# taz.de -- Kein Google Campus in Berlin-Kreuzberg: Google gibt klein bei | |
> Google gibt den Protesten im Kiez nach und verzichtet auf seinen | |
> Startup-Campus. Stattdessen sollen Sozialunternehmen dort einziehen. | |
Bild: Besetzung des Google Campus in Kreuzberg | |
BERLIN taz | Es ist eine Kapitulation. Google hat seine Pläne aufgegeben, | |
im Kreuzberger Umspannwerk am Paul-Lincke-Ufer einen Startup-Campus | |
einzurichten. Seit langem hatten sich große Teile des Kiezes gegen diese | |
Landnahme gewehrt, zuletzt Anfang September, als stadtpolitische | |
AktivistInnen das im Umbau befindliche Gebäude [1][besetzten]. | |
[2][Die Mitteilung, die Google zusammen mit den Nachnutzern am Mittwoch | |
veröffentlichte], klingt freilich nicht nach einer Niederlage. Googles | |
Konzernsprecher für Startups, Rowan Barnett, sagt dort: „Ziel unseres | |
Engagements in Kreuzberg war es von Anfang an ein Angebot zu schaffen, das | |
der Gemeinschaft zugute kommt und diesem vielfältigen Kiez gerecht wird.“ | |
Eine Kapitulation im Nebel von Marketingsalven. | |
Statt einer Schmiede für Startups soll das Umspannwerk nun zu einem „Haus | |
für soziales Engagement“ werden. Die Spendenplattform Betterplace und die | |
Sozialgenossenschaft Karuna werden gemeinsam die Organisation des Gebäudes | |
übernehmen und zum Teil selbst in dem Haus arbeiten. Betterplace etwa will | |
eine „Vernetzungsstelle gegen Hatespeech“, Karuna die Redaktion der | |
Straßenzeitung [3][Karuna Kompass, Nachfolgerin des Strassenfegers], dort | |
unterbringen. | |
Mit der Übergabe des Hauses verpflichtet sich Google die Kosten für Umbau, | |
Ausstattung, Miete und Nebenkosten für fünf Jahre zu tragen. | |
Google-Sprecher Ralf Bremer sagte im Gespräch mit der taz, Google habe | |
gelernt, dass Kreuzberg „nicht der richtige Ort für reinen Startup-Campus“ | |
sei. Bei unzähligen Gesprächen sei der „riesige Bedarf an Flächen für | |
Nonprofit-Organisationen“ deutlich geworden, sowie die „Sorge, dass sich | |
die Umgebung noch schneller verändern und Mieten noch schneller steigen | |
könnten“. | |
Google bleibt Mieter der Flächen, gibt die Kontrolle aber gänzlich ab. | |
Bremer sagte: „Wir glauben, dass hier etwas entsteht, das über die fünf | |
Jahre Bestand haben wird.“ Es gäbe keine Pläne danach wieder einzusteigen. | |
Eine Umsetzung des Campus-Konzepts anderswo in der Stadt sei nicht geplant. | |
## Proteste mit Wirkung | |
„Das es in eine so konsequente Richtung geht, ist für uns ein großes | |
Geschenk“, sagt Betterplace-Sprecherin Carolin Silbernagl im Gespräch mit | |
der taz. Sowohl die „sichtbaren Proteste“ als auch die Verzögerungen beim | |
Umbau – ursprünglich sollte der Google Campus im September seine Türen | |
öffnen – hätten die Gespräche mit Google ermöglicht. | |
Der Konzern sei auf sie zugekommen und habe nach den „Bedarfen im Kiez | |
gefragt“, so Silbernagl. „Wir haben ihnen die Kritik an einem reinen | |
Startup Hub mitgegeben“, so die Sprecherin des ehemaligen Startups, das | |
2007 ans Netz gegangen ist und seinen Hauptsitz in der Schlesischen Straße | |
hat. Über die zuletzt verhärteten Fronten im Kiez sagt Silbernagl: „Ich | |
hoffe, dass wir mit dieser Übergabe einen Neustart haben in der | |
Auseinandersetzung um das Gebäude.“ | |
Seit Google 2016 seine Pläne angekündigt hatte, in Kreuzberg den weltweit | |
siebten Campus zu eröffnen, schlug ihnen aus der Nachbarschaft [4][Protest | |
entgegen]. Mindestens vier Anti-Google-Initiativen waren zuletzt aktiv. | |
Kritisiert wurde Googles Rolle als Überwachungsmaschinerie, vor allem aber | |
die vermuteten Folgen: Die weiter beschleunigte Aufwertung des Kiezes durch | |
die Ansiedlung immer neuer Startups und der damit verbundene Zuzug von | |
Gutverdienern. In unzähligen Aktionen, Demos und Veranstaltungen wurde | |
Googles Versuch, sich als „guter Nachbar“ zu präsentieren, widersprochen. | |
## Politik ist uneins | |
Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) sagte in | |
einer Mitteilung, Google sei „auf die Forderungen von Politik und | |
Nachbarschaft eingegangen“. Er „begrüße diesen Schritt und hoffe, dass | |
andere große und mittlere Unternehmen diesem Beispiel folgen“. Der | |
Fraktionschef der FDP im Abgeordnetenhaus sagte: „Die Umwandlung des | |
geplanten Google-Campus in Kreuzberg in eine Begegnungsstätte ist nicht | |
mehr als schöngeredete Resignation.“ Er nannte den Schritt eine „fatale | |
Botschaft an alle zukünftigen Unternehmen und Investoren“. | |
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die den Google Campus einst als | |
„willkommene Initiative, die zur blühenden Startup-Szene der Stadt passt“, | |
bezeichnet hatte, sprach nun von „interessanten Plänen“ und der | |
„zunehmenden Bedeutung von sozial und ökologisch orientierten Unternehmen“. | |
Die neuen Nutzer wollen nun mit der Nachbarschaft ins Gespräch kommen. | |
Dafür soll der Baucontainer gegenüber des Eingangs am Landwehrkanal | |
demnächst zwei mal wöchentlich geöffnet werden. Silbernagel will das Haus, | |
besonders die großzügigen Kellerräumlichkeiten für „soziale Unternehmen, | |
politische und Nachbarschaftsinitiativen“ zur Verfügung stellen. Diese | |
sollen für geringe Gebühren Konferenzräume oder auch ein Tonstudio anmieten | |
können. Sie spricht von einer „Infrastruktur, die sonst nur Unternehmen zur | |
Verfügung steht“. Das Ziel ist die Eröffnung im April. | |
24 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] /!5534051/ | |
[2] https://www.betterplace.org/c/neues/uploads/haus.betterplace.org/pressemitt… | |
[3] /!5516928/ | |
[4] /Archiv-Suche/!5529742&s=Google+Campus/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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