# taz.de -- Karlsruhe prüft Suizidhilfe-Verbot: Sterben im Verfassungsgericht | |
> Das Verfassungsgericht verhandelt über das Verbot organisierter | |
> Suizidhilfe. Befürworter und Gegner berufen sich auf Selbstbestimmung. | |
Bild: Hände einer verstorbenen Frau | |
KARLSRUHE taz | Unverhältnismäßig oder nicht? Das Bundesverfassungsgericht | |
prüft an diesem Dienstag und Mittwoch die neue Strafvorschrift gegen die | |
„geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“. Geklagt hatten | |
Sterbehilfevereine, Ärzte und Schwerkranke. | |
Einer der Kläger ist der Verein Sterbehilfe Deutschland des ehemaligen | |
Hamburger CDU-Justizsenators Roger Kusch. Von der Gründung 2009 bis zum | |
Inkrafttreten des neuen Gesetzes 2015 hat der Verein rund 250 Mitglieder | |
bei der Selbsttötung begleitet. Die Vereinsmitglieder zahlen dafür derzeit | |
9.000 Euro Aufnahmegebühr. Kusch betonte in Karlsruhe, er verdiene damit | |
kein Geld. | |
Auf Wunsch der Richter schilderte Kusch die derzeit blockierte Tätigkeit | |
des Vereins: „Wir haben den Mitgliedern den Kontakt zu fachkundigen Ärzten | |
vermittelt.“ Ein Arzt musste zunächst feststellen, ob der Todeswunsch | |
freiverantwortlich und plausibel ist. Eine tödliche Krankheit war nicht | |
erforderlich. Dann schrieb der Arzt ein Rezept für drei Medikamente, die | |
zusammen einen schmerzfreien, ruhigen Tod ermöglichen. Der Arzt holte die | |
Medikamente aus der Apotheke, übergab sie dann aber Angehörigen oder | |
Ehrenamtlichen. Eingenommen hat sie der Sterbenswillige letztlich selbst. | |
Selbsttötung ist in Deutschland straflos. Bis 2015 war auch die Beihilfe | |
dazu generell straffrei. Seitdem ist jedoch die „geschäftsmäßige“ Beihil… | |
strafbar. Profitinteressen sind dabei nicht erforderlich, es genügt die | |
wiederholte Hilfe. | |
## „Interessen einer religiösen Minderheit“ | |
Sozialstaatssekretärin Kerstin Griese (SPD) war eine Initiatorin des | |
Gesetzes und verteidigte es in Karlsruhe. „Die Selbsttötung sollte nicht zu | |
einer normalen Dienstleistung werden.“ Alte Menschen könnten sich sonst | |
gedrängt fühlen, von dieser Dienstleistung Gebrauch zu machen, aus Sorge, | |
dass sie ihren Angehörigen oder der Allgemeinheit zur Last fallen. „Das | |
Angebot schafft auch bei der Suizidhilfe eine Nachfrage“, argumentierte der | |
CDU-Abgeordnete Michael Brand. | |
Mit dem Schutz der Selbstbestimmung argumentierten aber auch die Kläger. Es | |
gebe ein „Recht auf ein selbstbestimmtes Ende“, betonte der Anwalt Michael | |
Putz. Es seien in der Regel „stolze, selbstbewusste Menschen“, die dies | |
einfordern. Der Philosoph Michael Schmidt-Salomon argumentierte: „80 | |
Prozent der Bevölkerung sind für Selbstbestimmung am Lebensende. Das | |
Strafgesetz vertritt nur die Interessen einer kleinen religiösen | |
Minderheit.“ Es sei absurd, dass man sich ausgerechnet beim Sterben nur von | |
Laien helfen lassen darf und professionelle Hilfe verboten werde. | |
Doch wie frei verantwortlich sind Suizidwünsche tatsächlich? Der Psychiater | |
Clemens Cording warnte: „90 Prozent der Suizide sind Folge von psychischen | |
Krankheiten wie Depressionen.“ Ähnlich argumentierte auch SPD-Frau Griese: | |
„Ein Suizid drückt nicht den Wunsch nach dem Tod aus, sondern den Wunsch | |
nach Hilfe.“ Deshalb habe der Bundestag auch die Palliativmedizin | |
ausgebaut. Die Menschen bräuchten „Hilfe beim Sterben, nicht Hilfe zum | |
Sterben“. | |
Ludwig Minelli von der Schweizer Organisation Dignitas sieht sich auch als | |
Suizid-Verhinderer: „Nur wer den Freitod als Möglichkeit akzeptiert, | |
erreicht Sterbenswillige und kann mit ihnen über die Lösung ihrer Probleme | |
sprechen.“ Nur die Hälfte derjenigen, die von Dignitas das „provisorische | |
grüne Licht“ erhalten, nutze die angebotene Freitod-Begleitung auch. Die | |
Karlsruher Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt. Das Urteil soll in | |
einigen Monaten folgen. | |
16 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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