# taz.de -- Haushalt 2025: Auswärtiges Amt schlägt Alarm | |
> In einem internen Bericht warnt das Ministerium vor Hilfsgeld-Kürzungen. | |
> Die UN spricht von Millionen von Toten durch die Sparpolitik reicher | |
> Länder. | |
Bild: Geflüchtete aus dem Sudan warten nach der Überquerung der Grenze in den… | |
Berlin taz | Auch aus der Regierung selbst kommt Kritik an den Sparplänen | |
in der Entwicklungspolitik: Nur mit zusätzlichem Geld sei es möglich, | |
„lebensnotwendige humanitäre Hilfe zu leisten und der drastischen | |
Verschlechterung der Lage vieler Menschen bis hin zu schlimmsten Notlagen | |
und Hungerkatastrophen entgegenzuwirken“, heißt es in einem internen | |
Bericht des Auswärtigen Amts von Johann Wadephul (CDU), der der taz | |
vorliegt. | |
Hintergrund ist der [1][Haushaltsentwurf 2025], den Bundesfinanzminister | |
Lars Klingbeil (SPD) vor zwei Wochen vorgestellt hat. Darin wird der Etat | |
für die humanitäre Hilfe – also die Notgelder für Krisenregionen – | |
gegenüber dem Haushalt vom Vorjahr um 53 Prozent gekürzt. 1,19 Milliarden | |
Euro sollen eingespart werden. Für 2025 stehen dann nur noch 1,04 | |
Milliarden Euro zur Verfügung. Das sei der niedrigste Wert in zehn Jahren, | |
schreibt das Auswärtige Amt. | |
Im Koalitionsvertrag von Ende April hieß es noch: „Humanitäre Hilfe werden | |
wir stärken“ und ein „stärkeres Engagement nach dem Ausfall anderer Geber | |
in wichtigen Bereichen“ prüfen. | |
Währenddessen warnen UN-Organisationen vor den Auswirkungen der Kürzungen. | |
Die USA, die rund 45 Prozent der humanitären Hilfe finanziert haben, haben | |
sich unter US-Präsident Donald Trump komplett zurückgezogen – und ein | |
Milliardenloch hinterlassen. Gleichzeitig haben [2][fast alle Geberländer | |
in den vergangenen Jahren bei den Nothilfen und Entwicklungsgeldern | |
gekürzt]. | |
Auch das Nothilfebüro (OCHA) der Vereinten Nationen schlägt in seinem | |
jüngsten Bericht mit dem Untertitel „Die grausame Mathematik der | |
Hilfskürzungen“ weltweit Alarm: Aufgrund der Kürzungen würden mindestens 79 | |
Millionen Bedürftige keine Hilfe mehr erhalten. UN-Organisationen warnen | |
vor Millionen Toten als direkte Folge der Kürzungen. Das | |
Welternährungsprogramm rechnet damit, dieses Jahr 16 Millionen Menschen | |
weniger mit Lebensnothilfen versorgen zu können. Das UN-Kinderhilfswerk | |
Unicef warnte, dass es aufgrund der Kürzungen 14 Millionen Kinder, die von | |
Hunger betroffen sind, nicht länger versorgen könne. | |
## UN will bei Hilfsleistung stärker priorisieren | |
Auch Wissenschaftler*innen im Journal The Lancet [3][prognostizieren | |
Todeszahlen in Millionenhöhe] bis 2030, sollte es allein bei den von den | |
USA geplanten Kürzungen für 2025 bleiben. | |
Rund 12.000 Verträge mit humanitären Helfern wurden bereits gekündigt. | |
Mindestens 22 Organisationen mussten Büros vollständig schließen, heißt es | |
außerdem in dem UN-Bericht. Das Nothilfebüro kündigt an, dass humanitäre | |
Hilfe zukünftig priorisiert werde. Es werde auf die schwersten | |
Krisengebiete konzentriert, darunter Sudan, Gaza, Syrien, Ukraine, Jemen, | |
Afghanistan und DR Kongo. | |
Der UN-Sekretär für humanitäre Hilfe Tom Fletcher sagt im Vorwort des | |
Berichts: „Sechs Monate nach der rücksichtslosen Prioritätensetzung für die | |
Bedürftigsten müssen wir mit immer weniger Mitteln auskommen, während die | |
Welt um uns herum in Flammen steht“. Es würden mehr Leben durch Kriege und | |
klimabedingte Katastrophen zerstört und die eigenen Mitarbeiter getötet, | |
verletzt und inhaftiert, „nur weil sie versuchen, Leben zu retten“. | |
Das Auswärtige Amt erklärt in dem internen Papier, dieser Priorisierung nun | |
zu folgen. „Dies ist besonders schwierig und wird ungenügend bleiben, da | |
sich in den letzten Jahren auch deutsche Sicherheitsinteressen berührende | |
Krisen verschärft haben“, heißt es weiter. Gemeint ist etwa die Lage in | |
Nahost, der Ukraine und Sudan. | |
„Daneben nehmen Naturkatastrophen, wie Dürren, Überflutungen und | |
Wirbelstürme infolge der Klimakrise zu“, schreibt das Außenministerium in | |
dem Bericht. Es prognostiziert einen Anstieg von Hunger, Fluchtbewegungen, | |
aber auch Ausbreitung von Epidemien. Auf Anfrage hieß es beim Auswärtigen | |
Amt: „Zu vermeintlichen Leaks äußern wir uns grundsätzlich nicht“. | |
## Linke fordert mehr Gelder | |
Der Haushalt 2025 ist noch nicht beschlossen, am Mittwoch berät der | |
Bundestag darüber, danach geht die Arbeit in den Ausschüssen weiter. | |
Michael Herbst, Chef des Verbands von Hilfs- und Entwicklungsorganisationen | |
Venro, kritisiert: „Die Kürzungen bei der humanitären Hilfe werden | |
Menschenleben kosten, weil dringend benötigte Hilfe nicht bereitgestellt | |
werden kann“. Er fordert ein „sofortiges Umschwenken der Bundesregierung“. | |
Kritik kommt auch aus der Opposition. Die Sprecherin für Globale | |
Gerechtigkeit der Linksfraktion Charlotte Neuhäuser sagte der taz: Nachdem | |
sich die USA von der internationalen Solidarität verabschiedet haben werde | |
immer offensichtlicher: „Deutschland ist Teil des Finanzierungsproblems. | |
Dem drittreichsten Land der Welt sind hunderte Milliarden für Panzer, | |
Raketen und Drohnen fatalerweise wichtiger als Hilfe für hunderttausende | |
Menschen in Not“. Es sei genug Geld genug da, nur ungerecht verteilt. Die | |
Linke im Bundestag fordere, „dass Deutschland beim Geld endlich sein Wort | |
hält“, so Neuhäuser. | |
7 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Klingbeil-stellt-Haushaltsentwurf-vor/!6092979 | |
[2] /Entwicklungsgelder-der-G7/!6093621 | |
[3] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(25)01186-9/… | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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Jahren. |