| # taz.de -- Junge Journalist*innen wünschen Veränderung: Wertschätzung? Fehl… | |
| > Junge Journalist*innen arbeiten oft in unsicheren, freien | |
| > Anstellungsverhältnissen. Wie erleben sie die aktuellen Skandale beim | |
| > ÖRR? | |
| Bild: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Anspruch, für alle zugängli… | |
| Hauseigene Rechercheteams, fristlose Kündigungen und die anhaltende Frage, | |
| was und wer als Nächstes kommen wird: Die [1][Skandale rund um den | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR)] sorgen seit Wochen für Wirbel. Im | |
| Fokus sind vor allem die Führungsetagen. Doch was sagen die, die von den | |
| Chef*innenetagen noch weit entfernt sind? Die oft noch nicht lange für | |
| den ÖRR arbeiten und schon jetzt den allgemeinen Unmut zu spüren bekommen? | |
| Wie erleben junge Journalist*innen im ÖRR die aktuellen Skandale? Und | |
| wie bewerten sie ihre Arbeitssituation? | |
| Eine Reportage zur Primetime im RBB. Es geht um Trockenheit und | |
| Wasserknappheit in Berlin und Brandenburg. Der Film wird preisgekrönt – | |
| zwei Jahre später wird eine Fortsetzung gedreht. Ein Erfolg auf ganzer | |
| Linie sowohl für den Sender als auch für die Reporter*innen. Nico | |
| Schmolke ist einer von ihnen. Er erzählt: Mit Hochglanzdoku hatte der Dreh | |
| nichts zu tun. | |
| Schmolke, 31, ist Reporter und arbeitet als freier Journalist für den | |
| Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). In seinen Aufgabenbereich fallen | |
| Recherche, Umsetzung und Interviews. Filmen gehört nicht dazu – eigentlich. | |
| Doch als die Protagonistin erkrankt, der Drehtag gebucht ist und das Team | |
| bezahlt werden muss, zieht Schmolke an einem anderen Tag selbst los – und | |
| filmt. Damit überhaupt Material entstehen kann. | |
| Das Motto des Senders sei gewesen: Bloß kein zusätzlicher Drehtag. Schmolke | |
| wird für den Extraaufwand nicht entlohnt. Seine Bezahlung ist pauschal | |
| geregelt. Mehr Geld wünscht er sich nicht, seine Bezahlung sei angemessen, | |
| sagt er der taz. Nicht angemessen findet er hingegen, wie in den obersten | |
| Etagen Gelder verschwendet werden. „Es ist einfach absurd zu sehen, wo | |
| gespart werden muss und was alles nicht bezahlt werden kann. Und dann sieht | |
| man durch den Schlesinger-Fall, wo das Geld stattdessen hingeht“, sagt | |
| Schmolke. | |
| ## Freie werden nicht gesehen | |
| Als freier Journalist beim RBB weiß Schmolke um die Schattenseiten der | |
| freien Mitarbeit beim ÖRR. Und da scheint der fehlende WLAN-Zugang im | |
| RBB-Haus noch das geringste Übel zu sein. „Als würde ich gar nicht | |
| existieren“, beschreibt Schmolke seine Stellung im Haus. Es fehle an | |
| Wertschätzung. Damit sich das ändert, müssten die Öffentlich-Rechtlichen | |
| grundsätzlich ihr Mindset anpassen, sagt er, und verstehen, dass „die | |
| freien Mitarbeiter einen großen Teil der Beschäftigten ausmachen – und | |
| darum auch ganze Teile des Programms“. | |
| Schmolke hofft, dass das Momentum des Skandals um die ehemalige | |
| RBB-Intendantin Patricia Schlesinger genutzt wird, um nicht nur zu schauen, | |
| was in den Geschäftsleitungen schiefläuft, sondern den ÖRR als Ganzes zu | |
| betrachten. Zuversichtlich zeigt er sich mit Blick auf seine | |
| Kolleg*innen. „Ich sehe, dass viele bekannte Autor*innen jetzt | |
| lautstark nach vorne gehen und konkrete Dinge bei Onlinebelegschaften | |
| anprangern“, sagt Schmolke. | |
| Dass grundsätzlich etwas schiefläuft, findet auch Çağlar Efe. Efe ist 28 | |
| Jahre alt und freier Journalist beim WDR. Er sieht es als Geschenk an, Teil | |
| des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein zu dürfen. Efe hat eine | |
| internationale Biografie und ist der Erste in seiner Familie, der | |
| studiert hat. Schwierig sei nicht nur, Zugänge in die Redaktionen zu | |
| bekommen, sondern auch ernst genommen zu werden. Auf Themenvorschläge | |
| bekomme man häufig nicht mal eine Antwort, sagt Efe. | |
| Trotz seines Studiums der Medienwisssenschaften kann er nicht allein vom | |
| Journalismus leben. Er ist auf einen weiteren Job angewiesen. „Wenn man | |
| dann mitbekommt, wie in den Führungsetagen das Geld verprasst wird, kann’s | |
| das einfach nicht sein“, sagt er. | |
| ## Machtbesessene Menschen in Führungsetagen | |
| Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Anspruch, für alle zugänglich | |
| und nahbar zu sein. Doch statt das umzusetzen, so scheint es Efe, habe sich | |
| in den Führungsetagen eine Parallelwelt aufgebaut, wo in Saus und Braus | |
| gelebt werde, während besonders freie Kolleg*innen oft doppelt arbeiten | |
| müssten. „Ich verstehe nicht, wie Menschen in Führungsetagen so | |
| machtbesessen sein können“, sagt er. | |
| In die Zukunft blickt Efe eher skeptisch. Neubesetzungen allein bedeuteten | |
| keine Veränderung, findet er. Es brauche strukturelle Reformen und gut | |
| funktionierende Kontrollgremien statt „laienhafte Zusammenschlüsse, die | |
| nichts bewirken können“. Und auch wenn eine gute Aufarbeitung gelingen | |
| sollte, hofft Efe, dass der Skandal nie in Vergessenheit gerät. | |
| Vom Vergessen sind die jungen Mitarbeiter*innen weit entfernt. Die | |
| durch die Skandale ausgelösten Debatten und internen Diskussionen führen | |
| unter ihnen auch zu Angst. Etwa davor, den eigenen Arbeitgeber zu | |
| kritisieren. Schließlich sind die meisten von ihnen in freien | |
| Anstellungsverhältnissen tätig und somit wenig abgesichert. Dieses Gefühl | |
| kennt auch die 32-jährige Emilia Finkel*, die anonym bleiben möchte. | |
| Finkel arbeitet als freie Journalistin für verschiedene junge Formate des | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Überrascht sei sie nicht gewesen, als sie | |
| von den Affären gehört habe. Als freie Journalistin ist sie selbst nicht | |
| beim ÖRR angestellt, sondern bei externen Produktionsfirmen. „Die Sender | |
| geben die Aufträge an Produktionsfirmen weiter, um sie auszulagern und | |
| damit Geld zu sparen“, erklärt sie. Auf die Frage, ob sie und ihre | |
| Kolleg*innen angemessen bezahlt werden, lacht sie und antwortet: | |
| „Definitiv nicht.“ | |
| ## Gerade Onlineformate werden oft belächelt | |
| Wie Efe und Schmolke merkt auch Finkel, dass es an Wertschätzung fehlt. Und | |
| dabei gehe es nicht etwa um besonderes Lob, sondern lediglich darum, ernst | |
| genommen zu werden. Gerade freie Journalist*innen, die für | |
| Onlineformate arbeiten, würden oft belächelt. „Onlineformate werden | |
| häufig nur als ‚Produkte nebenbei‘ verstanden“, sagt die Journalistin. | |
| Dennoch sollen sie besonders gut laufen. Das hat oft zur Folge, dass neue | |
| Formate schnell wieder eingestampft werden. | |
| Es werde viel auf Reichweite geachtet – und die könne durch Algorithmen | |
| sehr willkürlich ausfallen, sagt Finkel. Reichweite könne ein wichtiger | |
| Anhaltspunkt sein, findet sie. Dennoch brauche es für viele Entwicklungen | |
| einfach mehr Zeit, „und die könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich | |
| eigentlich nehmen, da er nicht von Werbung abhängig ist“. | |
| Über die Baustellen, die die Öffentlich-Rechtlichen derzeit zu bearbeiten | |
| haben und die unfreiwillig ans Licht gekommen sind, wird viel gesprochen. | |
| Doch das reicht nicht. Die Sender stehen vor einer besonderen Aufgabe: Sie | |
| müssen das Gesicht wahren und beweisen, dass sie in der Lage sind, Kritik | |
| aus den eigenen Reihen anzunehmen. Gerade von denjenigen, die unter | |
| internen Strukturen auch leiden: den jungen Freien. Sie wünschen sich | |
| Veränderung auf Augenhöhe. | |
| * Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt | |
| 11 Sep 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Larena Klöckner | |
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