# taz.de -- Besuch im Luxuskaufhaus Alsterhaus: Ein Montag vor dem Sturm | |
> Die Eigentümer des Hamburger Luxuskaufhauses Alsterhaus sind pleite und | |
> die Zukunft ist ungewiss. Zu Besuch im Haus, das nicht weiß, wohin. | |
Bild: Im Hamburger Alsterhaus setzt man auf Luxus – aber so ganz traut man de… | |
Hamburg taz | Das Alsterhaus tut so, als sei nichts. Der Türsteher steht | |
ungerührt in seinem dunklen Anzug neben dem Gucci-Shop, und ganz oben auf | |
dem Dach, wo eigentlich nur die Möwen sie sehen können, flattern die | |
Fahnen. Aber vielleicht übernehmen jetzt andere hier das Ruder. Am frühen | |
Nachmittag betritt ein Rastamann das Alsterhaus. Er ist sehr groß und er | |
geht ohne Eile, seine Zöpfe schwingen leicht dabei, vorüber am Türsteher, | |
der zu klein wäre, um ihn aufzuhalten. Er geht vorbei am Omega-Shop links | |
und Gucci rechts. Er kommt bis zu Christian Laboutin, dessen Schuhe | |
Monatsgehälter kosten. Dann dreht er um. | |
[1][Das Alsterhaus ist pleite, genauer seine Eigentümerin, die | |
KaDeWe-Gruppe], und die Gewerkschaft Verdi bangt um die Arbeitsplätze der | |
Angestellten und versichert, dass das Alsterhaus ein Stück Hamburg sei. Die | |
Verkäufer:innen in den Luxusboutiquen im Erdgeschoss tragen Hemd und | |
dunkle Anzüge und viele sind so jung, als gehöre Jugend zum | |
Einkaufserlebnis wie der Raumduft. | |
Es riecht teuer und aus einem der Shops, der keine Preisschilder kennt, | |
weil Geld keine Rolle spielt, hört man Fetzen eines Gesprächs zwischen drei | |
Angestellten. „Like a telenovela“, sagt eine Frau, „you don’t get this | |
month“, „so traurig“. „Du bist vom sinkenden Schiff abgesprungen“, sa… | |
Mann und dann erklärt der Abgesprungene, dass es unsicher sei mit seiner | |
Provision für [2][den nächsten Monat.] | |
Im Alsterhaus sind die Verkäufer:innen eleganter als die Kundschaft, | |
die Kassiererin im ersten Stock könnte auch Professorin an der Sorbonne | |
sein. Aber wie soll man den Leuten auch ansehen, ob sie Geld haben oder | |
nicht, wenn die Turnschuhe für 490 Euro im zweiten Stock, Marke Golden | |
Goose, unfassbar überzeugend ausgelatscht und verblichen aussehen. | |
## Leere Etagen trotz Sale | |
Trotz 60-Prozent-Sale ist es eher leer auf den Etagen und die Kundschaft | |
uneindeutig. Ein paar Exzentriker in teurem Bunten, ein paar | |
Daunenjackenträger, ein paar osteuropäische und ein paar asiatische | |
Tourist:innen. Ein paar solide Ehepaare, ein paar Teenager in der | |
Boss-Ecke, die sich über Klamotten für 300 Euro unterhalten, aber es wird | |
nicht klar, ob sie in ihr Budget fallen oder nicht. | |
Das immerhin fällt auf: Das Alsterhaus besuchen auch die Jungen und man | |
könnte sagen, dass entweder das Alsterhaus etwas richtig oder die Jungen | |
etwas falsch machen. Aber trotz der Jugend und der öden Lautsprechermusik, | |
etwas Elektrobeatartigem, ist es still. Es ist eine matte Stille, als sei | |
das Alsterhaus erschöpft vom bloßen Überleben. | |
Ende der 90er haben die Eigentümer einmal auf ein günstigeres Sortiment | |
gesetzt, aber mit wenig Erfolg. Nun soll es wieder teuer sein, mit BHs für | |
450 Euro, die ganz vorne hängen, grau-grüne Spitze namens Agent | |
Provocateur, als solle sich niemand einbilden, hier auch welche für 60 Euro | |
zu bekommen. Aber die gibt es auch und wer ein Stock höher den | |
Burberry-Kinderschneeanzug für 520 Euro hinter sich gelassen hat, stößt auf | |
eine Lego-Abteilung, die auch bei Karstadt stehen könnte. Überhaupt: Was | |
ist ein Luxuskaufhaus, das im ersten Stock einen Übergang zu H&M erlaubt? | |
Wirklich Betrieb ist nur in der Damen-Schuhabteilung, wo auf dem Sessel am | |
Eingang ein Mann mit grauen Locken im blauen Wollmantel sitzt. Ein paar | |
Meter weiter sagt eine Verkäuferin zu einer Putzkraft: „[3][No, wir sind | |
nicht Karstadt]“, und das soll Hoffnung machen. Und noch ein paar Schritte | |
weiter hält ein sehr großer Mann einer sehr kleinen Verkäuferin eine | |
Papiertüte hin: „Käse-Spinat“ und später, in einem Hinterzimmer, wird sie | |
ihn umarmen. | |
## Ein Potemkinsches Dorf | |
Vielleicht ist das Alsterhaus ein Potemkinsches Dorf, mit Pappwänden voller | |
Luxusklimbim, hinter dem sie das gehobene Mittelschichtssortiment aufgebaut | |
haben, weil sie weder an das eine noch an das andere glauben. | |
Ganz oben, hinter einer Sektbar, an der niemand sitzt, gibt es ein | |
Restaurant unter einem bunten Glasdach, das die Sternzeichen zeigt. Dort | |
sitzt an diesem Montagnachmittag eine Mutter mit einem Burberry-Kind und | |
daneben ein alter Mann in Hemd und Pullunder, der eine Suppe löffelt. Und | |
ein Stück weiter der lockige Mann aus der Schuhabteilung, der vielleicht im | |
Alsterhaus einen Unterschlupf gefunden hat, dem letzten Ort, dem man das | |
zutrauen würde. | |
Und der Rastamann? Hat eine Badehose gesucht. Und dann gemerkt: „Das ist | |
hier nichts für mich.“ | |
30 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Signa-Pleite/!5988469 | |
[2] /Final-Sale-im-KaDeWe/!5985602 | |
[3] /Sanierungsplaene-fuer-Karstadt/!5033406 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
## TAGS | |
Karstadt | |
René Benko | |
Luxus | |
Hamburg | |
Kaufhaus | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Insolvenz | |
Kaufhaus | |
René Benko | |
Signa | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zukunft des KaDeWe: Luxus geht immer | |
Dass das Berliner Edelkaufhaus Insolvenz angemeldet hat, bedeutet nicht | |
gleich Schließung. Die Geschäfte laufen gut – Krise hin oder her. | |
KaDeWe bezahlt Kosmetik-Rechnung nicht: Verband erhebt Vorwürfe | |
Das können sie sich abschminken: Kosmetiklieferanten bekommen die | |
finanziellen Schwierigkeiten der KaDeWe-Group bereits zu spüren. | |
„Final Sale“ im KaDeWe: Das Wahrzeichen kann weiter glänzen | |
Die Gruppe, der das KaDeWe gehört, meldet Insolvenz an. Doch schließen wird | |
das Luxuskaufhaus nicht. Dem Haus gehts bestens, die Pleite ist eine Finte. | |
Signa-Pleite: KaDeWe Group stellt Insolvenzantrag | |
Das Berliner Traditionskaufhaus will sich von Altlasten befreien. Es klagt | |
vor allem über zu hohe Mieten, die es der Signa zahlen muss. | |
Signa-Pleite in Berlin: Das Imperium zerfällt | |
Die Insolvenz beim Immobilien- und Kaufhauskonzern hat auch große | |
Auswirkungen auf Berlin. Manche sehen im Scheitern aber auch eine Chance. |