# taz.de -- Installation im Kranzler-Eck: Wenn das Auto-Ich spricht | |
> Seit 2020 steht das Bilka-Kaufhaus leer. Jetzt vermittelt der Künstler | |
> Lawrence Lek in den Räumen das Gefühl einer autogerechten Stadt der | |
> Zukunft. | |
Bild: Der durchkapitalisierten Zukunft entgegen: Lawrence Lek, „NOX“, 2023 | |
Die Kaufhäuser der Nachkriegsmoderne, sie gehören zu einer Idee von Stadt | |
fürs Automobil, wie sie über Dekaden in der DDR wie der BRD verfolgt wurde. | |
Eine von breiten Autoachsen umgebene Einkaufszone liegt in ihrem Zentrum, | |
Parkmöglichkeiten anbei, und gewohnt wird vorzugsweise in Suburbia. | |
Auch das ehemalige Bilka-Warenhaus [1][nahe dem Kurfürstendamm] wurde von | |
dem Architekten Hanns Dustmann in den späten 1950er Jahren nach diesem | |
Paradigma entworfen. Bekannter ist der Architekt Dustmann eher für das | |
Kranzler-Eck, das er dem Warenhaus anfügte, weniger aber dafür, dass er | |
1944 – so steht es auf Wikipedia – auch in [2][die Gottbegnadeten-Liste des | |
Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda] aufgenommen wurde. | |
Von Dustmanns Kranzler-Kuppel aus kann man heute über den Ku'damm schauen | |
und beobachten, wie der architektonische Typus des Kaufhauses mittlerweile | |
zum Ertragsversprechen für Immobilieninvestoren wurde. Über dem Karstadt | |
gleich gegenüber plante [3][der Immobilienriese René Benko] noch im Sommer | |
letzten Jahres zwei Hochhäuser. Benkos Firma Signa hat derweil Insolvenz | |
angemeldet, die Hochhäuser bleiben zunächst nur Projekt. | |
Das Bilka-Kaufhaus mit seinem eher piefigen Fassadenmosaik und seinen | |
Kuppeln steht aber unter Denkmalschutz, so einfach lassen sich darüber | |
keine Hochhäuser stülpen. Bis 2020 befand sich darin der Karstadt Sport, | |
seitdem steht es leer. Die Eigentümerin, die Investmentgesellschaft Axa IM | |
Alts, will dort ab 2025 eine „prominente Kultureinrichtung“ ansiedeln. | |
Derzeit bespielt der in London lebende Künstler Lawrence Lek mit seiner | |
immersiv-dunklen Multimediainstallation „Nox“ das Haus. Organisiert hat sie | |
[4][die private LAS Art Foundation]. | |
Einsame Limousinen | |
In Dustmanns leerem Kaufhaus holt Lek einen nun in eine Welt hinein, in der | |
das Automobil zum totalen Subjekt geworden ist. Schwarze Limousinen stehen | |
einsam in den leeren Hallen. Runde Autoscheinwerfer werfen ihre Strahlen in | |
Dunkle, als stünde man nachts einsam mit einer Panne auf der Landstraße. | |
Die Limousinen, sie sprechen buchstäblich mit einem. Erzählen von | |
vergangenen Zeiten, an denen sie noch eines Fahrers am Steuer bedurften, um | |
sich fortzubewegen. Und sie erwähnen einen übermächtigen „Sponsor“. Dies… | |
scheint die Maschinen wie auch die gesamte Szenerie nur noch nach ihrer | |
wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit zu werten. | |
Auf einer großen Leinwand cruist ein solches Auto ohne Fahrer durch eine | |
dystopische Landschaft. Immer wieder taucht in dem glutroten Abendlicht der | |
Videoprojektion auch Dustmanns Karstadt-Sport auf. Nun in eine Landschaft | |
mit breiten Straßen getaucht, in der sich menschliches Leben allenfalls in | |
den verrotteten Hochhäusern am Horizont ablesen lässt. Das soll wohl die | |
autogerechte Stadt der Zukunft sein – und sie ist eine total | |
durchkapitalisierte. | |
25 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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