# taz.de -- Intelligente Videoüberwachung in Hamburg: Punkt, Punkt, Komma, Str… | |
> Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz will die Hamburger Polizei Gefahren | |
> effektiver erkennen. Dabei identifizieren Kameras verdächtige | |
> Bewegungsmuster. | |
Bild: Strichmännchen, um Bewegungmuster leichter erkennen zu können – die s… | |
HAMBURG taz | Mit einer ungewöhnlichen Szenerie wurden Hamburger*innen | |
am vergangenen Freitag auf dem Hansaplatz im Stadtteil St. Georg unweit des | |
Hauptbahnhofs konfrontiert. Polizist*innen stellten in der Mitte des | |
Platzes Lautsprecher samt Mikrofon auf. Vereinzelt wurden Personen von den | |
Beamt*innen aufgefordert, die Fläche zu verlassen. | |
Der Anlass für die Maßnahmen und die Präsenz der Polizei war die geplante | |
Präsentation und Vorstellung der neuen Videoüberwachungstechnologie für den | |
Platz durch Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeivizepräsident Mirko | |
Streiber. Anwohner*innen des Viertels waren zu der Veranstaltung nicht | |
eingeladen worden. Neben zahlreichen Pressevertreter*innen waren kaum | |
weitere Zuschauer*innen auf dem Platz. | |
Der Hansaplatz gilt für die Polizei [1][seit Längerem als Problemgebiet], | |
auch weil er ein Treffpunkt für Obdachlose und Drogenabhängige ist. Bereits | |
2019 wurden 16 Überwachungskameras auf dem Platz installiert. Eine neue | |
KI-Software soll die Videoüberwachung auf dem Platz nun aufrüsten und | |
effektiver machen. | |
Die neue Technologie basiert auf der [2][„digitalen Skelettierung“] der von | |
den Kameras erfassten Personen. Diese Strichfiguren werden durch die | |
Software hinsichtlich möglicher atypischer Bewegungsmuster wie Schläge, | |
Tritte, Schubsen oder die Bildung von Gruppen ausgewertet. Im Falle eines | |
Treffers wird das System Polizist*innen im Wachraum des zuständigen | |
Polizeikommissariats 11 alarmieren, die dann überprüfen sollen, ob wirklich | |
eine potenzielle Gefahr vorliegt. So soll der Mehrwert der intelligenten | |
Videobeobachtung in der frühzeitigen Erkennung von Gefahrensituationen | |
liegen. Ähnliche Projekte wurden bereits an anderen Orten umgesetzt, etwa | |
in Mannheim, [3][wo das Fraunhofer-Institut Kameras mit ähnlicher Software] | |
eingesetzt hat. | |
## Intransparente Klassifizierung | |
Kritik gibt es an der neuen Technologie, weil die Kriterien, nach denen die | |
Software Verhalten bewertet, nicht transparent seien und die | |
Anwohner*innen nicht einbezogen wurden. „Videoüberwachung kann, wenn | |
überhaupt, nur einen sehr kleinen Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung | |
leisten“, sagt Deniz Celik von der Linksfraktion in der Bürgerschaft. „ | |
Dafür sind die negativen Auswirkungen umso gravierender.“ Die | |
Videoüberwachung greife das Recht auf informationelle Selbstbestimmung an | |
und stelle durch den permanenten Überwachungsdruck eine staatliche | |
Sozialkontrolle dar, so Celik. „Welches Verhalten als atypisch | |
klassifiziert wird, ist absolut nicht transparent und erzeugt auf diese | |
Weise einen hohen Konformitätsdruck.“ | |
In der vergangenen Woche wurde der Testbetrieb der Kameras auf dem | |
Hansaplatz gestartet, um die Wirksamkeit der intelligenten Videoüberwachung | |
zu erproben. Die Polizei betont, dass durch die neuen KI-Kameras keine | |
biometrischen Daten erfasst werden. Es soll auch keine Identifizierung nach | |
Alter, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit stattfinden. Weil die | |
Software aber kontinuierlich trainiert und weiterentwickelt werden soll, | |
könnten solche Technologien in der Zukunft mehr Möglichkeiten zur | |
Identifizierung und Überwachung bieten, befürchten Kritiker*innen. | |
Im Stadtteil gibt es schon länger Kritik an Plänen, die Videoüberwachung | |
auszuweiten. Ressourcen, erklärte der Einwohnerverein St. Georg, sollten | |
besser für die Unterstützung von Obdachlosen eingesetzt werden, anstatt sie | |
weiter zu stigmatisieren. Der Verein forderte den Ausbau niedrigschwelliger | |
Anlaufstellen für Geflüchtete und die [4][Umsetzung von | |
Housing-First-Projekten], die Obdachlosen Unterkünfte zur Verfügung | |
stellen. | |
Hamburg hat die Videoüberwachung im öffentlichen Raum seit 2016 | |
kontinuierlich ausgebaut. Aktuell setzt sich der Senat im Anschluss an die | |
Messerattacke von Brokstedt für eine umfassende Überwachung in Zügen des | |
Regional- und Fernverkehrs sowie an Bahnhöfen ein. | |
17 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Performance-Das-Revier-in-Hamburg/!5846504 | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Skelettierung_(Bildverarbeitung) | |
[3] https://www.mannheim.de/de/nachrichten/startschuss-fuer-intelligente-videou… | |
[4] /Housing-First/!t5493653 | |
## AUTOREN | |
Lars Hermes | |
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