelt, um für den | |
| Erhalt ihres bedrohten Werkshofes in Kreuzberg zu demonstrieren. „Keine | |
| Gentrifizierung durch die Hintertür!“, fordert ein Aktivist in einem | |
| Redebeitrag. In die zustimmenden Rufe und Pfiffe der Demonstrant*innen | |
| stimmt eine Trompete ein. | |
| Mit dem morgendlichen Spektakel hoffen die Demonstrant*innen die | |
| Senator*innen auf ihrem Arbeitsweg zu erreichen. Denn von ihrer | |
| Entscheidung wird auch die Zukunft der Nutzer*innen des Areals an der | |
| Ratiborstraße 14 abhängen. | |
| „Es herrscht großer Frust bei allen“ schildert der Sprecher der Initiative | |
| Areal Ratibor 14, Moritz Metz, mit maskierten Gesicht die Situation. „Das | |
| Ziel war, Geflüchteten und verdrängten Handwerksbetrieben Raum zu geben, | |
| aber bisher ist nichts passiert.“ | |
| Die drei Hektar große Fläche an der Dreiländereck genannten Grenze der | |
| Bezirke Treptow, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln wird derzeit vor | |
| allem von Handwerksbetrieben, aber auch von einer Kita, einem Wagenplatz | |
| und einem Biergarten genutzt. | |
| Anfang 2018 überraschte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die | |
| Nutzer*innen mit der Ankündigung, auf dem Gelände eine MUF – eine | |
| sogenannte Modulare Unterkunft für Flüchtlinge – mit 500 Plätzen errichten | |
| zu wollen. Schnell entwickelte sich Protest. Statt Massenunterkunft und | |
| Verdrängung einer der letzten Gewerbeflächen in Kreuzberg forderten die | |
| Nutzer*innen die Integration von Handwerk, Geflüchteten und Kultur. | |
| ## Von einer „Kreuzberger Mischung“ war die Rede | |
| In langwierigen Gesprächen mit Bezirk und Senat wurde die Idee eines | |
| „Modellprojekts“ für die [1][Unterbringung von Geflüchteten] entwickelt. | |
| Nicht wenige Einwände der Aktivist*innen, die insgesamt vier detaillierte | |
| Konzepte entwickelten, wurden berücksichtigt: Die Zahl der MUF-Plätze wurde | |
| auf 250 Plätze reduziert, das angestammte Gewerbe sollte erhalten werden. | |
| Immer wieder war die Rede von der „Kreuzberger Mischung“, die auf dem | |
| Gelände wieder aufleben sollte. | |
| Ursprünglich geplant war, dass die Senatsverwaltung für Finanzen dafür das | |
| Gelände vom Bund erwirbt. Ein Teil des Geländes sollte an das | |
| [2][landeseigene Wohnungsbauunternehmen Berlinovo] gehen, die dort die MUF | |
| errichten will. Auf der verkleinerter Fläche von rund 10.000 Quadratmetern | |
| sollten der Wagenplatz und die Handwerker*innen zusammenrücken. Dafür wurde | |
| eigens die Genossenschaft Ratibor 14 e.G. gegründet, die das Gelände | |
| dauerhaft vom Senat in einem Erbpachtvertrag mieten sollte. | |
| Doch die Aktivist*innen fürchten nun, dass die Senatsverwaltung für | |
| Finanzen den Kauf des Geländes abbrechen will, womöglich um eine | |
| Nachnutzung der MUF durch Luxuswohnungen zu ermöglichen. Dabei berufen sich | |
| die Aktivist*innen auf interne Informationen. Auf Anfrage teilte die | |
| Senatsverwaltung für Finanzen der taz mit, es geben diesbezüglich noch | |
| keine Entscheidung, die Verhandlungen liefen noch. | |
| Die unklare Situation bedeutet für die dort ansässigen Handwerksbetriebe | |
| vor allem weiterhin Unsicherheit: „Wir würden eigentlich gerne | |
| [3][ausbilden dieses Jahr]“, erklärt Livius Härer. Der Tischlermeister hat | |
| eine Werkstatt mit drei Angestellten auf dem Gelände. „Doch wie es jetzt | |
| aussieht, müssen wir am Ende des Jahres vom Gelände.“ Auch notwendige | |
| Investitionen könne er nicht tätigen. „Wir fordern deshalb zu erst einmal | |
| ein Verlängerung der im Dezember auslaufenden Mietverträge.“ | |
| Am Dienstagmorgen singt im Kunstnebel eine Opernsängerin vor dem Roten | |
| Rathaus, ihr Auftritt ist Teil der Protestaktion. Eine schwarze | |
| Mercedes-Limousine fährt vorbei, die Insassen sind unbeeindruckt. Wie sich | |
| die Senator*innen entscheiden, bleibt nebulös. | |
| 19 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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