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# taz.de -- Klimaklage in der Schweiz: Inselchen gegen Zement-Giganten
> Vier Indonesier*innen verklagen die Firma Holcim wegen ihrer hohen
> Mitschuld am Klimawandel. Sie wollen Schadensersatz und Klimaschutz
> erzwingen.
Bild: Indonesische Aktivist:innen klagen gegen Holcim, einen der größten Zeme…
Berlin taz | Vier Indonesier*innen ziehen am Mittwoch vor Gericht, um
den Schweizer Zementhersteller Holcim für deren Mitschuld am Klimawandel
zur Verantwortung zu ziehen. Die vier Bewohner*innen der Insel Pari
wollen, dass Holcim ihnen Schadenersatz sowie Unterstützung bei der
Anpassung an die Erderhitzung zahlt und seine CO2-Emissionen deutlich
verringert.
Holcim ist einer der größten Zementproduzenten der Welt und hat [1][laut
Berechnungen des Projekts CarbonMajors] zwischen 1990 und 2023 3,2
Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen, 0,18 Prozent aller Treibhausgasemissionen
aus fossilen Brennstoffen und der Zementproduktion seit der
Industrialisierung.
Die Kläger*innen-Seite macht Holcim in seiner über 100-jährigen Geschichte
sogar für 0,42 Prozent der industriellen CO2-Emissionen verantwortlich –
doppelt so viel wie die gesamte Schweiz.
Die Kläger*innen wohnen auf der indonesischen Insel Pari, die vom
steigenden Meeresspiegel infolge der Erderhitzung bedroht wird.
Überschwemmungen häufen sich, die den Lebensunterhalt der vier
Inselbewohner*innen gefährden.
Ibu Asmania berichtet, dass ihre Algenfarm zerstört und ihre Fischfarm nach
Überschwemmungen von Öl und anderen Schadstoffen stark beschädigt worden
sei. Arif Pujiantos Holzhaus habe nach einer Überschwemmung zu faulen
begonnen, auch sein Brunnen sei aufgrund des steigenden Meeresspiegels
versalzen.
## Schweizer Gesetz schützt Recht auf Leib und Leben
Gemeinsam mit Pak Bobby und Edi Mulyono verklagen sie Holcim auf Grundlage
des Schweizer Zivilgesetzbuches: „Wer in seiner Persönlichkeit
widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der
Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.“
Die Schweizer Rechtsprechung habe in diesen Artikel bestimmte Grund- und
Menschenrechte hineingelesen, erklärt Theresa Mockel, die für das European
Center for Constitutional and Human Rights (ECCR) die Klage unterstützt. In
diesem Fall gehe es um das Recht auf Privat- und Familienleben sowie deren
persönliche Freiheit und körperliche Unversehrtheit, ihr wirtschaftliches
Fortkommen und das Recht auf Leben.
„Das Argument ist: Durch die Emissionen Holcims werden die Rechte der
Kläger*innen verletzt, also muss Holcim diese Emissionen verringern“,
sagt Mockel. Nach Schweizer Recht müsse zudem der Verursacher von solchen
Rechtsverletzungen Kompensationen zahlen und Maßnahmen ergreifen, um die
Rechtsverletzung zu beseitigen – also sich an Schutzmaßnahmen beteiligen.
So kommen die drei Forderungen zustande: Emissionsreduktion,
Schadensersatz, Unterstützung bei der Klimaanpassung.
Holcim hätten sich die Kläger*innen als Ziel ausgesucht, weil das
Unternehmen zum Zeitpunkt der Klage der größte Zementproduzent der Welt
war, sagt Mockel. Die Zementindustrie insgesamt stieß 2024 dem Global
Carbon Budget zufolge etwa vier Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus.
## Klage ähnelt der gegen RWE
Die Klage der vier Indonesier*innen ähnelt der des peruanischen
Bergbauern Saúl Luciano Lliuya, der RWE ebenfalls zivilrechtlich verklagt
hatte, weil die Erderhitzung die Gefahr einer Überschwemmung seiner
Heimatstadt erhöhe.
Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte zwar, dass RWE grundsätzlich wegen
ihres Beitrags zum Klimawandel zu Schadensersatz verurteilt werden könne.
Es sah aber nicht als erwiesen an, dass die konkrete Gefahr für Lliuyas
Haus groß genug ist, [2][um den Konzern in diesem konkreten Fall zu
verurteilen].
Der Prozess zog sich über acht Jahre, unter anderem weil das Gericht, die
Anwält*innen und Gutachter*innen nach Peru reisten. Einen
vergleichbaren Aufwand erwartet Mockel auch für den anstehenden Prozess vor
dem Kantonsgericht Zug.
Am Mittwoch wird jedoch zuerst verhandelt, ob das Gericht die Klage
überhaupt zulässt. Holcim verteidigt sich mit seinen hohen Investitionen in
die CO2-Verringerung und hält die Politik und nicht Gerichte für die
Begrenzung von CO2-Emissionen für zuständig.
„[3][In der überwiegenden Zahl der Fälle] haben Gerichte weltweit
entschieden, dass Recht existiert, um es auch auf neue Fälle anzuwenden“,
sagt Mockel. Wenn das Gericht in Zug die Klage nicht zulässt, „wäre das ein
großer Ausreißer“. Mit einer Entscheidung in dieser Sache wird am Mittwoch
noch nicht gerechnet.
3 Sep 2025
## LINKS
[1] https://carbonmajors.org/Entity/HolcimGroup-67
[2] /Klima-Urteil-des-OLG-Hamm/!6090870
[3] /Weltweite-Klimaklagen/!6096530
## AUTOREN
Jonas Waack
## TAGS
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