# taz.de -- Interview mit Berliner Türsteherinnen: „Realität an der Tür ab… | |
> Die Arbeit an Clubtüren gilt als reine Männerdomäne. Dass es anders geht, | |
> zeigt das Türkollektiv vom linken Technoclub ://about blank. | |
Bild: Leo Sommer, Maja Malenko, Maria Luxemburg (v.l.n.r.) | |
taz: Seit April läuft der Film „Berlin Bouncer“ in den Kinos und | |
porträtiert drei männliche Türsteher des Berliner Nachtlebens. Erkennen Sie | |
Ihre Arbeit in dem Film wieder? | |
Maria Luxemburg: Ich habe mir den Film aus Interesse angeschaut, habe aber | |
bemerkt, dass das mit unserer Türarbeit nichts zu tun hat. Im Film geht es | |
um die Biografien von einzelnen Männern, die im Vordergrund stehen – was in | |
meinen Augen in der praktischen Türarbeit nicht funktionieren kann. | |
Maja Malenko: Der Film vermittelt ein Bild, dass zum Beispiel Sven | |
Marquardt alleine die Tür im Berghain schubst. Das stimmt natürlich nicht. | |
Wir glauben, dass Türarbeit nur in einem Team funktionieren kann, indem | |
mehrere Leute zusammenarbeiten und nicht eine Person alleine vorne steht. | |
Wie sieht denn die Realität aus? | |
Luxemburg: Wir sind an allererster Stelle für die Kommunikation da. Der | |
erste Kontakt ist an der Tür und es geht um die Frage, ob eine Person rein | |
darf oder nicht. Das entscheiden wir nicht nur anhand von einem auf | |
Äußerlichkeiten basierten ersten Eindruck, der auch falsch sein kann, | |
sondern versuchen immer, in Kommunikation mit den Gästen zu treten. Weiß | |
der Gast, worauf er sich einlässt? Möchten die Gäste, die schon drin sind, | |
dass auch derjenige dabei ist und einen Beitrag zu dieser Party leistet? | |
Aber Sicherheit spielt natürlich auch eine Rolle: Wir machen auch Taschen- | |
und Personenkontrollen. | |
Leo Sommer: Bei uns steht nicht nur eine Person vorne und versucht die | |
Leute zu filtern, indem sie sagen, wer reinkommt und wer nicht, sondern | |
dass jede*r im Team versucht, alle Aufgabenbereiche zu übernehmen. Wir | |
machen auch regelmäßig Runden durch den Laden und gucken, wie die Stimmung | |
ist. | |
Wie ist die Genderbalance im Team? | |
Luxemburg: Ein Drittel der Mitarbeiter*innen sind weiblich, zwei Drittel | |
sind männlich gelesen. | |
Streben Sie eine Parität an? | |
Sommer: Mindestens! | |
Luxemburg: Wir versuchen auch aktiv, weibliche Teammitglieder zu gewinnen | |
und anzulernen. Dabei berücksichtigen wir aber auch unterschiedliche | |
Altersgruppen oder verschiedene soziale und kulturelle Backgrounds, um | |
möglichst vielseitige Sichtweisen auf die Türarbeit zu vereinen. | |
Ist es schwierig, Frauen zu rekrutieren? | |
Malenko: Es ist schon schwierig, weil sich viele Frauen das leider nicht | |
zutrauen. Es gibt immer noch dieses klassische Bild von einem Türsteher: | |
Ein großer aufgepumpter Typ, der die ganze Zeit irgendwen wegboxen muss. | |
Das haben viele Frauen im Kopf. Und da müssen wir aktiv auf die zugehen. | |
Leo ist zum Beispiel beim Training angesprochen worden. | |
Sommer: Bevor ich hier angefangen habe, wurde ich während eines | |
Selbstverteidigungstrainings gefragt, ob ich nicht Interesse hätte, im | |
Blank an der Tür zu arbeiten. | |
Große aufgepumpte Typen braucht man also nicht? | |
Malenko: Die Realität ist, dass 90 Prozent unserer Arbeit nichts mit Gewalt | |
oder Körperlichkeit zu tun hat, sondern aus Kommunikation besteht. Es geht | |
darum, Situationen zu deeskalieren – und das ist eine ganz wichtige | |
Fähigkeit. Das heißt eben nicht nur, Leute rauszuschmeißen, sondern mit | |
Betroffenen zu arbeiten. Das ist eher soziale Arbeit als Wegboxen. Trotzdem | |
sind wir, als letzte Option, auch auf körperliche Auseinandersetzungen | |
vorbereitet. Wir agieren aber hierbei mit Augenmaß und als Team. | |
Haben Sie das Gefühl, dass Partygäste anders auf Sie als Türsteherinnen | |
reagieren im Vergleich zu Ihren als männlich gelesenen Kollegen? | |
Luxemburg: Auf jeden Fall. Es kann aber in beide Richtungen gehen. Zum | |
Beispiel, dass man einer männlichen Person eine Ansage machen muss, der das | |
von einer Frau viel weniger akzeptiert. Aber es kann auch umgekehrt | |
passieren: Dass es leichter für jemanden ist, von mir ein Nein hören, als | |
von einem „männlichen Konkurrenten“. | |
Wie fühlt das sich an, in einer eher männlich dominierten Branche zu | |
arbeiten? | |
Luxemburg: Hier im Team habe ich jetzt nicht den Eindruck, dass ich in | |
einer männlich dominierten Branche arbeite. Wenn man über unser Türteam | |
hinaus schaut, dann ist das natürlich schon leider die Regel. Es empowert | |
auf alle Fälle. | |
Malenko: Ich habe drei Jahre lang in einer Sicherheitsfirma mit dreißig | |
Männern gearbeitet, und das war richtig anstrengend. Deswegen war das für | |
mich eine Offenbarung hierherzukommen. Ich dachte, krass, man kann | |
Türarbeit auch anders gestalten. Ich musste mich nicht mehr als Fremdkörper | |
fühlen. Leute nehmen mich und meine Arbeit hier ernst. Und das ist | |
empowernd. | |
Sommer: Ich kann das nur bestätigen. Denn im Rettungsdienst ist es | |
tatsächlich auch eine Männerdomäne. Da hat man es vielleicht noch mal ein | |
bisschen schwieriger, weil du auch ordentlich anpacken können musst. Hier | |
ist das einfach das komplette Gegenteil. | |
Das ://about blank hat ein linkes Selbstverständnis. Wie sieht also eine | |
linke Türpolitik aus? | |
Sommer: Auf jeden Fall inklusiv. Und zwar auf eine Art, die sich möglichst | |
nicht an Äußerlichkeiten festmacht. Äußerlichkeiten können wir bei unserer | |
Arbeit nicht 100 Prozent außen vor lassen, aber es soll nicht auf der Ebene | |
bleiben. Auch deshalb ist dieses erste Gespräch, das an der Tür geführt | |
wird, wichtig. Wenn Menschen von ihrer Optik oder ihrem Verhalten auf den | |
ersten Blick nicht wirken, als würden sie hier reinpassen, versuchen wir | |
das auch in der Kommunikation zu klären. | |
Wie vermeiden Sie die Gefahr, rassistisch bei Ihrer Selektion zu sein? | |
Malenko: Grundsätzlich muss man sich klar sein, dass wir alle irgendwo | |
nicht frei von Diskriminierungsmechanismen sind. Wir sind alle damit | |
aufgewachsen, das legt man nicht von einem Tag zum anderen ab. Uns ist | |
wichtig, dass man auch noch einen Schritt zurückgehen kann, indem man zum | |
Beispiel eine Entscheidung nochmal revidiert und versucht, immer wieder zu | |
reflektieren. Manchmal wird man aber auch betriebsblind. Dann muss man auf | |
die Kolleg*innen vertrauen, dass sie sagen, wenn eine Entscheidung gerade | |
nicht so cool war. Dabei ist es uns wichtig, nicht nur eine Mischung aus | |
Männern und Frauen im Team zu haben. Wir haben auch Mitarbeiter*innen mit | |
unterschiedlichen sexuellen Orientierungen, sozioökonomischen Hintergründen | |
und Fluchterfahrung. Es ist wichtig, die Realität auch an der Tür | |
abzubilden. | |
Luxemburg: Und es hilft uns, nicht in unseren eigenen Klischees hängen zu | |
bleiben. In jeder Schicht gibt es kleine Gespräche, ob eine Reaktion auf | |
einen Gast okay war. Aber es kommt auch öfter vor, dass Leute reingekommen | |
sind und bei der Taschenkontrolle denken, sie können ihr gutes Benehmen | |
sofort wieder vergessen. Dann sagt die oder der entsprechende Kolleg*in, | |
dass sie doch nicht reindürfen. | |
Wie benehmen sich Gäste zum Beispiel? | |
Malenko: Bei der Frage, ob wir sie abtasten können, sagen sie „Ja, gerne!“ | |
Luxemburg: Oder „Mich hat so lange keine Frau mehr angefasst“. Und dann | |
spricht man sich kurz ab mit den Kolleg*innen draußen, und der Gast geht | |
dann wieder. Die Entscheidung liegt also nicht bei einer Person. Aber wir | |
versuchen auch – wenn möglich – in einem kurzen Gespräch zu erklären, wa… | |
das nicht lustig war und dieses Verhalten an diesem Ort nirgendwo okay ist. | |
Funktioniert diese Aufklärung? | |
Luxemburg: Der große pädagogische Teil unserer Arbeit trägt auch Früchte – | |
besonders bei internationalen Gästen, die vielleicht mit Clubkultur bislang | |
wenig Berührung hatten. Die Leute reagieren oft überraschst darauf, dass | |
ein Türsteher überhaupt mit ihnen redet. Oder dass wir auch dafür da sind, | |
dass sie sich wohlfühlen und nicht einfach, um vorne an der Tür ja oder | |
nein zu sagen. | |
Aber im Prinzip haben Sie kein Problem mit Partytouristen? | |
Malenko: Es gibt diese Feierszene halt nicht ohne Touristen. Das kann man | |
sich auch abschminken. Wir stehen in Lonely Planet drin. Wir stehen auf | |
Resident Advisor. | |
Wer kommt definitiv nicht rein? | |
Sommer: Es gibt eindeutige politische Symbole wie die rechtsextreme Marke | |
Thor Steinar, die wir nicht reinlassen. Das betrifft auch Nationalfahnen | |
auf Kleidung – egal aus welchem Land. Aber es gibt andere Symbole oder | |
Abbildungen von Menschen, wo wir mit dem Gast einfach noch mal darüber | |
sprechen. Da ist die Reaktion der Person wichtig. Man kann vielleicht eine | |
Lösung finden: das T-Shirt umdrehen oder ein Pullover vom Kumpel anziehen | |
zum Beispiel. | |
Malenko: Ein Gast hat mal vor der Tür sein T-Shirt verbrannt, weil er nicht | |
wusste, dass es problematisch war. Wir haben ihn aufgeklärt, dass es nicht | |
cool war, und er war so schockiert, dass er es angezündet hat. | |
30 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Nicholas Potter | |
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