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# taz.de -- Überwachung von Drogenszene: Hamburgs Polizei setzt auf KI
> Künstliche Intelligenz soll im Bahnhofsviertel künftig verdächtige
> Bewegungen erkennen und Alarm auslösen. Der Datenschutzbeauftragte weiß
> von nichts.
Bild: Wird schon heute mit Kameras überwacht: der Hansaplatz in Hamburg-St. Ge…
Hamburg taz | Die Hamburger Polizei will in der Nähe des Hauptbahnhofs die
Videoüberwachung massiv ausbauen. Am Hansaplatz im Stadtteil St. Georg soll
künftig [1][intelligente Überwachungstechnologie] zum Einsatz kommen, um
Bewegungsmuster der auf dem Platz anwesenden Menschen zu erstellen und
diese zu analysieren. Das verkündete Polizeipräsident Ralf Martin Meyer
jüngst beim Jahresempfang der Hamburger Polizei. So soll die Technik
frühzeitig Gefahren erkennen und in solchen Fällen Alarm schlagen.
Allerdings gibt es Kritik an dem Vorhaben: „Warum wird hier nicht sehr viel
mehr dafür getan, dem [2][Elend vieler Obdachloser] entgegenzuwirken?“,
fragt etwa Michael Joho, Vorsitzender des Einwohnervereins St. Georg.
Bei den Behörden gilt der Hansaplatz [3][vor allem als Problemort]: Von
Beschwerden wegen Lärmbelästigung und starken Drogenkonsums berichten sie
regelhaft, auch von [4][Straßenprostitution] und Gewalttaten. Und so
reagierte die Polizei schon einmal mit verstärkter Überwachung: Weil sich
der Hansaplatz zu einem Schwerpunkt der Straßenkriminalität entwickelt
habe, sind seit 2019 insgesamt 16 Kameras installiert.
Bereits in einer kurzen Zeit von 2007 bis 2009 waren sie schon einmal da,
nach Protesten der Anwohner:innen wurden sie aber wieder abmontiert.
Der Einsatz wurde von der Polizei damit begründet, Straftaten effektiver
vorbeugen als auch verfolgen zu können.
## Der Algorithmus entscheidet, ob Gefahr besteht
Jetzt wollen die Behörden aber offensichtlich mit der technischen
Entwicklung voranschreiten: intelligente Überwachungsmethoden, darunter
versteht man die Erfassung aller Bewegungen von Objekten. Hinzu kommt die
Mustererkennung von Verhaltensweisen von Personen bis hin zur biometrischen
Gesichtserkennung und Echtzeit-Identifizierung von Personen.
Jedoch muss es nicht bei der Erfassung dieser Daten bleiben: Intelligente
Überwachungstechnik kann einen Algorithmus nutzen, der entscheidet, ob und
inwieweit das aufgezeichnete Bildmaterial eine potenzielle
Gefahrensituation zeigt. Das Ganze funktioniert mithilfe von künstlicher
Intelligenz. Die Technik kann dann gegebenenfalls Alarm auslösen.
Michael Joho kritisiert daran, dass der Alarm auch ausgelöst werde, wenn
eine Straftat bloß unterstellt werde. „Was sollen das denn für
Bewegungsmuster sein?“
Die Polizei und die Innenbehörde antworten auf taz-Anfrage dazu nicht.
Trotz der Ankündigung des Polizeipräsidenten beim Jahresempfang heißt es
nur: „Der angefragte Themenkomplex befindet sich noch in einem frühen
Planungsstadium, sodass wir derzeit keine Auskünfte dazu geben können.“ Das
schreibt Tim Spießberger, Sprecher des Innensenators Andy Grote (SPD).
„Es werden keine personenbezogenen oder biometrischen Daten verwendet“,
sagt Sina Imhof, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Das war
uns bei den Debatten vor der nun stattfindenden Implementierung wichtig.“
Die Technologie solle „die Bewegungsmuster ‚Schlagen‘, ‚Treten‘ und
‚Hinfallen‘ erkennen und im Anschluss die Beamt*innen alarmieren“. Ziel
sei es, diese zu entlasten. Ob die Software zuverlässig arbeite und der
Personalaufwand tatsächlich reduziert werde, könne erst nach einer
Evaluation gesagt werden.
Harald Heck, der seit 8 Jahren am Hansaplatz lebt, betrachtet die
Videoüberwachung wie Joho grundsätzlich kritisch. Vor allen Dingen in ihrer
Funktion: Denn für Heck haben die Kameras, „wenn überhaupt, etwas
Symbolisches, um zu zeigen, dass man irgendwie etwas tut“. Es gehe nicht
darum, das Problem zu lösen, sondern sowieso schon stigmatisierte Personen
im Auge zu behalten. Die Szene verlagere sich möglicherweise, das Leid der
Betroffenen aber nicht. Die herrschende Kriminalität vor Ort wundert
Anwohner Heck auch nicht. Viel lieber würde er sozialpolitische Maßnahmen
wie Vorortdienste und Streetworker am Hansaplatz begrüßen, statt der
zunehmenden Überwachung.
Auch Michael Joho fordert gezielter Maßnahmen wie niedrigschwellige
Anlaufstellen für junge Geflüchtete oder [5][Housing-First-Projekte], die
Unterkünfte zur Verfügung stellen.
## Der Datenschutzbeauftragte weiß von nichts
Und was ist eigentlich mit dem Datenschutz? Alina Schöming, Sprecherin des
Datenschutzbeauftragten, teilt der taz mit: Das Vorhaben sei der Behörde
noch gar nicht bekannt, entsprechend müssten die Pläne der Polizei erst
noch geprüft werden. Da der Hamburgische Datenschutzbeauftragte bei solchen
Verfahren jedoch involviert werden müsse, werde man sich zeitnah an die
Polizei wenden.
Die Nutzung von Überwachungstechnologien bleibt in kriminalpolitischen
Diskursen umstritten. Das zeigt auch das Pilotprojekt der intelligenten
Überwachungstechnologie am Berliner Bahnhof Südkreuz. Allerdings wurde dort
zwischen 2017 bis 2018 vorwiegend mit Gesichtserkennungssoftware
experimentiert. Im Abschlussbericht des Bundespolizeipräsidiums heißt es,
das die Technik „einen wertvollen Beitrag zur Gewährleistung von
Bahnsicherheit leisten kann“.
Konträr zu dieser Auffassung steht die Analyse des Chaos Computer Clubs.
Der Verein charakterisiert den Bericht als „realitätsferne Beschönigung“.
So seien die Erkennungsraten bei den Standorten der Kameras inakzeptabel
schlecht.
Auch der Deutsche Anwaltsverein [6][bezieht dazu Stellung] und verweist auf
verschiedene Studien, „die entweder keine, nur bedingte, d.h.
ausschließlich auf Eigentumsdelikte bezogene oder kaum Wirkung von
Videoüberwachung“ zeigen. Ebenfalls belegten Erhebungen, dass Kriminalität
lediglich verdrängt werde. Andere verzeichneten einen Kriminalitätsrückgang
in den Nachbarschaftsgebieten.
25 May 2023
## LINKS
[1] /Video-Ueberwachung-am-Suedkreuz/!5607914
[2] /Repressive-Drogenpolitik-in-Hamburg/!5902050
[3] /Massnahme-gegen-oeffentliches-Trinken/!5752407
[4] /Prostitution-in-Hamburg/!5644565
[5] /Leben-in-der-eigenen-Wohnung/!5894272
[6] https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-47-17-intelligente-videoueberwachung…
## AUTOREN
Nur Maulawy
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