| # taz.de -- Signa-Pleite in Berlin: Das Imperium zerfällt | |
| > Die Insolvenz beim Immobilien- und Kaufhauskonzern hat auch große | |
| > Auswirkungen auf Berlin. Manche sehen im Scheitern aber auch eine Chance. | |
| Bild: Zumindest das Austern schlürfen scheint gesichert: Das KaDeWe wird die I… | |
| Berlin taz | Lange bahnte sich die Krise des Immobilien- und | |
| Einzelhandelsriesen an, nun ist der Kollaps nicht mehr aufzuhalten: Nach | |
| [1][der Insolvenz der Dachgesellschaft Signa-Holding] vergangene Woche | |
| melden immer mehr Tochterunternehmen Zahlungsunfähigkeit an. Mit der Pleite | |
| wachsen auch die Sorgen über die Auswirkungen auf Berlin. Denn das | |
| Unternehmen entwickelte nicht nur zahlreiche Immobilien in besten | |
| Innenstadtlagen, die nun zu Bauruinen werden könnten, sondern ist auch die | |
| Mutter des dauer-kriselnden Warenhauskonzerns Galeria-Karstadt-Kaufhof. Wie | |
| geht es weiter mit dem Berliner Teil von Renè Benkos zerfallendem | |
| Immobilien-Imperium? | |
| ## Die Investitionsruinen | |
| Trotz der verworrenen Unternehmensstruktur samt Einzelhandelssparte und | |
| zahlreichen Firmenbeteiligungen lässt sich das [2][Kerngeschäft der | |
| Signa-Holding] mit drei Worten zusammenfassen: kaufen, entwickeln, | |
| verkaufen. Besonders hatte es das Unternehmen auf Immobilien in besten | |
| Lagen mit großem Wertsteigerungspotenzial abgesehen. | |
| Das sich im Bau befindliche „P1“ in der Passauer Straße ist ein | |
| Paradebeispiel für diese Strategie. Das 60er-Jahre-Parkhaus gegenüber dem | |
| Luxuskaufhaus KaDeWe ließ Signa bereits im letzten Jahr abreißen, um es | |
| durch einem Büroneubau zu ersetzen. Den hätte das Unternehmen nach | |
| Fertigstellung für ein Vielfaches weiterverkauft – wäre da nicht die | |
| Insolvenz. Signa kann die Rechnungen nicht mehr begleichen, seitdem stehen | |
| die Kräne auf der Baustelle still. | |
| Ähnlich sieht es bei dem am Spreebogen gelegenen Großprojekt „Glance“ aus. | |
| Dort wurde bislang nur die Baugrube fertig, bevor die Bauarbeiten | |
| eingestellt wurden. Auf dem ehemaligen Industriegebiet wollte Signa | |
| ebenfalls Büros errichten. | |
| Auch die Fertigstellung des „Femina-Palasts“ im ehemaligen Hotel Ellington | |
| in der Nürnberger Straße wird sich auf unbestimmte Zeit verzögern. | |
| Eigentlich wollte Signa in dem in den 1920er Jahren errichteten Baudenkmal | |
| Einzelhandel, Büros und Gastronomie platzieren. | |
| Wie lange der Baustopp andauert, hängt vom Verlauf des Insolvenzverfahrens | |
| ab. Die Gefahr, dass nach einer etwaigen Auflösung der Insolvenzmasse | |
| langjährige Spekulationsruinen entstehen, besteht durchaus. Ob die Projekte | |
| dann weitergebaut würden, hinge dann von den neuen Eigentümer:innen | |
| ab. Im ungünstigsten Fall gäben die sich noch mit einer stabilen Wertanlage | |
| in Form eines baurechtlich erschlossenen Grundstücks zufrieden. Den | |
| Bezirken wären in einem solchen Fall die Hände gebunden: „Wir können | |
| niemanden zum Bauen zwingen“, sagt Tempelhof-Schönebergs Baustadträtin Eva | |
| Majewski (CDU) der taz. | |
| Majewskis Amtskollege in Charlottenburg-Wilmersdorf, Christoph Brzezinski | |
| (ebenfalls CDU), ist optimistisch, dass dieser Worst Case nicht eintreten | |
| wird. „Ich rechne nicht damit, dass wir einen lang andauernden Baustopp | |
| haben werden“, schätzt der Baustadtrat die Zukunft des „Glance“ ein. | |
| Für Brzezinskis Einschätzung spricht, dass Signa in den letzten Monaten | |
| bereits einige Projekte verkaufen konnte: Erst im November übernahm der | |
| Logistikunternehmer und Milliardär Klaus-Michael Kühne – nebenher Investor | |
| beim Fußball-Traditionsverein Hamburger SV – das „Be Berlin“, einen | |
| weiteren Bürobau in der Schicklerstraße. Auch das im Bau befindliche | |
| „Mynd“-Hochhaus, für das ein Teil des Kaufhofs am Alexanderplatz abgerissen | |
| wurde, verkaufte Signa schon im Juni gewinnbringend an den | |
| Investitionsfonds Commerzreal. | |
| Das Geschäftsmodell von Signa kann auf Berlins Immobilienmarkt trotz | |
| Baukrise weiterhin funktionieren. Die Gründe für den Kollaps liegen vor | |
| allem beim auf Schulden und überhöhten Immobilienbewertungen basierenden | |
| Wachstumskurs des Unternehmens. Das System funktionierte, solange Geld | |
| billig war. Mit steigenden Zinsen brach Benkos Kartenhaus in sich zusammen. | |
| ## Die Zankäpfel | |
| Deutlich mehr Handlungsspielräume hat die Politik bei den noch in Planung | |
| befindlichen und höchst umstrittenen Großprojekten am Hermannplatz und am | |
| Ku’damm. Auch hier wieder dasselbe Spiel: Karstadt-Gebäude abreißen und | |
| durch einen deutlich größeren Neubau ersetzen. Besonders am Hermannplatz | |
| stießen Signas Pläne, eine Rekonstruktion des monumentalen | |
| Art-déco-Vorgängers von 1929 errichten zu wollen, auf erhebliche | |
| Widerstände aus Zivilgesellschaft und Bezirkspolitik. Auch am Ku’damm lief | |
| nicht alles rund: Für Pläne, auf dem Areal drei Hochhäuser errichten zu | |
| wollen, erhielt Signa zunächst eine Absage, weil die sich nicht ins | |
| Stadtbild fügten. | |
| Doch Benko perfektionierte das Geschäftsmodell der Immobilienaufwertung, | |
| indem er durch gewieften Lobbyismus und fragwürdige Deals seine Projekte | |
| gegen alle Widerstände durchboxte. Berlin bildete da keine Ausnahme: Im | |
| Gegenzug für den Erhalt von vier Galeria-Filialen, die im Rahmen der ersten | |
| Insolvenz 2020 schließen sollten, sicherte der damals rot-rot-grüne Senat | |
| dem Unternehmen Baurecht bei den umstrittenen Immobilienprojekten zu und | |
| zog die Planungsverfahren an sich. | |
| Nach der Insolvenz verkündete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung | |
| eine „Planungspause“ für die beiden Projekte, hofft aber, beide notfalls | |
| mit einem anderen Investor verwirklichen zu können. „Wir werden in der | |
| jetzigen Situation in den beiden Verfahren keine weiteren formalen Schritte | |
| mehr vornehmen, bis klar ist, welcher leistungsfähige Partner bereitsteht, | |
| um die Planungsziele umzusetzen“, sagte Pressesprecherin Alexandra Hofer | |
| der taz. | |
| Der vormals für die Planung zuständige Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg | |
| sieht die Pleite jedoch als Chance und fordert, das Planungsverfahren | |
| wieder an den Bezirk zurückzugeben und somit eigene Alternativen zu Signas | |
| Monumental-Plänen entwickeln zu können. „Eine Möglichkeit ist, dass der | |
| Bezirk nun eine städtebauliche Machbarkeitsstudie beauftragt, noch bevor | |
| ein neuer Eigentümer des Karstadtgebäudes in Erscheinung tritt“, schlägt | |
| Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) vor. „Dabei sollten die Nachbarschaft, | |
| aber auch die Mitarbeiter:innen von Karstadt stark beteiligt werden.“ | |
| Durch Planungshoheit bestünde zumindest theoretisch die Chance, [3][die | |
| Warenhäuser zu rekommunalisieren.] Diesen Schritt forderte bereits die | |
| Linkspartei. | |
| ## Das Warenhausgeschäft | |
| Mit der Insolvenz des Mutter-Unternehmens verdüstern sich auch die | |
| Zukunftsaussichten der dauerkriselnden Einzelhandelstochter | |
| Galeria-Karstadt-Kaufhof. Laut Medienberichten bereitet Signa einen Verkauf | |
| des Warenhauskonzerns vor, der in Berlin noch zehn Filialen betreibt. Die | |
| 200 Millionen Euro, die Signa im Zuge der letzten Galeria-Pleite in das | |
| Unternehmen investieren wollte, werden höchstwahrscheinlich nicht fließen. | |
| Galeria steht nun vor der Herausforderung, die dringend notwendige | |
| Modernisierung des Warenhauskonzepts ohne Hilfe von außen zu stemmen. | |
| Ungewiss wird damit auch die Wiedereröffnung der Filiale am Leopoldplatz, | |
| die im Januar schließen soll. Zusammen mit der Versicherungskammer Bayern | |
| wollte Signa das Gebäude aufwendig für eine profitablere Mischnutzung | |
| umbauen. Die Filiale sollte eigentlich nach dem Umbau in ein paar Jahren | |
| wieder eröffnen. „Wir erarbeiten aktuell eine konstruktive Lösung“, sagt | |
| eine Sprecherin der Versicherungskammer auf taz-Anfrage, Genaueres könne | |
| man aktuell noch nicht sagen. | |
| Doch Signas Pleite könnte auch Chancen für Galeria bieten: Im Zuge der | |
| Insolvenz bestätigte sich der Verdacht, dass die Galeria-Filialen überhöhte | |
| Mieten an den Mutterkonzern zahlen, umso die Immobilienbewertungen | |
| künstlich aufzublähen. Während Galeria im Insolvenzverfahren noch | |
| Staatshilfe kassierte, schüttete die Immobiliensparte üppige Dividenden | |
| aus. Mit einer neuen Eigentümerin hätte Galeria wieder Aussicht auf | |
| deutlich geringere Mieten. | |
| Aufatmen können hingegen die Kund:innen des Luxuskaufhaus KaDeWe. Signas | |
| Geschäftspartner, die finanzstarke thailändische Central Group, sicherte | |
| bereits seine Unterstützung zu. Bereits im März kaufte Central die Hälfte | |
| der Immobilie und könnte sie im Ernstfall auch komplett übernehmen. Ohnehin | |
| schreibt das KaDeWe – im Gegensatz zu Signa – seit Jahren schwarze Zahlen. | |
| 8 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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