# taz.de -- Homophobe Gewalt in Berlin: Dunkelfeld immer sichtbarer | |
> Das Anti-Gewalt-Projekt Maneo lobt die Polizei für Sensibilität im Umgang | |
> mit homophober Gewalt. 2018 zählte es erneut mehr Taten. | |
Bild: Nach der Übergabe des Maneo-Reports gab es im Abgeordnetenhaus Regenboge… | |
BERLIN taz | Ein Paar geht Hand in Hand, umarmt sich in der U-Bahn, küsst | |
sich zum Abschied: Für Homosexuelle können solche Alltäglichkeiten | |
gefährlich werden. Das zeigt der neue Bericht für 2018 von dem schwulen | |
Anti-Gewalt-Projekt Maneo, der am Dienstag in Allianz mit dem lesbischen | |
Projekt L-Support vorgestellt wurde, die ein ähnliches Projekt mit Fokus | |
auf lesbische Frauen aufbauen möchte. Laut Maneo-Report wurden mehrere | |
Dutzend Fälle erfasst, in denen die „Paarerkennung“ Auslöser für einen | |
Übergriff war. | |
Insgesamt hat sich die Zahl der erfassten Fälle von homophober und | |
trans*phober Übergriffe in Berlin laut Bericht gegenüber dem Vorjahr um 58 | |
Fälle auf 382 erhöht. Binnen zwei Jahren wurden fast ein Drittel mehr Fälle | |
solcher Gewaltformen in Berlin erfasst. „Wir müssen von weit mehr Vorfällen | |
ausgehen“, sagte Maneo-Leiter Bastian Finke. Es sei aber gut, dass „immer | |
mehr Betroffene den Weg zur Polizei finden“. | |
Von den 382 Fällen richteten sich 19 allgemein gegen die Gruppe der LSBT*, | |
waren also Anschläge gegen Gedenkstätten wie das Homo-Mahnmal. 286 Fälle | |
waren gegen Schwule und männliche Bisexuelle gerichtet, 27 gegen Lesben und | |
weibliche Bisexuelle sowie 50 gegen Trans*personen. Dominierende | |
Gewaltformen sind Beleidigungen, gefolgt von Körperverletzungen und | |
Bedrohungen. „Beleidigungen sind aber nicht weniger ernst zu nehmen“, | |
erklärte Finke. „Es verändert Menschen“, wenn sie regelmäßig wegen eines | |
Merkmals beleidigt würden, das sie nicht verändern können. | |
Hotspots sind nach wie vor der Regenbogen-Kiez in Schöneberg, Tiergarten | |
und Mitte. In Neukölln sind die Zahlen deutlich gestiegen (von 22 in 2016 | |
auf 38 in 2018), einige Angriffe waren besonders brutal. Daher gab es dort | |
voriges Jahr erstmals Präventionsgespräche zwischen Maneo, Polizei und | |
Bezirksamt. Erstes Ergebnis: ein Benefiz-Konzert am 29. Mai in der | |
Neuköllner Oper. „So möchten wir mit dem sozialen Umfeld präventiv in | |
Kontakt treten“, erklärte der Ansprechpartner für LSBTI bei der Berliner | |
Polizei, Sebastian Stipp. | |
Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit der Polizei in Berlin vorbildlich für | |
die ganze Bundesrepublik, lobte Finke. Nirgendwo sonst gäbe es | |
vergleichbare Anstrengungen, homophobe und trans*phobe Übergriffe „ins | |
Hellfeld zu führen“. Auch darum trauten sich immer mehr Betroffene, | |
Vorfälle anzuzeigen. In der Berliner Polizei gebe es inzwischen „ein großes | |
LGBTI-Netzwerk“, erklärte Stipp, in fast jeder Direktion habe man | |
spezialisierte Ansprechpersonen. Bei der Polizeiausbildung arbeite man | |
zudem mit Maneo zusammen, damit „homophobe Straftaten auch als solche | |
erkannt werden“. | |
Allerdings gibt es da noch Verbesserungsbedarf, wie Stipp und Finke | |
übereinstimmend erklärten. So sei ein besonders brutaler Übergriff im März | |
2018 am Boddinplatz in Neukölln zunächst nicht von der Polizei als homophob | |
erkannt worden. Dort hatten drei unbekannte Jugendliche ein schwules Paar | |
verfolgt und einem Opfer mit einem Messer ins Bein gestochen. „Das Opfer | |
hat sich noch aus dem Krankenhaus bei uns gemeldet“, erzählte Finke. Im | |
Gespräch mit Maneo sei der homophobe Hintergrund erkannt und der Polizei | |
übermittelt worden. „Der Fall ist inzwischen Schulungsmaterial bei unserer | |
Fortbildung“, ergänzte Stipp. | |
In der Polizeilichen Kriminalstatik wurden im selben Zeitraum 225 Fälle als | |
„politisch motivierte Taten gegen die sexuelle Orientierung“ gezählt – | |
nicht alle Opfer, die zu Maneo gehen, gehen auch zur Polizei. 47 Prozent | |
der Fälle wurden aufgeklärt, obwohl die Täter den Opfern nur in 19 Prozent | |
der Fälle bekannt waren. Manche Täter würden noch vor Ort festgenommen, | |
wenn die Polizei schnell sei, erklärte Markus Oswald, LSBTI-Ansprechpartner | |
bei der Staatsanwaltschaft. Andere würden vom Opfer später wieder erkannt | |
oder durch Öffentlichkeitsfahndung mit Videobildern, etwa aus U-Bahnhöfen, | |
gefunden. | |
7 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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