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# taz.de -- Haushaltsplanung in Russland: Die russische Bevölkerung soll für …
> Um die hohen Kriegskosten zu bewältigen, will Russland zukünftig die
> Mehrwertsteuer erhöhen und die Unternehmensteuer ausweiten – auf kleine
> Betriebe.
Bild: Keine Kohle für den Krieg: Die Exporte sind weitgehend zusammengebrochen
Berlin taz | Die Kassen im Kreml leeren sich rapide und deshalb schwenkt
der russische Präsident Wladimir Putin auf einen konfrontativen Weg um: Er
lässt jetzt das russische Volk für die gewaltigen Kosten des
Angriffskrieges auf die Ukraine aufkommen. Vom 1. Januar an soll die
Mehrwertsteuer von 20 auf 22 Prozent erhöht werden.
So ist es im Entwurf des Haushalts 2026 vorgesehen, über den die Duma, das
russische Parlament, derzeit berät. Für Kleinunternehmer wird die
Umsatzsteuerbefreiung von bisher 60 auf 10 Millionen Rubel (umgerechnet nur
noch gut 100.000 Euro) reduziert.
Um die ärmsten Bevölkerungsgruppen zu schonen, bleibt die Mehrwertsteuer
für Grundnahrungsmitteln bei 10 Prozent. Putins Plan zielt auf den
kritischen Mittelstand. Viele Kleinunternehmer in Städten hatten in der
Vergangenheit oppositionelle Parteien unterstützt – unter anderem den
Anti-Korruptionskampf des inzwischen [1][in Haft vergifteten
Oppositionellen Alexej Nawalny].
Vor allem geht es dem Kremlchef Putin aber um das ökonomische Überleben des
Riesenreichs. Dessen Wirtschaft hatte US-Präsident Donald Trump kürzlich
als „Papiertiger“ verspottet, wegen der immer offensichtlicher werdenden
Schwächen. Dabei hatte Putin, nicht zuletzt mit der vorigen
Mehrwertsteuererhöhung 2019 – drei Jahre vor dem Überfall auf die Ukraine �…
sein Land zu einer „finanziellen Festung“ mit Reserven in dreifacher
Milliarden-Dollar-Höhe ausgebaut, wie russische Analysten erklären.
Aber die Sanktionen haben Russland deutlich härter getroffen als erwartet
und zugegeben. Die Kohleexporte sind weitgehend zusammengebrochen, die
Ölausfuhren liegen deutlich unter Weltmarktpreis. Vor allem die
Beschlagnahmung des gesamten, im Ausland angelegten Zentralbank-Vermögens
hat den russischen Haushalt deutlich eingeschränkt. Gleichzeitig zieht sich
der Krieg gegen die Ukraine inzwischen über dreieinhalb Jahre statt der
versprochenen wenigen Tage.
## „Abwanderung in die Schattenwirtschaft“
Die drastische Reduzierung der Mehrwertsteuerfreigrenze auf ein Sechstel
des bisherigen Umfangs für Kleinunternehmer werde mindestens 800.000 Firmen
treffen, hat die Moskauer Mittelstandsvereinigung Opora errechnet. Dahinter
stehen Menschen wie Dmitri Kotschew aus der Rüstungsmetropole Ischewsk, wo
die berühmten Kalaschnikows geschmiedet werden. Kotschew betreibt dort
einen Onlinehandel für Kinderkleidung.
„Den muss ich schließen, wenn ich mit meinem Umsatz in die
Mehrwertsteuerpflicht rutsche“, sagt der Unternehmer. Bisher habe er eine
Marge von 3 bis 3,5 Prozent – ohne dass er bisher Mehrsteuer abführen muss
wegen der derzeitigen Grenze von 60 Millionen Rubel. „Es wird eine
Pleitewelle geben“, sagt Kotschew voraus, denn seine Kund:innen könnten
eine drastische Preiserhöhung nicht mitmachen. Das führe zu massenhaften
Insolvenzen oder „Abwanderung in die Schattenwirtschaft“.
Dass es „eine schwierige Situation in einzelnen Sektoren“ gebe, räumt auch
die Putin-Vertraute Elvira Nabiullina ein, die Chefin der Zentralbank.
Bisher nannte sie öffentlich nur die Öl-, Kohle- und Stahlindustrie. Doch
russische Autofirmen kommen gegen die chinesische Konkurrenz nicht mehr an
und haben Kurzarbeit angeordnet. Wegen des Sparkurses der Regierung wurden
außerdem subventionierten Hypothekenkredite gestrichen. Das hat den
Wohnungsbau und Immobilienmarkt schwer getroffen. Auch andere
Wirtschaftszweige ächzen, [2][sogar Teile der Rüstungsindustrie].
## 43 Milliarden Dollar Haushaltsdefizit
Für „Sicherheit und Verteidigung“ solle die Mehrwertsteuer angehoben
werden, begründete das Finanzministerium. Allein die offiziell in den
Haushalten seit 2022 nachvollziehbaren Ausgaben lassen schließen, dass
Russland bisher schon mindestens 135 Milliarden Euro für den
Ukraine-Überfall aufwenden musste.
Darin sind regionale Budgets, aus denen Sterbegeld für gefallene Soldaten
gestemmt werden müssen, und in anderen Haushaltsposten getarnte
Kriegsausgaben noch nicht drin. Auch nicht die Einnahmeausfälle durch die
immer erbitterten ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Ölanlagen, in
denen das schwarze Gold als schwarzer Rauch aufsteigt. Ein Diesel- und
Benzin-Exportverbot wurde bereits verhängt bis mindestens Jahresende. In
vielen Regionen [3][herrscht Nechwatka, ein enormes Sprit-Defizit].
Allein im laufenden Jahr erwartet Finanzminister Anton Siluanow 43
Milliarden Dollar Haushaltsdefizit – erstmals seit seinem Amtsantritt 2011
und nach vielen Jahren der Haushaltsüberschüsse.
Putin hatte seinem Volk noch voriges Jahr versprochen, bis 2030 die Steuern
nicht anzutasten. Nun wird die Mehrwertsteuer erhöht und Ökonomen erwarten
in russischen Medien schon bald ein weiteres Drehen an der Steuerschraube.
Doch wenigstens seinen Staatsdienern, die dem Diktator das Volk vom Leibe
halten, werden die Saläre um 7,6 Prozent erhöht zum 1. Oktober – auf Ebene
der Russischen Föderation. Auf Regionalebene reicht es nur noch für 4,5
Prozent.
2 Oct 2025
## LINKS
[1] /Tod-des-russischen-Oppositionellen/!5992806
[2] /Zolldrohung-gegen-Russland/!6102132
[3] /Nach-ukrainischen-Drohnenangriffen/!6106643
## AUTOREN
Mathias Brüggmann
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