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# taz.de -- Forderungen der Gewerkschaften: Mittelstandspflege der IG Metall
> Viertagewoche? Mehr Work-Life-Balance? Eigentlich gute Ideen. Aber sie
> gehen an der Realität der Geringverdiener:innen vorbei.
Bild: Will die Viertagewoche: IG-Metall-Chef Jörg Hofmann
Der 1. Mai ist der Tag der Gewerkschaften. Zumindest sollte man das
annehmen, gerade im Jahr 2023. Zwar regiert in Berlin eine, na vielleicht
nicht explizit linke, aber zu zwei Dritteln doch linkere Regierung als in
den Merkel-Jahrzehnten davor. Allerdings schafft es das dritte Drittel der
Koalition, jeden sozialen Ansatz von SPD und Grünen so sehr zu torpedieren,
dass man von der Ampel nicht wirklich das Glück der Arbeiterklasse erwarten
mag.
Und die allenfalls in Spuren noch [1][vorhandene linke Opposition
wagenknechtet sich dermaßen selbst], dass auch von dort keine kraftvolle
Vertretung des Proletariats in Sicht ist. Hinzu kommt eine anhaltend
extreme Inflation, die nichts anderes als eine permanente Umverteilung von
unten nach oben zur Folge hat.
Dennoch war am Montag von einem anständigen Aufstand keine Spur. [2][Die
Demos von DGB & Co wirken ritualisiert]. Nichts gegen Rituale. Weihnachten
kann ja auch ganz nett sein, genau wie ein demonstrativer Spaziergang am 1.
Mai. Frühling lässt sein rotes Band wieder flattern durch die Lüfte. Man
bekommt eine Ahnung von dem, was möglich wäre im Land. Mehr nicht. Geht es
uns vielleicht noch zu gut?
Zu gut sicher nicht. Aber eben auch nicht dramatisch schlecht. Das liegt –
auch – an der viel gescholtenen Ampelkoalition, die es trotz FDP geschafft
hat, die dramatischsten Folgen der Energiekrise so abzufedern, dass der
befürchtete heiße Herbst ausblieb, ja schon vergessen ist. Einmal hat es
die Ampel also doch geschafft, sozialpolitisch einzugreifen. Doch das Land
echauffiert sich über die Heizkesselreform. Nun ja, Kommunikation ist eine
politische Kunst, die gelernt sein will.
## Knappes Gut Arbeitskräfte
Zurück zum Thema: Wie gut es dem Land geht, zeigt die aktuelle Debatte, die
von der IG Metall angestoßen wurde: [3][Sie will die Viertagewoche]. Die
ist beileibe keine realitätsfremde Utopie. Das Thema ist sogar gut
platziert. Denn wenn die Arbeitgeber aller Klassen lauthals über den
Fachkräftemangel stöhnen, der tatsächlich [4][eher ein Arbeitskräftemangel]
ist, weiß die arbeitende Bevölkerung, dass sie zum knappen Gut geworden
ist. Dass sie am stärkeren Hebel sitzt. Dass sie mithin Forderungen stellen
kann, an deren Durchsetzung sonst nie zu denken wäre.
Work-Life-Balance? Ein wichtiges Thema! Und schön, dass viele es sich
leisten können, darüber nachzudenken. Als Angebot, als Option, als
Möglichkeit hat das durchaus seinen Reiz. Aber es ist bei Weitem eben nicht
die glückselig machende Revolution für alle. Vor allem das Heer der
Geringverdiener:innen wird sich ratlos an den Kopf fassen, wenn die
Gewerkschaften in erster Linie Mittelstandspflege betreiben. Denn die
Niedriglöhner:innen dürften dann freiwillig mehr arbeiten, um über den
Lohnausgleich hinaus zusätzlich Geld zu verdienen. Kein Wunder, dass vom
Aufstand der Arbeitenden bei den Gewerkschaftsdemos so wenig zu sehen ist.
1 May 2023
## LINKS
[1] /Korte-zum-Niedergang-der-Linkspartei/!5929567
[2] /Gewerkschaften-zum-1-Mai/!5928962
[3] /Ankuendigung-von-NRW-Verhandlungsfuehrer/!5926640
[4] /Demografie-Rente-und-Fachkraeftemangel/!5874453
## AUTOREN
Gereon Asmuth
## TAGS
IG Metall
Tag der Arbeit / 1. Mai
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