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# taz.de -- Jahresbericht Integration und Migration: Klimapass und Klimavisum
> Die Klimakrise zwingt weltweit Menschen zur Flucht. Expert*innen
> fordern, in Deutschland legale Einreisemöglichkeiten zu schaffen.
Bild: Aus Somalia geflüchtete Menschen in einem Camp im kenianischen Dadaab
Berlin taz | Wegen der Klimakrise müssen schon heute Millionen Menschen aus
ihren Herkunftsländern fliehen. Um den Betroffenen zu helfen, schlägt der
Sachverständigenrat Integration und Migration (SVR) der deutschen Politik
vor, einen sogenannten Klimapass einzuführen sowie eine Klimacard und ein
Klima-Arbeitsvisum.
Was die Migrationsexpert*innen sich darunter vorstellen, geht aus
ihrem Jahresgutachten hervor, das sie Dienstag in Berlin vorgestellt haben.
„Auch wenn der Klimawandel und dessen Folgen globale Herausforderungen
darstellen, kommt den Nationalstaaten weiterhin eine maßgebliche Bedeutung
zu“, erläutert der SVR-Vorsitzende die Empfehlungen an die Bundesregierung.
Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium,
das sich mit Migrations- und Integrationsfragen beschäftigt. Aus dem
aktuellen Jahresbericht geht hervor, dass sich die durch den Klimawandel
bedingten Fluchtbewegungen nicht von bestehenden Migrationsbewegungen
abgrenzen lassen. Die Klimakrise wirke als „Metafaktor“, der insbesondere
im Globalen Süden die ohnehin grassierenden sozialen, ökonomischen oder
politischen Krisen verschärft und damit immer mehr Menschen zur Flucht
treibt.
Hier setzt die Klimacard an, die von den Sachverständigen vorgeschlagen
wird. Dieses temporäre Visum soll an Menschen vergeben werden, die ihr Land
vorübergehend verlassen müssen, um vor klimawandelbedingten Katastrophen zu
fliehen. Dabei brauche es allerdings eine „länderspezifische
Kontingentierung“, wie es im Gutachten heißt. Es sollen also nicht alle
betroffenen Menschen nach Deutschland kommen dürfen, sondern nur eine
bestimmte Anzahl, die vorher festgelegt wird.
## Die meisten fliehen in Nachbarländer
Gleichzeitig solle die Bundesregierung auch in „Anpassungsmaßnahmen“ im
Herkunftsland investieren, um mittelfristig eine Rückkehr der
Klimaflüchtigen zu ermöglichen. Geld brauche es auch für Projekte in
Nachbarländer in der Region. Denn nach Europa fliehen nur die wenigsten
Menschen, die von Krisen im Globalen Süden betroffen sind. Stattdessen
nehmen Nachbarländer den Großteil der Flüchtenden auf.
Das von den Sachverständigen vorgeschlagene Klima-Arbeitsvisum wiederum
soll ähnlich wie die Westbalkan-Regelung funktionieren: Menschen aus vom
Klimawandel betroffenen Ländern sollen damit nach Deutschland einreisen
können, um hier zu arbeiten. Damit würde eine reguläre
Einwanderungsmöglichkeit für Personen geschaffen, die sonst potenziell zu
Klimaflüchtlingen würden.
Den Klimapass schließlich sollen Menschen erhalten, die aus Ländern kommen,
die ihr Territorium wegen des Klimawandels komplett verloren haben. Gemeint
sind insbesondere Inselstaaten, die untergehen, wenn der Meeresspiegel
wegen der schmelzenden Polkappen ansteigt. Menschen, die von dort kommen,
sollen mit dem Klimapass dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen.
## Klimapass, Klimacard, Klimavisum?
Laut den Sachverständigen könnte Deutschland mit Klimacard,
Klimaarbeitsvisum und Klimavisum zum weltweiten Vorbild werden. Das könnte
auch andere Staaten überzeugen, auf klimabedingte Migration mit humanen
Maßnahmen zu reagieren.
Tatsächlich sieht es derzeit aber nicht so aus, als ob die Bundesregierung
an einer solchen Liberalisierung ihrer Flüchtlingsmigrationspolitik
interessiert ist. Zwar soll Arbeitsmigration nach Deutschland mit dem neuen
Fachkräftezuwanderungsgesetz erleichtert werden. Separate Regelungen für
Menschen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, plant die
Bundesregierung aber nicht.
Und liberalere Regelungen für Flüchtlinge sind schon gar nicht in Sicht.
Stattdessen [1][stützt die Bundesregierung im Kern das Vorhaben der
EU-Komission] für eine restriktive Reform der europäischen Asylregeln.
Geplant ist etwa, [2][Asylverfahren künftig teils an den EU-Außengrenzen
durchzuführen]. Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sich die Situation für
viele Flüchtlinge dadurch massiv verschlechtern könnte.
## Grüne auf Abwegen
Und zuletzt hatten Grünen-Politiker Omid Nouripour angedeutet, seine Partei
sei verhandlungsbereit bei der Frage, ob Georgien und Moldau als sichere
Herkunftsländer eingestuft werden sollen. Wer aus solchen sicheren
Herkunftsländern nach Deutschland flieht, erhält meist kein Asyl und kann
leicht abgeschoben werden.
Statt neue Flucht- und Migrationswege zu schaffen, zielt die
Bundesregierung also momentan eher darauf ab, möglichst viele Flüchtlinge
fernzuhalten.
9 May 2023
## LINKS
[1] /Umstrittene-Asylreform/!5929996
[2] /Migrationsreform-der-EU/!5929337
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
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