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# taz.de -- Klimaschädliche Biokraftstoffe: Schlimmer als Diesel und Benzin
> Einer Studie im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe zufolge schaden
> Biokraftstoffe dem Klima mehr als sie nutzen. Der Biokraftstoffverband
> widerspricht.
Bild: Auch wenn Sprit aus Raps Biokraftstoff heißt, ist er nicht ökologisch, …
Berlin taz | Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert den sofortigen Ausstieg
aus Biokraftstoffen für Fahrzeuge. Denn Biokraftstoffe aus Pflanzen sind
nach ihrer Auffassung aufgrund des hohen Flächenverbrauchs klimaschädlicher
als herkömmlicher Sprit. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Organisation
in Auftrag gegebene Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung
Heidelberg (ifeu). Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB)
weist das scharf zurück. „Die DUH-Forderungen auf Basis einer
unterkomplexen Studie sind für den Klimaschutz kontraproduktiv“, sagte
VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann.
Der Hintergrund: Die Europäische Union schreibt vor, Diesel oder Benzin
einen bestimmten Prozentsatz an Kraftstoffen beizumischen, die einen
geringeren CO2-Ausstoß haben. Das sind zurzeit vor allem die auch als
Agrokraftstoffe bezeichneten Biokraftstoffe. Deutschland hat die EU-Vorgabe
mit der Einführung einer [1][sogenannten Treibhausgasminderungsquote]
umgesetzt. Mineralölkonzerne müssen zurzeit eine Quote von 6 Prozent
erfüllen. Das können sie, indem sie Kraftstoff mit Beimischungen etwa aus
Pflanzen versehen oder andere Energieträger wie Strom, Erdgas oder
Wasserstoff vertreiben. Bis 2030 soll die Quote auf 25 Prozent steigen.
Allein in Deutschland wird der ifeu-Studie zufolge [2][für Agrokraftstoffe]
auf 460.000 Hektar vor allem Raps angebaut, aber auch Getreide, Mais oder
Zuckerrüben. Weltweit werden 1,2 Millionen Hektar für den Anbau von
Pflanzen genutzt, aus denen Biokraftstoffe für den deutschen Markt
hergestellt werden. Die Studienautor:innen haben für einen Zeitraum
von 30 Jahren berechnet, was eine Renaturierung der Flächen bringen würde.
Sie kommen zu dem Ergebnis, dass pro Jahr im Schnitt 16,4 Millionen Tonnen
CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden könnten, wenn auf einer Fläche in
der Größe der heutigen Anbaufelder eine natürliche Vegetation wie Wälder
wachsen würde. Das wären laut DUH 7,2 Millionen Tonnen CO2 mehr, als die
Nutzung von Agrokraftstoffen in Deutschland im Jahr 2020 an Reduktion der
klimaschädlichen Emissionen gebracht hat. Ein Ausstieg würde nach Angaben
von Studienautor Horst Fehrenbach den Spritpreis nicht weiter nach oben
treiben, weil Agrokraftstoffe teurer sind als herkömmliche.
Allerdings will die DUH kein Zurück zu mehr fossiler Kraftstoffnutzung,
sondern ein schnelles Ende des Verbrennerautos und den Umstieg auf
E-Fahrzeuge. Der Strom dafür ist weitaus umweltfreundlicher zu gewinnen als
Agrokraftstoffe. „Die Erzeugung von Solarstrom ist viel effizienter“, sagte
Fehrenbach. Für die gleiche Kilometerleistung wie die von Agrokraftstoffen
würde bei der Produktion von Solarstrom 97 Prozent weniger Fläche
gebraucht.
## Kritik von der Biokraftstoffindustrie
„Der Anbau von Pflanzen für die Produktion von sogenannten Bio-Kraftstoffen
schadet dem Klima und der biologischen Vielfalt“, sagte DUH–Geschäftsführ…
Sascha Müller-Kraenner. Der Ausstieg aus Agrokraftstoffen schaffe sofort
eine spürbare Flächenentlastung. „Fruchtbares Ackerland muss für die
naturverträgliche Nahrungsmittelproduktion priorisiert und geeignete
Flächen, wie etwa entwässerte Moore, müssen konsequent für Renaturierung
zur Verfügung gestellt werden“, forderte er.
Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie greift die DUH scharf an.
„Rohstoffe für Biokraftstoffe dürfen nicht auf Flächen angebaut werden, die
nach 2007 entwässert worden sind“, sagte VDB-Geschäftsführer Baumann. „D…
Umwelthilfe sollte sich mit der geltenden Gesetzgebung auseinandersetzen,
bevor sie Forderungen nach der Abschaffung einer der wenigen wirksamen
Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr aufstellt.“ Auch wenn das Ziel der
Bundesregierung erreicht werde, dass bis 2030 in Deutschland 15 Millionen
E-Autos unterwegs sind, blieben noch 30 Millionen Verbrenner-Pkws auf den
Straßen. „Dieser Fahrzeugbestand kann in den nächsten Jahren nur mit
nachhaltig produzierten Biokraftstoffen klimafreundlicher fahren“, sagte
er. Biokraftstoffe mindern nach seinen Angaben den Treibhausgasausstoß im
Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um 67 bis über 90 Prozent.
Das grün geführte Bundesumweltministerium dagegen sieht Biokraftstoffe
ebenfalls kritisch. Viele leisten auch aus Sicht des Ministeriums keinen
Beitrag zum Klimaschutz. Unter der früheren Bundesumweltministerin Svenja
Schulze (SPD) wurde der Anteil der Biokraftstoffe aus Nahrungs- und
Futtermitteln an der Treibhausgasminderungsquote auf maximal 4,4
Prozent eingefroren. „Das ist weniger als der Status quo, der im Jahr 2020
bei 5,3 Prozent lag“, sagte ein Sprecher. Die Nutzung [3][sogenannter
fortschrittlicher Kraftstoffe], etwa aus altem Frittierfett oder Gülle,
soll forciert werden. Das extrem umweltschädliche Palmöl ist als
Biokraftstoff ab 2023 verboten.
23 Feb 2022
## LINKS
[1] /Beschluss-zu-Klimaschutz-im-Verkehr/!5802242
[2] /Erneuerbare-Energien-im-Verkehr/!5745097
[3] /Energiewende-in-Ostdeutschland/!5750772
## AUTOREN
Anja Krüger
## TAGS
Deutsche Umwelthilfe
Klima
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Nachhaltigkeit
Palmöl
Verkehr
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