Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Italiens Haushaltsdefizit: Rom und Brüssel bleiben hart
> Die EU-Kommission leitet ein Defizitverfahren gegen Italien ein. Es
> könnte mit einer Strafe in Milliardenhöhe enden.
Bild: EU-Kommissar Pierre Moscovici hält Italiens geplante Ausgaben für 2019 …
Brüssel taz | Es ist eine Eskalation mit Ansage: Weil sich Italien trotz
mehrfacher Aufforderung aus Brüssel weigert, den Budgetentwurf für 2019 zu
überarbeiten und weniger neue Schulden zu machen, hat die EU-Kommission am
Mittwoch ein Defizitverfahren angekündigt. Es könnte mit Milliardenstrafen
enden – und die Schuldenkrise verschärfen. Einige Experten fürchten eine
neue Eurokrise.
„Wir hatten keine andere Wahl“, begründeten die beiden für den Euro
zuständigen EU-Kommissare Valdis Dombrovskis und Pierre Moscovici die
Entscheidung. „Mit dem, was die italienische Regierung auf den Tisch gelegt
hat, sehen wir die Gefahr, dass das Land in die Instabilität
schlafwandelt“, sagte Dombrovskis. „Wir handeln im Interesse der
italienischen Bürger“, beteuerte Moscovici.
Die populistische Regierung in Rom plant 2019 eine Neuverschuldung von 2,4
Prozent, Brüssel hält höchstens 0,8 Prozent für vertretbar. Mit einem
höheren Defizit könne der italienische Schuldenberg von über 130 Prozent
der Wirtschaftsleistung weiterwachsen und außer Kontrolle geraten, warnt
Dombrovskis. Dies könne die Stabilität der gesamten Eurozone gefährden.
Auf Nachfrage räumte Dombrovskis aber ein, dass es bisher keine
„Ansteckungsgefahr“ für andere Euroländer gebe. Der Euro sei stabil, die
Defizite in der Währungsunion lägen auf einem historischen Tiefstand.
Selbst die seit der Eurokrise berüchtigten „Spreads“, also die
Risiko-Aufschläge auf italienische Staatsanleihen, liegen noch nicht in
einem gefährlichen Bereich.
## „Schuldensünder“ gegen „Spardiktat“
Um das Defizitverfahren gegen Italien zu begründen, greift die
EU-Kommission denn auch zu einem Trick: Sie beruft sich nicht auf die
Neuverschuldung, sondern auf die Altschulden, die die Regierung in Rom von
ihren Vorgängern geerbt hat. Nach den EU-Regeln dürfen diese Altschulden
nicht höher als 60 Prozent liegen.
Bis es tatsächlich zu einem förmlichen Strafverfahren und eventuell sogar
zu Geldstrafen kommt, dürfte noch einige Zeit vergehen. Die EU-Kommission
muss eine Stellungnahme der Mitgliedstaaten einholen, bevor sie das
Verfahren eröffnen kann. Das könnte bis Dezember dauern, vielleicht auch
bis Januar. Über mögliche Sanktionen würde – wenn überhaupt – erst deut…
später entschieden. Im Falle Italiens sind Geldstrafen von bis zu 3,4
Milliarden Euro möglich.
Bisher sind noch nie Geldstrafen gegen „Schuldensünder“ verhängt worden.
Man setze weiter auf Dialog, betonte Moscovici. Tatsächlich sind bereits
weitere Gespräche geplant. So wird Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
am Samstag den italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte zu einem
Abendessen treffen. Mit einem Durchbruch wird nicht gerechnet.
Vielmehr sieht es so aus, als könne sich der Streit verselbständigen – und
zu einem Wahlkampfthema werden. Der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini,
hat bereits Kundgebungen gegen das „Spardiktat“ aus Brüssel angekündigt.
Die Rechtspopulisten versuchen offenbar, politisches Kapital aus der
Konfrontation mit der EU zu schlagen. Aber auch einige Reaktionen aus
Brüssel lassen bereits an die Europawahl im Mai 2019 denken.
## „Wirtschaftspolitik mit geladener Beretta“
„Italien hat die Eskalation gesucht, und das ist nun die Antwort“,
kommentierte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. „Ich erwarte, dass
die Kommission den möglichen Strafrahmen vollumfänglich ausschöpft.“ Hinter
die EU-Kommission stellt sich auch der grüne Finanzexperte Sven Giegold.
„Wahlgeschenke an die Wähler der Regierungsparteien rechtfertigen keine
Mehrausgaben“, sagte er.
Allerdings äußerte Giegold auch Verständnis für die Probleme in Rom.
Mehrausgaben könnten sinnvoll sein, wenn sie Italiens Wirtschaft
wiederbeleben, sagte er. „Für ökonomisch sinnvolle Ausgaben könnte Europa
temporär ein Defizit von maximal 2,4 Prozent akzeptieren“, so Giegold.
Zudem müssten die Stabilitätsregeln reformiert werden. Mit ihrer harten
Haltung machten die italienischen Populisten eine Reform der Währungsunion
jedoch noch schwerer.
Vor einem „Bumerang für die Eurozone“ warnt der linke Finanzexperte Fabio
De Masi. Strafzahlungen belasteten das Land zusätzlich und könnten die
Zinsen in die Höhe treiben. „Das ist Wirtschaftspolitik mit geladener
Beretta“, so De Masi. Es werde die Wut auf Brüssel und Berlin in Italien
weiter anheizen.
21 Nov 2018
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Italien
Haushalt
Haushaltsdefizit
EU-Kommission
Italien
Italien
Italien
Italien
Italien
EU-Kommission
Italien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wachsender Schuldenberg in Italien: Brüssel droht mit Defizitverfahren
Die EU-Kommission stellt wegen des wachsenden Schuldenbergs die Weichen für
ein Strafverfahren. Bundesfinanzminister will verhandeln.
Kommentar Streit um Italiens Haushalt: Sparen hilft nicht
Die EU-Kommisson behandelt ihre Mitglieder ungerecht. Von Italien verlangt
sie eine strengere Sparpolitik. Dabei heißt das Problem Stagnation.
Italienische Schuldenpolitik: Italien ist nicht Griechenland
Die Regierung in Rom will die EU mit ihrem Haushalt erpressen. Eine Gefahr
für die EU? Eher eine für Italiens Privathaushalte.
Kommentar EU-Budgetstreit mit Italien: Regeln müssen für alle gelten
Wer glaubt, eine harte Strafe gegen die populistische Regierung in Italien
wäre gut, liegt falsch: Der Bestand der Währungsunion ist wichtiger.
Italiens Haushaltsdefizit: Salvini spottet über Kritik der EU
Italien reagiert mit Hohn auf die Budget-Empfehlung aus Brüssel. Ändern
will die Regierung nichts. Die Zinsen für Staatsanleihen steigen weiter.
Eskalation im Budgetstreit mit Italien: Brüssel will Verfahren gegen Rom
EU-Abgeordnete finden: Rom provoziert eine Eskalation. Die Kommission will
zu einem Trick greifen, um Italiens geplante Neuverschuldung zu stoppen.
Streit über italienischen Staatshaushalt: Italien kontert EU mit Häme
Drei Wochen hat Rom Zeit, beim Haushaltsentwurf nachzubessern. Doch die
italienische Regierung setzt lieber auf Konfrontation.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.