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# taz.de -- Kampf um Arbeitskräfte: Viertagewoche im Rathaus
> Die Stadtverwaltung in Wedel bietet den Beschäftigten an, nur 4 Tage die
> Woche zu arbeiten. Sie ist damit bundesweit die erste.
Bild: Wer nur vier Tage arbeitet, kann am fünften Tag ins Museum gehen
Wedel taz | Jörg Amelung dürfte aktuell der gefragteste Mitarbeiter im
Rathaus von Wedel sein: Nicht nur Medien von ARD bis taz rufen ihn an,
sondern auch Kolleg*innen aus anderen Stadtverwaltungen. Denn im Rathaus
der 34.000-Personen-Stadt nordwestlich von Hamburg gilt demnächst die
Viertagewoche – es ist die bundesweit erste Stadtverwaltung, die diesen Weg
beschreitet. „Wir haben da ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Amelung. „So
weisen wir darauf hin, dass wir ein moderner und guter Arbeitgeber sind.“
Der Kampf um Beschäftigte habe längst die öffentlichen Verwaltungen
erreicht, sagt Amelung, der für das Personalmanagement im Wedeler Rathaus
zuständig ist. „Wir haben Mangel in allen Bereichen.“ Besonders
Führungskräfte seien schwer zu halten: „Die Fluktuation nimmt zu, gerade
unter den Jüngeren.“ Der Kampf um die Köpfe führt bereits dazu, dass sich
Verwaltungen gegenseitig Leute abwerben.
Amelung, Jahrgang 1958, hat die Zeiten erlebt, in denen Dutzende
Interessierte für sichere Behördenjobs Schlange standen. Das sei lang
vorbei: „Im öffentlichen Dienst gehen in den nächsten Jahren 1,3 Millionen
Leute in den Ruhestand – bei wachsenden Aufgaben. Inzwischen müssen wir uns
bei den potenziellen Beschäftigten bewerben, nicht mehr umgekehrt.“
So setzt die Stadt Wedel schon länger auf Gleitzeit und Homeoffice, bietet
Sabbaticalphasen und flexible Angebote für Eltern an. Vor einem halben Jahr
entstand die Idee der Viertagewoche. „Der Personalrat war begeistert, der
Bürgermeister hat die Vorlage geschrieben, dann haben alle politischen
Gremien zugestimmt“, berichtet Amelung.
Besonders über die Unterstützung des Stadtrats – in dem sechs Fraktionen
von CDU bis Linke sitzen – freut er sich. Schließlich ist die Viertagewoche
eine klassische Gewerkschaftsforderung, die Verdi seit 2015 unter dem
Slogan [1][„Kurze Vollzeit für alle“] bewirbt. Die IG Metall bringt eine
echte Arbeitszeitverkürzung [2][mit vier Achtstundentagen bei vollem
Lohnausgleich] ins Spiel.
## Wachsende Zufriedenheit
Das stößt unter Arbeitgeber*innen nicht auf Begeisterung. Doch
angesichts des Personalmangels und steigender Fehlzeiten schauen
Unternehmen interessiert auf Studien, die Vorteile der kürzeren
Wochenarbeitszeit zeigen. Im Februar hat ein Forschungsteam aus Boston,
Dublin und Cambridge [3][eine Untersuchung veröffentlicht], an der 2.900
Beschäftigte aus 61 Unternehmen teilnahmen. Bei leicht besseren
wirtschaftlichen Ergebnissen wuchs die Zufriedenheit, sanken Fluktuation
und Fehlzeiten. 92 Prozent der Unternehmen blieben bei der kurzen Woche.
Wie das Angebot in Wedel angenommen wird, sei schwer einzuschätzen, sagt
Amelung. Insgesamt umfasst die Verwaltung 438 Stellen, viele davon sind in
Teilzeit besetzt. Gerade für die könne der Frei-Tag attraktiv sein. „Wobei
wir natürlich darauf achten, dass nicht alle am Montag oder Freitag
fehlen.“
Denn bei aller Rücksicht auf die Beschäftigten, die gewohnten
Öffnungszeiten werden beibehalten. Das müsste möglich sein, denn die
Wochenarbeitszeit ändert sich nicht: Wer eine volle Stelle hat, arbeitet
weiter rund 40 Stunden – die sich nur anders verteilen. Unterm Strich
sparen die Beschäftigten Fahrtzeiten, vermutlich fallen auch weniger
Überstunden an.
Mit mehr Freizeit lasse sich auch Wedel besser genießen, sagt Amelung: Die
Stadt sei „wunderschön, liegt direkt an der Elbe und hat alles, was man
braucht“.
14 Apr 2023
## LINKS
[1] https://nds-bremen.verdi.de/++file++57c415b67713b818a7381d1a/download/Impul…
[2] /Gewerkschaft-fuer-Vier-Tage-Woche/!5923169
[3] https://www.4dayweek.com/
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
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